American Football:From Hero to Zero

Nick Foles

Quarterback Nick Foles (oben) soll mit den Philadelphia Eagles die Playoffs gewinnen. Er hat in seiner Karriere schon viele Rekorde aufgestellt, trotzdem sehen ihn viele Experten als Schwachstelle, wegen schwankender Leistungen.

(Foto: Chris Szagola/dpa)

Die Philadelphia Eagles sind amtierender Super Bowl-Sieger - und trotzdem Underdog in den Playoffs. Nach einer durchwachsenen Saison schauen in den K.o.-Spielen wieder alle auf Ersatz-Quarterback Nick Foles.

Von Fabian Dilger

Titelverteidiger und Underdog, im Sport ist das ein Widerspruch. Selbst in den USA. Im dortigen Sportzirkus, mit seinen Gehaltsobergrenzen, seinen Trades und seinem speziellen Nachwuchs-System, dreht sich das Karussell deutlich schneller als in Europa. In einer Wechselperiode kann aus einem schlechtem Team eine Hauptattraktion werden, aus einer Mannschaft mit großen Ambitionen eine graue Maus. Doch das, was gerade in der amerikanischen Football-Liga NFL passiert, ist auch für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich. Denn die Philadelphia Eagles sind vor den Playoffs, die an diesem Sonntag beginnen, beides zugleich: amtierender Super Bowl-Sieger und Underdog. In der abgelaufenen Saison pflügten die Eagles durch ihr Programm und gewannen am Ende den Titel. Dieses Jahr qualifizierte sich Philly erst am letzten Spieltag mit einer ausbaufähigen Bilanz von neun zu sieben Siegen für die Playoffs - also mit der schlechtesten Siegquote aller Teams in der K.o.-Runde.

"Ich glaube, dass uns diese Underdog-Rolle in die Karten spielen wird", sagt Marc Schumacher. Der 32-jährige Kölner ist der Vorsitzende des Philadelphia Eagles Fanclubs Deutschland. Eagles-Fans sind generell extremer als andere Football-Fans. In der "Stadt der brüderlichen Liebe" sind die Anhänger noch einmal treuer, fanatischer und gleichzeitig kritischer, wenn es um ihr Team geht. An guten Tagen gibt das eine tolle Heimspiel-Atmosphäre, an schlechten Tagen wird die eigene Mannschaft rigoros ausgebuht oder die Fans bewerfen einen armen Show-Weihnachtsmann mit Schneebällen. "Wir sind kritisch, das ist richtig. Die Leute, die ins Stadion gehen, zahlen die Gehälter der Spieler", sagt Schumacher.

Hoffnung in der Schwächephase

In der Rückschau der bisherigen Saison ist Schumacher dann aber realistisch und gnädiger als seine amerikanischen Leidensgenossen. Denn es gibt zwei Faktoren, die die maue Saison erklären. Erstens: Erfolg macht sexy. Zwei wichtige Assistenz-Trainer wurden von anderen Teams abgeworben. Frank Reich, der Koordinator der Offensive, ist jetzt Chef-Trainer bei den Indianapolis Colts. Quarterback-Coach John DeFilippo wechselte zu den Minnesota Vikings und wurde dort zum Offensive Coordinator befördert, das Engagement war allerdings nur von kurzer Dauer. Doch die Abgänge wurden für die Eagles zum Problem: "Man hat diese Saison immer mal wieder gespürt, dass was nicht rund läuft im Playcalling", sagt Schumacher, der selbst lange Zeit Football bei den Cologne Crocodiles gespielt hat. Der zweite Faktor: Die vielen Verletzungen. "Wir haben dieses Jahr mit zehn verschiedenen Cornerbacks gespielt", erklärt Schumacher. "Da sind Namen dabei, die hat man selber nur ein, zwei Mal gelesen." Und auch für den wichtigsten Mann auf dem Feld lief das Jahr 2018 alles andere als gut. Top-Quarterback Carson Wentz, 26, hatte sich vergangene Saison das Kreuzband gerissen und stieg verspätet in die Spielzeit ein. "Der ist dieses Jahr nicht über 70 Prozent seines Leistungsniveaus rausgekommen", sagt Schumacher. Jetzt ist er erst einmal wieder komplett bei null, Wentz verletzte sich im Dezember am Rücken, Saisonaus.

Doch ausgerechnet das könnte sich für Philadelphia als Glücksfall herausstellen. Seit der Backup-Quarterback, Nick Foles, übernommen hat, läuft es besser. Das kann mit verletzten Spielern zusammenhängen, die zurückkehren, mit einem veränderten Offensiv-System, vielleicht findet sich das Team auch einfach besser. "Es war auf jeden Fall in den letzten anderthalb Monaten ein deutlicher Sprung zu sehen", sagt Schumacher. Mittlerweile agieren Defensive und Offensive Line wieder auf Vorjahres-Niveau. Mit drei überzeugenden Siegen in Serie zwängten die Eagles sich gerade noch durch die schließende Playoffs-Tür. "Es war ein verrücktes Jahr", sagte Foles danach. Und im Hinblick auf die Playoffs: "Ich bin wirklich aufgeregt, die ganze Kabine ist super aufgeregt."

Unkonstanter Rekordhalter

Zyniker würden sagen: Klar sind die Eagles aufgeregt, wenn Foles spielt - aber nicht im positiven Sinne. Nick Foles ist eine Geschichte für sich. Ihm geht es genauso wie dem ganzen Team, er ist Titelverteidiger und Underdog zugleich. Im letzten Jahr begann es genauso wie jetzt: Wentz verletzte sich am Saisonende, Foles sprang ein. Er führte die Eagles als Ersatz zum Titel und wurde zum wertvollsten Spieler des Finales gewählt. Der 29-Jährige hat in seiner Karriere in der NFL bereits diverse Einzel- und Team-Rekorde aufgestellt - und keine unwichtigen. Trotzdem ist er kein Starter, trotzdem sehen ihn viele Experten als Schwachstelle. "Da fehlt halt einfach die Konstanz", sagt Schumacher zu Foles. Der Spielmacher sei zwar ein super Quarterback, aber einfach zu schwankend. Eine "Wundertüte", sagt Schumacher: "Man greift rein, man weiß nicht, welchen Nick man rausgezogen hat." Die Eagles-Fans hoffen deswegen auf "the same procedure as last year". Auch 2018 wurde Foles angezweifelt, strahlte aber vor allem in den wichtigen Spielen eine brutale Ruhe und Nervenstärke aus.

Die wird Foles gegen den ersten Playoff-Gegner brauchen. Die Eagles müssen an diesem Sonntag zu den Chicago Bears, wo Foles eine ziemlich blutrünstige Defensive erwartet. Es wird ein enges Spiel, das sagen viele Experten. Die Eagles-Fans und Schumacher können aus den letztjährigen Playoffs Hoffnung schöpfen. Im Halbfinale ging es gegen eine ähnliche Top-Defense, damals wurden die Minnesota Vikings mit 38:7 weggeblasen. Deswegen: Titelverteidiger und Underdog, diese Kombination gefällt im Moment allen Eagles.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: