Segeln auf der Route du Rhum:"All meine Träume gingen mit meinem Schiff unter"

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Von Saint-Malo in die Karibik: Bei der Route du Rhum segeln die Profis über den Atlantik - alleine und ohne Hilfe, so auch der Franzose Fabrice Amedeo mit seinem Boot. (Foto: Alexis Courcoux/Imago)

Solch ein Drama fürchten alle Seeleute: Der Franzose Fabrice Amedeo erlebt auf einer Hochsee-Regatta eine spektakuläre Rettung - und muss zusehen, wie sein Boot sinkt.

Von Jonas Beckenkamp, München

Der erste Schock saß tief, das dokumentieren die Sorgenfalten in Fabrice Amedeos Gesicht. Ein Selfie zeigt den französischen Segler mitten im Atlantik, irgendwo weit draußen, unterwegs Richtung Westen, wo die Wellen mit seiner Yacht Jojo spielten - bis das Schicksal ihn vor eine gewaltige Herausforderung stellte.

Am Ende, viele Stunden nach seinem Selbstporträt im Überlebensanzug, ist der 44-Jährige gerade so einer Katastrophe entkommen, weil ihm das widerfuhr, was Seeleute wohl am meisten fürchten: Sein Boot hatte Feuer gefangen und war gesunken. Dass er trotzdem am Leben ist, hat Amedeo einer spektakulären Rettung zu verdanken.

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Seine erste Nachricht an die Welt lautete via Instagram: "Ich bin gesund und munter auf einem Frachter, der mich morgen früh auf den Azoren absetzen wird. Meine Imoca Nexans - Art et Fenêtres ist vor meinen Augen in Flammen aufgegangen. All meine Träume gingen mit meinem Schiff unter."

Hunderte Liter Wasser dringen ein, dann explodiert etwas, die Elektronik fällt aus

Der Segelprofi, der zuvor als Journalist für die Zeitung Le Figaro arbeitete und nebenbei das Abenteuer auf dem Meer liebt, war einer der 138 Mutigen, die sich auf der Transatlantik-Regatta "Route du Rhum" auf die Reise von der Küste der Bretagne Richtung Karibik begeben hatten. 3500 Kilometer bis nach Guadeloupe, alleine in einem Boot, das zwar technologisch top ausgerüstet, aber nicht unantastbar ist gegenüber den Naturgewalten. Zum Verhängnis wurde dem Politik-Berichterstatter, der zweimal die berüchtigte Vendée Globe um die ganze Welt gesegelt ist, ein geplatzter Wasserballast-Tank.

Fabrice Amedeo, hier an Bord seiner Imoca "Newrest-Art et Fenêtres" (damaliger Name), beim Start der Vendée Globe 2020 - auch damals musste er wegen technischer Probleme aufgeben. (Foto: Alexis Courcoux/Imago)

Ohne dass er es zunächst bemerkte, flutete das Wasser vor zwei Tagen den Rumpf seines Bootes . Er sei gerade auf schwerer See hart durch Wind und Wellen "geflogen", erzählte er später, als er feststellte, "dass mein Ballast auf einer Welle explodiert ist und dass ich mehrere hundert Liter Wasser im Boot habe." Er habe die Fahrt gestoppt und den Innenraum entleert, doch in diesem Moment wurden die "Batterien durch das Wasser in Mitleidenschaft gezogen." Der Strom fiel aus und damit die komplette Elektronik. Kein Autopilot, kein Computer, nur noch Notbetrieb. In Absprache mit seinem Team blieb ihm nur die vorsichtige Rückfahrt Richtung portugiesisches Festland.

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Doch er kam nicht einmal in die Nähe des von ihm anvisierten Hafens Cascais bei Lissabon. Nach wenigen Stunden, am Sonntagnachmittag, brannte es an Bord, irgendwo waren wegen des elektronischem Blackouts die Sicherungen durchgegangen, eine weitere Explosion, zischende Wasserfontänen. Amedeo klaubte seine Sachen zusammen, schnappte sich gerade noch seinen Ehering und versuchte es mit dem Feuerlöscher. Vergeblich. Darauf begab er sich in seinen knallroten Schwimmanzug und knipste das eingangs erwähnte Foto. Ihm war klar: Er muss von Bord, die Evakuierung als letzte Option. Eine Stichflamme zwang den Solosegler schließlich in höchster Not in die Rettungsinsel.

Seine Schilderung der Szenen klingt wie aus einem Katastrophenthriller. "Ein Flammenstrom schießt aus der Kabine und dem Kajütendach. Ich bin mitten in den Flammen gefangen. Ich kann nicht einmal meine Augen öffnen. Ich schaffe es, die Rettungsinsel ins Wasser zu schieben und zu springen."

Von dort schaute er zu, wie seine Yacht innerhalb einer halben Stunde untergeht. Dann das Warten auf seine Rettung, mitten im Ozean. Weitere drei Stunden später fischte ihn dann ein per Funkspruch herbeigeholter Frachter der Reederei Maersk aus der tosenden See. "Der Tod wollte mich heute nicht", fasste Amedeo das Drama zusammen, "ich bin am Boden zerstört, aber der glücklichste Mann, weil meine Frau und meine Töchter heute nicht weinend zu Bett gehen müssen." Das Rennen wird derweil fortgesetzt, mit Boris Herrmann ist auch ein Deutscher dabei - der erlebte auf der Vendée vergangenes Jahr Ähnliches, als er mit einem Fischkutter kollidierte. Die Gefahren lauern eben überall auf See.

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