Amazon-Doku über Manchester City:Klischee à la Hollywood

Lesezeit: 3 min

Perfektes Bild: Pep Guardiola und seine Spieler laufen eine Ehrenrunde mit dem Community Shield. (Foto: Action Images via Reuters)
  • Die neue Amazon-Dokuserie "All or nothing: Manchester City" zeichnet das Bild eines perfekten Fußballklubs.
  • Was als Dokumentation gelabelt wird, ist tatsächlich eher ein Marketing-Film, kritische Fragen werden nicht gestellt.
  • Auch nicht an Trainer Pep Guardiola - dabei wäre gerade das der spannende Teil seiner Geschichte.

Von Felix Haselsteiner, Manchester/München

Es ist etwas klischeehaft, eine Serie über einen Fußballverein mit einer Kabinenrede zu eröffnen, und doch ist es gerade im Fall von "All or nothing: Manchester City" keine schlechte Idee. Pep Guardiola, der Trainer und Hauptdarsteller der Dokumentation über den englischen Meister, spricht in der Halbzeitpause eines Champions-League-Spiels erst über Courage und Passion, er klopft sich dazu auf die Brust und fährt sich über seine Glatze. Dann erklärt er seinen Spielern die Taktik für die zweite Halbzeit, mehr Fokus auf die zentralen Mittelfeldspieler sei notwendig, um in die offensiven Räume zu kommen.

Die Eröffnungsszene ist aus zwei Gründen sinnvoll gewählt. Zum einen wird der Zuschauer sofort unter den ausufernden Wort-Wasserfall von Pep Guardiola gestellt, den früheren Trainer des FC Bayern, dessen Englisch klingt wie sein Katalanisch: wild und schnell. Und wenn es dann um taktische Tiefe geht, wird sein Englisch schwer verständlich.

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Wer Guardiolas Taktik verstehen möchte, muss erstmal lernen, seine Sprache zu sprechen. Daneben aber zeigt die Kabinenszene, was die Serie vorhat: Sie will die Zuschauer mitnehmen in die nicht-öffentlichen Bereiche eines Premier-League-Siegers und sie will die Mission eines Trainers aufzeigen, dem viele nicht zugetraut hätten, dass er mit seiner Art Fußball zu spielen in England erfolgreich sein könnte.

Der Erzähler ist Oscar-Gewinner Sir Ben Kingsley

Nüchtern betrachtet gelingt das. Viele Einzelinterviews und Porträts der Spieler werden begleitet von Vorstellungen der Hintermannschaft, vom Zeugwart bis zum Friseur wird jeder irgendwann einmal gezeigt und darf zu Wort kommen. Auch die City-Fans spielen ihre Rolle, sie dürfen auf Zugfahrten oder vor dem Stadion ihre Meinungen abgeben, da spielt es auch keine Rolle, ob sie berühmt sind wie Oasis-Gründer Noel Gallagher, oder eher nicht wie eine blondierte Mittfünfzigerin mit breitem Mancunian, dem lokalen Dialekt. Das alles funktioniert aus Sicht des Publikums, weil es sich willkommen fühlt im Kreis einer Spitzenmannschaft und dankbar ist für Einblicke in eine Welt, die Fußballfans ansonsten nur erahnen können.

Hier wird es allerdings interessant, weil "All or Nothing" nicht nur Einblicke in das Innenleben von Manchester City liefert, sondern auch in eine Problematik des großen Sports. Natürlich sind die Bilder vom Training gestochen scharf, natürlich erzeugen Autofahrten mit Mittelfeldspieler Raheem Sterling Nähe, jedoch ist vieles davon auch nur ein Schein. Wenn Fußballmannschaften über sich selbst berichten, tun sie dies vollkommen unkritisch: Es geht um Marketing und nicht darum, ein realistisches Bild zu zeichnen. Dass hinter Manchester City die "City Football Group" steht, die mehrere Vereine weltweit vereint und somit ein umstrittenes Konstrukt darstellt, wird erwähnt, aber nicht kommentiert. Dasselbe gilt für Scheich Mansour, den Eigentümer aus Abu Dhabi, der kurz als Teil der Vereinsgeschichte vorgestellt wird. Dass der wesentliche Anteil des märchenhaft erzählten Wegs zum Premier-League-Titel auf einen Investor zurückgeht, passt nicht in die romantische Fußballgeschichte.

So erinnert der Kommentar des Erzählers, im englischen Original Oscar-Gewinner Sir Ben Kingsley, eher an eine Naturdokumentation. Voller Faszination wird von den großen Triumphen berichtet, dramatische Momente werden mit dramatischer Musik unterlegt, zu Verletzungen werden Bilder von entsetzten Fans eingeblendet - Hollywood eben.

Und Pep Guardiola? Der Trainer, der zu City kam, um Geschichte zu machen in einem Verein ohne die ganz große Erfolgstradition, ist auch eher scheinnah. Natürlich gibt er Einblicke in sein Denken, aber eben auch genau die, die er geben möchte. Nach mehreren Folgen versteht man zwar, dass Guardiola weitaus mehr ist als nur ein genialer Taktiker, dass er für seine Mannschaft brennt wie wenige andere, dass seine Philosophie darauf beruht, dass alle ihm vertrauen und folgen.

Für diese Erkenntnis allerdings hätte man auch die Bücher des spanischen Autors Martí Perarnau über Guardiolas Zeit beim FC Bayern lesen können, geschriebener Pep ist auch einfacher zu verstehen. So bleibt die Dokumentation auch beim Trainer ein Marketing-Film: Mit den Stimmen seiner Kritiker muss sich Guardiola nicht auseinandersetzen - dabei wäre gerade das der spannende Teil seiner Geschichte.

Aber kritische Stimmen braucht es nicht im Konstrukt moderner Fußballvereine, die lieber eigene Fernsehsender gründen, als sich mit der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen. Dabei wäre eine Dokuserie mit acht (!) Folgen eine unglaublich gute Möglichkeit, um über den Tellerrand zu blicken und mehr als nur flapsige Kabinensprüche zu zeigen. Dass man Einblicke in das Innenleben einer Mannschaft mit einer kritischen Aussage verknüpfen kann, hat zum Beispiel Sönke Wortmann in "Deutschland. Ein Sommermärchen", dem Film über die deutsche Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2006, bewiesen. Bei Wortmann waren beide Welten zu sehen: Schweini und Poldi wurden als beste Freunde vermarktet, doch gleichzeitig sprach Jürgen Klinsmann kritisch über den deutschen Fußball, er hinterfragte Mentalitäten im DFB.

Im Gegensatz dazu beschränkt sich "All or Nothing: Manchester City" darauf, den Weg einer Mannschaft zu einem Meistertitel als überdramatisierte Hollywood-Geschichte zu vermarkten und liefert das Bild eines perfekten Fußballvereins. Es wäre naiv zu glauben, dass es den tatsächlich gibt.

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Von Christof Kneer und Benedikt Warmbrunn

("All or Nothing: Manchester City", Amazon Studios, 2018)

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