Süddeutsche Zeitung

Amateursport:Verhandlungen mit dem Freistaat

Der BLSV erfasst gerade die Probleme im Amateursport - für ein Hilfspaket. Vereine, die eigene Sportgelände unterhalten oder viel mit Schulen kooperieren, sind besonders in Not.

Von Christoph Leischwitz

Auch Jörg Ammon war vor dem Telefonat gerade noch beim Joggen, da ist der Präsident des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV) durchaus repräsentativ. Im Dachverband sind rund 12 000 Vereine zusammengefasst, doch das Einzige, was bei vielen gerade noch weiterläuft, das sind die Kosten. Oft hängen keine Existenzen dran, aber doch ein flächendeckendes Problem: Während privatwirtschaftlich organisierte Fußballklubs Kurzarbeit anmelden und die Bundesliga womöglich bald Geisterspiele abhält, um TV-Gelder zu kassieren, droht ein klassischer Amateurverein auf seinen Kosten sitzen zu bleiben.

Der BLSV hatte sich schon recht früh, am 18. März, dazu entschlossen, ein Portal freizuschalten, auf dem die Vereine ihre Probleme melden können. Die Resonanz war groß. "Bis zum vergangenen Wochenende haben wir über 1700 Meldungen bekommen", erklärt Ammon, 49. Dort können keine Anträge für Sofortzahlungen gemacht werden; vielmehr will der BLSV die Informationen nutzen, um die größten Probleme zu erkennen und in Verhandlungen mit der Landesregierung über ein Hilfspaket zur Sprache zu bringen. In einer ersten Schätzung bezifferte der BLSV den Schaden auf "mehr als 200 Millionen Euro für den organisierten Sport in Bayern".

Es zeichnet sich auch schon ab, wo die größten Probleme liegen. "Es gehen ganz viele Einnahmen aus dem Spiel- und Wettkampfbetrieb verloren", sagt Ammon. Die Ausgabenseite sieht indes für viele gleich aus. Von den 12 000 Vereinen besitzen ungefähr 7000 eigene Anlagen oder befinden sich in einem langfristigen Pachtvertrag. Die Kosten für die Instandhaltung sind oft der größte Posten. Eine weitere Problemgruppe: Vereine in Ballungsräumen, die "stark mit Schulen zusammenarbeiten, sodass sie verstärkt teilzeitbeschäftigte Sportlehrer brauchen - das ist oft vollständig weggebrochen".

Natürlich haben gerade jetzt, wo die Saison der Outdoor-Sportarten beginnt, viele Vereine auch Ausfälle im Bereich von Zuschauereinnahmen und der direkt angeschlossenen, oft selbst organisierten Gastronomie. Darüber hinaus fallen Jugendcamps oder Fortbildungen aus. In diesem Zusammenhang betont Ammon, dass sich die Vereine wahrscheinlich keine Sorgen machen müssen, dass eine ihrer letzten Einnahmequellen auch noch wegfällt: die BLSV-Zuschüsse für Übungsleiterpauschalen. Diese sind normalerweise an den Nachweis der erbrachten Leistung gebunden. Aber: "Da sind wir hoffnungsfroh. Bei dem, was den Vereinen an Maßnahmen zugutekommt, wollen wir zusehen, dass das hinterher nicht zurückbezahlt werden muss", sagt Ammon.

Der BLSV verhandelt aktuell mit dem Freistaat "über ein erstes Hilfspaket", für alle Vereine, "unabhängig davon, ob sie sich bei uns gemeldet haben oder nicht". Die Bereitschaft beim Innen- und Sportminister scheint hoch zu sein. Der für seine CSU-Nähe bekannte Dachsportverband des Freistaats hat auf seiner Homepage eine Videobotschaft von Joachim Herrmann gepostet, die Ammon sogar als "Liebeserklärung" an den Sport bezeichnet. Kaum vorstellbar, dass der Innen- und Sportminister den BLSV hängen lässt. Im Übrigen gehe es nicht nur um einzelne Vereine, erklärt Ammon, sondern auch um institutionelle Hilfe für Fachverbände und für die hauseigenen Strukturen. So ist zum Beispiel die Sportschule Unterhaching seit Mitte März geschlossen. Das Volumen des Hilfspakets sei noch nicht ausgehandelt. Sicher ist aber, dass es keine hundertprozentige Erstattung für Ausfälle geben kann. Das wichtigste Ziel sei, sagt Ammon, "Insolvenzen zu verhindern und die Struktur des organisierten Sports nicht zu zerstören".

Dass es mehr als nur ein Hilfspaket geben wird, hält Ammon für möglich. Schon allein deshalb, weil niemand wisse, wie lange Sportanlagen noch geschlossen bleiben. Die Vereine hätten einen sozialen Auftrag, und natürlich gebe es auch Sportarten, die man auf den ersten Blick schon recht bald wieder erlauben könnte. Tennis zum Beispiel, Golf, auch Rudern oder Kanu - alle eben, wo sich die Konkurrenten nicht körperlich nahekommen. Doch in Wahrheit kommen sie sich über kurz oder lang ja doch recht nahe: in den Umkleidekabinen, den Sanitäranlagen, im Vereinsheim.

Große Liquiditätsengpässe sieht Ammon aktuell noch nicht, die meisten Vereine haben zum Jahresbeginn oder im März die Mitgliedsbeiträge eingetrieben. Die Auszahlung des Hilfspakets sollte nach seiner Einschätzung aber noch dieses Halbjahr erfolgen.

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Quelle:
SZ vom 07.04.2020
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