Amateurfußball:Normalität, aber nur ein Stück

20 07 2019 Fussball Amateurfussball Saison 2019 2020 Regionalliga 02 Spieltag 1 FC Nürnb

Können die 2019 begonnene Saison nicht zu Ende spielen: die Regionalliga-Klubs um den FC Memmingen und den 1. FC Nürnberg II.

(Foto: Sportfoto Zink/imago)

Zur Wiederaufnahme des Mannschaftstrainings diagnostiziert mancher Kreisklassist frappierende Fitnesswerte. Höherklassige Klubs plagen andere Sorgen: Manchen laufen die Spieler aus finanziellen Gründen davon, andere haben übergroße Kader.

Von Christian Bernhard

Florian Herrmann, Staatsminister und Leiter der Staatskanzlei, hatte in dieser Woche gute Nachrichten für alle Amateurfußballer in Bayern. Er verkündete, dass ab dem 8. Juli wieder Training mit Körperkontakt erlaubt ist, sprich: ein normales Mannschaftstraining. Die SZ hat sich quer durch Bayern, von der Regionalliga bis zur Kreisklasse, umgehört, was das für Vereine und Spieler bedeutet.

Thomas Reinhardt ist zwiegespalten. Der Fußballer in ihm sagt: endlich, sofort wieder loslegen! Der Funktionär in ihm dagegen findet: hmm, schwierig. Reinhardt ist Sportlicher Leiter beim FC Memmingen und als solcher steht er vor einem Dilemma. Dass seine Regionalliga-Spieler jetzt wieder trainieren dürfen, würde ihm erst einmal zusätzliche Kosten aufhalsen, denn ab dem ersten offiziellen Mannschaftstraining müssten sie wieder bezahlt werden. Einnahmen sind allerdings weiterhin keine in Sicht. "Ohne Zuschauer keine Einnahmen", sagt er mit Blick auf die womöglich anstehenden Geisterspiele ab September. Die Memminger haben mit knapp 1000 Zuschauern pro Partie den drittbesten Schnitt der Regionalliga Bayern. Selbst falls eine Teilöffnung des Stadions unter Einhaltung der strengen Abstands- und Hygienevorschriften möglich wäre, hätte der FC ein Problem. Er könnte dann rund 170 oder bald 370 Zuschauer ins Stadion lassen - er hat aber alleine knapp 500 Dauerkarteninhaber. "Was sage ich denen?", fragt sich Reinhardt. Ihm wäre es am liebsten, wenn erst wieder vor vollen Zuschauerrängen gespielt würde. Notfalls auch erst im kommenden Frühjahr.

Erst einmal hat er aber andere Probleme zu lösen. Zehn Spieler, darunter Kapitän Lukas Rietzler und andere wichtige Akteure, haben den Verein in diesem Sommer verlassen. Teils auch, weil sie mit dem Gehaltsverzicht, den der FCM-Vorsitzende Armin Buchmann für alle Spieler verordnet hatte, nicht einverstanden waren. Aktuell sind elf Testspieler beim freiwilligen Training dabei. "Wir wollen sechs, sieben Spieler holen", sagt Reinhardt. Der offizielle Mannschaftstrainingsstart steht noch nicht fest. Gut möglich, dass das wichtige Toto-Pokal-Halbfinale gegen 1860 München das erste Pflichtspiel für den FCM ist. Es soll laut dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV) Anfang September stattfinden und bietet den Allgäuern die Chance, sich für den finanziell lukrativen DFB-Pokal zu qualifizieren. Reinhardt hat folgendes finanzielles Schreckensszenario im Kopf: die Wiederaufnahme der noch ausstehenden Saisonspiele ohne Zuschauer und die folgende, erneut monatelange Pause im Winter, in der man abermals nichts einnehmen könne. "Ich bin gespannt, wer das ohne Riesen-Sponsor überstehen kann", betont er, "ich kann es mir nicht vorstellen."

Bei Viktoria Aschaffenburg sind sie froh, dass wieder ein "vernünftiges" Mannschaftstraining stattfinden kann. Sportvorstand Benedikt Hotz spricht erleichtert von einem "großen Stück Normalität". Schon am Donnerstag absolvierte der Regionalligist ein erstes internes 11-gegen-11-Trainingsspiel, die richtige Vorbereitung startet am 20. Juli. Hotz geht davon aus, dass das Toto-Pokal-Halbfinale gegen Würzburg am 1. September ausgetragen wird. Ob mit Zuschauern und wo, sei noch offen, die Aschaffenburger sind mit den anderen drei Halbfinalisten diesbezüglich in Kontakt. Hotz hofft, dass Zuschauer im Stadion sein werden, "wenn es 1000 sein dürften, dann eben 1000". Fest steht, dass das bayerische Endspiel nicht am bundesweiten "Finaltag der Amateure", der auf 22. August gelegt wurde, stattfinden wird.

Die DJK Vilzing ist ob der neuesten Entwicklungen entspannt. "Unsere Planungen verändert das nicht wirklich", sagt der Sportliche Leiter Roland Dachauer. Der offizielle Mannschaftstrainingsstart war bereits zuvor für den 20. Juli angedacht gewesen. Ungewohnt ist nur der 26-köpfige Kader, den Dachauer auf die "etwas kuriose" Corona-Transfersituation zurückführt. Nun ist wieder Warten angesagt: auf die Freigabe von Testspielen, die noch nicht erlaubt sind, und auf die BFV-Entscheidung, wann es in der Liga weitergeht. Dachauer verweist diesbezüglich auf zwei Aspekte: Zum einen hatte der Verband erklärt, vier bis sechs Wochen vor dem 1. September eine Entscheidung treffen zu wollen. Zudem hatten die Amateurvereine betont, Spiele nur mit Zuschauern austragen zu wollen.

Knappe 50 Kilometer, mehr sind es nicht von Bruckmühl im Landkreis Rosenheim bis zur österreichischen Grenze in Kufstein. Diese überschaubare Distanz führte dazu, dass ein Spieler des Bezirksligisten SV Bruckmühl den Vereinsverantwortlichen zuletzt vorgeschlagen hatte, doch über die Grenze zu fahren, um dort normal trainieren zu können. "Stopp, alles Käse", erwiderte ihm Abteilungsleiter Michael Straßer. "Wir warten, bis es bei uns wieder möglich ist." Das ist es nun, was besonders die Kleinsten freut, denn diese konnten in Bruckmühl nicht auf den Platz, da die Abstandsregeln kaum einzuhalten gewesen wären. Die Männer-Mannschaft führt die Bezirksliga Oberbayern Ost als Aufsteiger an, der Durchmarsch in die Landesliga ist greifbar. Davor steht das Toto-Pokal-Halbfinale auf Kreisebene gegen den SV Mehring am 1. September an.

Ein langfristiges Austragen von Geisterspielen ist für den Verein "eigentlich nicht denkbar", betont Straßer. Seine Abteilung lebe auch von Zuschauereinnahmen - speziell in diesem Jahr, da durch die Corona-Krise bereits das Volksfest und ein Jugendturnier als Einnahmequellen weggebrochen sind. Straßer unterstreicht, dass der Verein Rücklagen gebildet habe und davon profitiere, dass er keine Spieler-Prämien zahle. Die Kosten für Trainerteam, Ausrüstung und Auswärtsfahrten würden aber bestehen bleiben.

Walter Wolf ist erleichtert, dass endlich wieder normal trainiert werden kann. Der Fußball-Abteilungsleiter des Kreisklassen-Vereins SV Weichs aus dem Landkreis Dachau freut sich besonders für die Jugendmannschaften: "Die wären am liebsten schon vor zwei Monaten auf den Rasen." Und die Männer gehen davon aus, dass sie am 6. September wieder Kreisklasse-Fußball spielen werden. Ob mit oder ohne Zuschauer? Das bereitet Wolf keine Sorgen, denn die Anlage sei nicht eingezäunt und zudem "außen rum relativ weitläufig". Die 50 Fans, die im Schnitt pro Heimspiel anwesend sind, könnten so problemlos auf Distanz gehen. Die Männer-Mannschaft ist noch ungeschlagen und hat als Tabellenzweiter noch Aufstiegsambitionen. Die Fitnesswerte der Spieler zum Auftakt des Mannschaftstraining waren laut Wolf "sehr unterschiedlich". Manch einer habe in der Pause "bestimmt nichts gemacht", sagt er und grinst. Das sei aber halb so wild: "So lange sie alle wieder kommen, ist es schon in Ordnung."

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