Süddeutsche Zeitung

Amateurfußball:Nach 195 Tagen Pause

Der bayerische Amateurfußball darf wieder starten - und das mit bis zu 400 Zuschauern. Nach der Entscheidung der Staatsregierung rechnet BFV-Präsident Rainer Koch mit einem kalendarischen Flickenteppich.

Von Christoph Leischwitz

Rainer Koch hat in den vergangenen Monaten wenige Möglichkeiten gehabt, gute Nachrichten zu überbringen, und so nutzte er am Dienstagnachmittag die Chance in aller Ausführlichkeit: Der Neustart ist da, nach 195 Tagen Amateurfußballpause. Die Entscheidung der Staatsregierung, ab dem 19. September den Spielbetrieb wieder zu erlauben, noch dazu mit bis zu 400 Zuschauern, sei "ein positives Signal für den gesamten Breitensport". Der Präsident des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) schrieb sich diese Nachricht aber ein wenig auch auf die eigene Fahne: Der BFV hatte in den vergangenen Tagen federführend den Neustart gefordert und als "ultima ratio" (Koch) auch mit einem Gang vors Verwaltungsgericht gedroht. Am Montag hatte der BFV bekannt gegeben, dass 80 Prozent der bayerischen Vereine seine Pläne unterstützten, zwei Drittel der an der Umfrage teilnehmenden Klubs hätten im Falle einer Absage auch juristische Schritte unterstützt. Damit hatte der Verband der Politik recht deutlich die Stimmungslage in der Bevölkerung aufgezeigt.

Jedoch gab es aus Fußballersicht darüber hinaus recht wenig Neues zu berichten. Die Spielpläne für die einzelnen Ligen würden nun ausgearbeitet, hieß es in einer Video-Pressekonferenz, sie sollen zeitnah präsentiert werden. Gut möglich, dass eine Liga am übernächsten Wochenende wieder den normalen Betrieb aufnimmt, während die Mannschaften anderer Klassen jedoch erst einmal in Pokalspielen antreten. Mit einem kalendarischen Flickenteppich sei zu rechnen, sagte Koch. Schon allein deshalb, weil sich Mannschaften nach einem bekannt gewordenen Coronafall in Quarantäne begeben müssen. Dass es dazu kommt, darf im Amateurbereich im Vergleich zu den Profis als wahrscheinlicher gelten, weil Amateurteams keine Corona-Testpflicht haben.

Noch bis zum 18. September gelten die aktuellen Bestimmungen: Testspiele und Trainings müssen bis dahin unter Ausschuss der Öffentlichkeit abgehalten werden. Inzwischen müssen die Vereine überlegen, wie sie das Hygienekonzept in ihrem jeweiligen Stadion umsetzen können. Als Faustregel gelte immer, so der Verband, dass die Zuschauer stets die Möglichkeit haben, den vorgegebenen Mindestabstand einzuhalten. Es sei aber auch gut möglich, so Koch, dass einige Vereine erst einmal auf Zuschauer verzichteten, weil es für sie zu kompliziert sei, das Konzept umzusetzen.

Diejenigen Vereine, die gar nicht erst starten wollen und den Abstieg akzeptieren, werden in Anbetracht der besonderen Umstände nur um maximal eine Spielklasse nach unten versetzt, versprach Koch. In normalen Zeiten hätte eine Weigerung, am Spielbetrieb teilzunehmen, die Versetzung in die unterste Klasse zur Folge.

Die Forderung, Zuschauer zu erlauben, war vor allem aus den gehobenen Amateurklassen gekommen. Dort ist die Freude nun dementsprechend groß. "Die Kirche ist wieder im Dorf", sagt Anton Bobenstetter, der sportliche Leiter des Regionalligisten TSV Buchbach. Die Buchbacher sind bekannt für ihre Volksnähe und einen hohen Zuschauerschnitt. "Bayern ist sehr ländlich", sagt Bobenstetter, und deshalb sei es nicht nur für die Vereine selbst, sondern auch für viele Einzelhändler wie Metzger oder Bäcker wichtig, am Spielfeldrand wieder etwas verkaufen zu können, wenn auch in verringertem Maße.

"Ich freue mich sehr, dass es weitergeht", sagt auch der sportliche Leiter des VfR Garching. Bei Ludwig Trifellner folgt jedoch ein Aber: "Wir wissen noch nicht, an welche Bedingungen das geknüpft ist." Gemäß des Hygienekonzepts würden beim VfR keine 400 Zuschauer unter das Dach der Haupttribüne passen, der Rest müsste möglicherweise im Regen stehen. Außerdem habe die Behörde vor Ort bislang für den Trainingsbetrieb keine Nutzung der Kabinen erlaubt - ob sich das nun ändere, müsse sich erst noch zeigen.

Der Verband verweist darauf, dass die Vereine exakt 400 Zuschauer in ihre Stadien lassen dürfen, dass mit der Personen-Obergrenze nicht die Gesamtzahl der im Stadion befindlichen Personen gemeint ist. Und empfiehlt einen Vorverkauf, damit es an den Spieltagen nicht zu Ärger an den Kassen kommt. In jedem Fall ist klar: Auf die Vereine kommt ein Mehraufwand an Organisation zu, um den Spielbetrieb mit Zuschauern zu ermöglichen.

Bayern hatte im Bundesvergleich einen Sonderweg beschritten: Die 4500 Vereine starten keine neue Saison, sondern spielen die Spielzeit 2019/20 zu Ende. Als Lückenfüller deluxe wurde zusätzlich ein neuer Ligapokal-Wettbewerb eingeführt. All diese Partien, betonte Präsident Koch nun noch einmal, könne man nun in Ruhe bis zum Frühjahr bestreiten, auch wenn immer wieder Mannschaften wegen Corona-Infektionen aussetzen müssten.

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Quelle:
SZ vom 09.09.2020
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