Amateurfußball:Kaugummis und Wasserlachen

Am Ende geht es um mehr als Tore : Acht kuriose Geschichten, die der bayerische Amateurfußball in diesem Jahr schrieb.

Von Anna Dreher, Thomas Gröbner und Christoph Leischwitz

Die Pfütze von Maidbronn

SC Schwarzach SV Maidbronn Pfütze

Na, na, was liegt denn da? Was auf diesem Foto oben rechts ins Bild ragt, sieht verdächtig nach einem Wasserschlauch aus. Ist diese folgenschwere Pfütze auf einem Platz in Maidbronn also künstlichen Ursprungs?

(Foto: SV Schwarzach / OH)

Beachtlich an der Geschichte ist vor allem, dass letztlich nichts durchsickerte in der ganzen Angelegenheit. Bis heute gibt es keine offizielle Stellungnahme oder gar ein Schuldeingeständnis bezüglich des Fotos, das im bayerischen Amateurfußball weit über Rimpar und Würzburg hinaus Bekanntheit erlangte. Dieses Foto zeigt einen Fünfmeterraum auf dem Spielfeld des Kreisligisten SV Maidbronn, der dann auch am Spieltag (27. Oktober) beim Verband sein Spiel gegen den SC Schwarzach absagte. Interessanterweise hatte es aber die ganze Woche nicht geregnet. Das Bild gelangte über Umwege auch an die Schwarzacher Spieler, einer von ihnen sah es sich ganz genau an - und entdeckte am Bildrand oben rechts einen Gartenschlauch, aus dem Wasser floss. Ein Schwarzacher Betreuer wohnt nur wenige Kilometer von Maidbronn entfernt und fuhr sofort dorthin, um sich, nun ja, ein komplettes Bild machen zu können. Als er ankam, wurde gerade der zweite Platz auf dem Vereinsgelände beregnet - aus Testgründen, so die Begründung. Auf Platz eins habe man zudem vergessen, die Sprinkleranlage abzustellen. Dieser Platz war definitiv unbespielbar. Auch wenn ein Maidbronner Spieler wegen einer roten Karte gesperrt war: Ist diese ganze Aktion nicht ein wenig überflüssig gewesen? Klar war aber jetzt: Damit die Sache nicht noch vor dem Sportgericht landet und aus dem Wassersturm kein Shitstorm wird, musste das Spiel ausgetragen werden. Schwarzach gewann 3:1. Auf eine telefonische Anfrage, was denn damals nun genau passiert sei, hieß es aus Maidbronn: "Ah, da wollen wir gar nicht darüber reden, danke für ihren Anruf, schönen Tag noch."

Pfosten knockt Bräutigam aus

Es war alles vorbereitet für den großen Moment. SV Losaurach II gegen Dachsbach-Birnbaum II, ein enges Match im Mittelfeld der B-Klasse 5 Nürnberg/Frankenhöhe, Anfang November. Nach dem leichten Anschwitzen dann der Antrag im Trikot und Stollenschuhen. "Angeführt von unseren Kapitän Christian König gingen unsere Jungs hintereinander auf die Angebetete zu. Der Letzte in der Reihe war natürlich unser Tom, der ihr dann die entscheidende Frage stellte", protokollierte der Verein auf seiner Facebook-Seite. Danach notierten die Vereinschronisten: "Weltklasseparaden", Schlussmann Tom Dietrich sei wohl "beflügelt von seinem gelungenen Heiratsantrag" gewesen. Nach 19 Minuten war sein Höhenflug allerdings vorbei, der Antragsteller prallte an den Pfosten und musste verletzt ausgewechselt werden, es war sein letztes Spiel seitdem. Anträge auf Fußballplätzen und auf großer Bühne sind in Mode, darauf haben sich auch die Profiklubs eingerichtet. Dortmund etwa wirbt mit "Echter Liebe" und bietet Heiratswilligen ein "Rundumsorglos-Paket" an, inklusive Überreichung der Ringe auf der Meisterschale. Im Kleingedruckten steht allerdings, die Schale gebe es nur "nach Verfügbarkeit" (also meistens eher nicht). In Losaurach klatschten gegen Dachsbach-Birnbaum nach dem Ja-Wort beim Kuss 31 Zuschauer. Klingt bescheiden. Angesichts einer Gesamtzahl von 134 Einwohnern war es aber eine ganz ordentliche Quote.

Casino-Karma

Seit der Saison 19/20 dürfen die kleinsten Klubs im Toto-Pokal ihren Gegner wählen. Weil aber der Zuschauer-Jackpot in der ersten Runde, der TSV 1860 München, schon weg war, wählte der FC Penzberg bei der Auslosung in der Spielbank Bad Wiessee dann doch lieber den Anti-Jackpot - in der Hoffnung, gegen den TSV Karlburg am ehesten eine Runde weiterzukommen. Und dann vielleicht doch noch auf die Löwen zu treffen, deren Fans den Jahresetat für einen kleinen Amateurklub mitbringen. An jenem Abend gewannen die Penzberger Spieler dann noch ordentlich Geld am Roulette-Tisch, brachten aber dem Vernehmen nach von diesem Gewinn nichts mit nach Hause. Im fernen Karlburg nahmen sie die Entscheidung indes sportlich. Dabei musste der Bayernligist an einem Werktag 360 Kilometer zurücklegen, einfach. Die Penzberger gaben unumwunden zu, dass die Entfernung ein Auswahlfaktor war: Vielleicht würde Karlburg dann ja nicht mit der ersten Mannschaft antreten? Doch im Lexikon stehen Karlburg und Karma recht nah beieinander: Penzberg verlor im Elfmeterschießen, nachdem dem TSV in der 88. Minute der Ausgleich zum 1:1 gelungen war.

Recherchierender Schiedsrichter

Irgendwann wurde es Sercan Kosgun zu bunt. Dann verließ der Kapitän des Post SV Nürnberg II den Platz und begann, den Schiedsrichter zu suchen. Der war nämlich schon zehn Minuten vor der Pause in seiner Kabine verschwunden. Weil ein Vertreter des gegnerischen Kreisklassisten, SC Germania, ihn aufgefordert hatte, mal die Regeln zu checken. Kurz zuvor hatte der Post-Spieler Markus Liedel das Anschlusstor zum 1:2 erzielt. Er war zugleich aber vom gegnerischen Torwart rüde von den Beinen geholt worden. Der Keeper hat zunächst die rote Karte gesehen, dann gab es Proteste, dann verschwand der Unparteiische. Kosgun entdeckte ihn dann mit einem Handy am Ohr, offenkundig recherchierte er in Sachen Doppelbestrafung (Gegentor plus rote Karte), die zu diesem Zeitpunkt ja schon abgeschafft war. Dabei stelle sich in diesem Fall die Frage nach Doppelbestrafung gar nicht, findet der zweite Abteilungsleiter des SV, Andreas Niklaus: Es gelte in dieser Situation vor allem, die Schwere des Fouls zu bestrafen. Mit Rot habe der Schiedsrichter das Foulspiel an sich geahndet, aber eben nicht die Wirkung des Fouls als Verhinderung einer Torchance. Doch als der Schiri zurückkehrte, nahm er die rote Karte zurück und wandelte sie in eine gelbe um. Seine spätere Begründung: Das Foul sei nicht so schlimm gewesen. Dabei trug der Gefoulte eine Gehirnerschütterung, eine Fußprellung und eine Quetschung davon und musste ausgewechselt werden. Nach dieser ungewöhnlichen Art der Doppelbestrafung für den Post SV gewannen die Gäste von Germania 4:2, obwohl zwei ihrer Spieler noch gelb-rot sahen. Der Post SV ging mittlerweile schon zum zweiten Mal in Berufung, das Verfahren läuft noch.

Doppeltes Derby

Fußball - TV Altötting - Martin Taubeneder

Mann mit Talenten: Martin Taubeneder spielt Fußball und Handball. Gerne auch beides am selben Tag.

(Foto: heimatsport.de / Zucker / OH)

Martin Taubeneder hat noch ein paar Schluck aus seiner Flasche getrunken, eineBanane gegessen und sich vergewissert, dass er die richtigen Sachen eingepackt hat. Mehr Zeit blieb ihm nicht zum Durchschnaufen, auch wenn er gerade 90 Minuten auf dem Fußballplatz geackert und mit dem TV Altötting das vielleicht wichtigste Saisonspiel 3:2 gewonnen hatte: das Derby gegen den TSV Neuötting in der Kreisklasse. Aber der 24 Jahre alte Student musste direkt wieder los, der Zufall hatte am ersten Novembersamstag eine besondere Spielplankonstellation vorgesehen: Taubeneder hatte an diesem Tag nicht nur ein Derby, sondern zwei. In zwei Sportarten! Das nächste fand gegen den SV Wacker Burghausen statt, in der Handball-Bezirksoberliga. "Das ist das erste Mal überhaupt gewesen, dass beide Derbys auf den gleichen Tag fallen", sagt Taubeneder. "Das hat Spaß gemacht, aber mir ist es schon lieber, wenn es sich verteilt. Gerade in diesen Spielen will man ja topfit und hoch konzentriert sein - so war ich ja doch etwas vorbelastet." Ausgemacht hat das nichts, Taubeneder lief schnell vom Platz zur Halle, wärmte sich gleich auf, wurde von Beginn an aufgestellt - und konnte wieder jubeln. Auch dieses Derby gewann seine Mannschaft, 20:19.

Entlarvendes Handspiel

Fußballer versuchen ja bekanntlich alles, um den Schiedsrichter in seiner Entscheidung zu beeinflussen. Manchmal führen Proteste aber auch dazu, dass sich der Gegenspieler entlarvt. Beim niederbayerischen Bezirksligisten FC Künzing nennen sie das zwar einen "Blackout", man könnte es aber auch einen seltenen Anfall von Ehrlichkeit nennen. Jedenfalls stand es 2:1 für die Künzinger, als einer ihrer Spieler im Strafraum einen Gegner des FC Salzweg zu Fall brachte. "Und er hat gedacht, das Foul war so klar, dann ist es doch eh schon wurscht", erzählt Künzings Vorstand Reinhard Bauer. Quasi ermutigt durch die Proteste nahm der Foulspieler den Ball in die Hand, nach dem Motto: Er pfeift doch sowieso. Der Schiedsrichter, der das Foul nicht gesehen und die Proteste ignoriert hatte, war nun aber gezwungen, Handelfmeter zu pfeifen. Und den verwandelte Salzwegs Severin Muthmann zum 2:2-Endstand (79.). Den Namen des Spielers wollte der Präsident nicht nennen, denn "ihm war's natürlich peinlich". Eine Minute vor dem Handelfmeter hatte ein 23-jähriger Abwehrspieler Gelb gesehen, der seit diesem Spiel verletzt fehlt. Kurioserweise wegen einer Handverletzung.

Mösles Wurfgeschoss

In der jährlichen Kuriositätensammlung ist der TSV Kornburg so etwas wie der Serienmeister. 2019 sorgt vor allem deren Trainer Klaus Mösle für weitere Erwähnungen: Beim Landesligaspiel gegen den FSV Erlangen-Bruck bewarf er einen Schiedsrichter-Assistenten mit einem Kaugummi. Spielleiter Volker Beck merkte dazu an, dass er den Kaugummi lediglich "weitergeleitet" habe, vermutlich im Affekt, jedenfalls habe das Wurfgeschoss sein Ziel verfehlt. Ihm sei auch bewusst, so Beck, dass die Strafe womöglich nutzlos sei: Auch von der Tribüne könne man bis aufs Spielfeld werfen. Mösle war bei dem Vorfall im September schon kein Unbekannter mehr beim Sportgericht. Im Juli hatte er einen Spielabbruch forciert, weil ein Spieler des SC Schwabach in einem Pokalspiel nach einem harten Foul nicht Rot, sondern Gelb gesehen hatte. Für seine Entscheidung, das Team mitten im Spiel abzuziehen, musste er 700 Euro Strafe zahlen. Im Sommer wurde der TSV dann noch zu 2000 Euro Strafe verdonnert, weil der Verein ein Testspiel gegen die Nationalmannschaft von Oman nicht angemeldet hatte. Die Geldsorgen des Klubs interessieren Mösle jetzt wahrscheinlich nur bedingt: Nach seiner letzten Sperre leitete er noch zwei Spiele, dann wurde er beim Tabellen-Drittletzten entlassen.

Dreifacher Aufstieg

So ein Aufstieg ist ja immer etwas Besonderes, ein Grund ausgelassen zu feiern. Beim TSV Ottobeuren konnten sie dieses Jahr auch feiern, und zwar so richtig, doppelt, ja, sogar dreifach! Der Allgäuer Verein sticht allein deshalb hervor, weil er drei Männer-Fußballmannschaften gemeldet hat. Und er stach dann umso mehr hervor, weil allen in einer Saison der Aufstieg gelungen ist: die erste schaffte 2018/19 den Einzug in die Bezirksliga, die zweite den in die Kreisklasse und die dritte - als Spielgemeinschaft FC Ollarzried/Ottobeuren III - nach gewonnenem Relegationsspiel den in die A-Klasse. "Wir sind eine sehr sportverrückte Gemeinde mit engagierten Leuten und guter Jugendarbeit", sagt Andreas Böhning, Vorsitzender des TSV. "Wir können keine Kinder herzaubern, aber wir hatten Glück bei den Jahrgängen 2001, 2000 und 1999. Das sind alles Freunde, die gerne und gut zusammen Fußball spielen." So einfach ist das eben manchmal.

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