Süddeutsche Zeitung

Amateurfußball:Die verunfallte Liga

Die Regelung, dass keine Geisterspiele ausgetragen werden müssen, gilt nicht mehr für die Regionalliga Bayern.

Von Christoph Leischwitz

Das Regionalliga-Spiel des VfR Garching gegen den FC Memmingen hätte eigentlich am 5. Oktober stattfinden sollen - 2019, wohlgemerkt. Am Dienstagabend hätte die Partie des 14. Spieltags der Saison 2019/21 nun endgültig stattfinden sollen, und sie ist brisant, denn beide Teams kämpfen gegen den Abstieg. Dann aber hat der VfR von seinem Recht gebraucht gemacht, die Partie aufgrund des hohen Inzidenzwerts in der Gemeinde abzusagen - zum rekordverdächtigen vierten Mal mittlerweile.

Kurios ist, dass diese Absage am Montagabend gar nicht mehr möglich gewesen wäre. Denn da beschloss der Vorstand des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV), dass die Möglichkeit für Amateurvereine, ein Spiel ohne Rücksprache mit dem Gegner absagen zu können, erst ab der Bayernliga greift - in der vierthöchsten deutschen Spielklasse allerdings nicht mehr. Der Hintergrund ist, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vergangene Woche die Zuschauer-Obergrenze für Amateurfußball auf 50 festlegte. Diese Grenze sollte ab einem Inzidenzwert von 100 für den betroffenen Landkreis gelten. Das ist für einen Kreisligisten, der nicht auf Zuschauereinnahmen angewiesen ist, kein größeres Problem. Für einen höherklassigen Klub, der seine Spieler bezahlt, hingegen schon.

Der BFV begründet die Nicht-Regelung für die Regionalliga, in der gerade besonders viele Vereine mit höheren Zuschauereinnahmen kalkulieren, mit Termindruck: "Hintergrund, die Regionalliga Bayern von der Möglichkeit der einseitigen Spielabsage auszunehmen, ist für den Vorstand zuvorderst die besondere Terminsituation, die sich vor allem aus der Schnittstelle zur 3. Liga und den damit einhergehenden Aufstiegsspielen auf nationaler Ebene ergibt", sagt der Regionalliga-Spielleiter Josef Janker. Mit anderen Worten: Bayern muss und will im kommenden Jahr einen Aufsteiger in den Profifußball melden, und dafür muss die Liga, so gut es geht, zu Ende gespielt werden. Beim Verband verweist man aber darauf, dass allerdings jederzeit ein Spiel tatsächlich abgesagt werden kann, sobald sich beide Vereine einig sind.

Für den kommenden Samstag hilft das dem FC Memmingen allerdings wenig. Da erwarten die Allgäuer den FC Schweinfurt. Die Unterfranken wiederum würden sehr gerne einmal wieder ein bisschen Pflichtspielpraxis sammeln, nachdem zuletzt zwei Partien ausgefallen sind - und sie kommende Woche endlich im DFB-Pokal gegen Schalke 04 antreten dürfen. Das in Nürnberg ansässige BFV-Schiedsgericht, das vom Verband angerufen wurde, weil sich Türkgücü München in den Pokal klagen wollte, fällte am Mittwochabend dieses Urteil. Schweinfurt jedenfalls spielte schon am vergangenen Wochenende nicht, weil die Spieler des SV Schalding-Heining auf dem Weg zum Spiel in einen Busunfall verwickelt waren. Als ob Corona nicht schon für genug Widrigkeiten sorgen würde.

In Memmingen jedenfalls würden sie das Heimspiel gerne absagen. "50 zugelassene Zuschauer - das brauchen wir schon für unsere Funktionäre", sagt Vorstand Armin Buchmann. Eigentlich habe der Verband bis zuletzt alles richtig gemacht, denn es habe sich ja gezeigt, dass eine komplett neue Spielzeit 2020/21, wie in allen anderen Bundesländern, angesichts der Pandemie kaum noch zu bewerkstelligen wäre. "Man hat aus zwei Saisons eine gemacht, um genau für diesen Fall gewappnet zu sein, der jetzt eintritt." Und jetzt werde der Spielbetrieb "nur noch künstlich aufrechterhalten, dafür fehlt mir das Verständnis". Es sei "unfassbar demotivierend, nicht einmal 48 Stunden vorausplanen zu können". Wobei man für die Entscheidung der Garchinger, die Partie abzusagen, vollstes Verständnis habe, sie hätten lediglich von ihrem Recht Gebrauch gemacht.

Doch für den FC Memmingen ist die Planungs-Unsicherheit der schlimmstmögliche Zustand. Gönner und Sponsoren müssten permanent vertröstet werden, zusätzliche Arbeit haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter auch noch. So mussten sie beim FC Memmingen zum Beispiel große Abdeckungen anbringen, damit niemand von der Straße aus beim Spiel zusehen kann - sonst würden draußen auf dem Bürgersteig möglicherweise Abstände nicht eingehalten.

Am vergangenen Wochenende hat die Regionalliga Bayern mal wieder einen fast kompletten Spieltag absolviert. Aber wenn es nach Buchmann geht, sollte es vorerst der letzte bleiben. Er findet, ein klarer Schnitt sollte her - also eine Unterbrechung des Spielbetriebs bis zum Frühjahr, wenn vermutlich die Infektionszahlen wieder sinken werden.

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Quelle:
SZ vom 28.10.2020
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