Süddeutsche Zeitung

Amateurfußball:Der Antrieb des Aliens

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Mit seiner Forderung, dass die Amateurvereine mehr an den TV-Geldern beteiligt werden müssten, hat Engelbert Kupka eine Diskussion entfacht - doch das reicht ihm nicht.

Von Stefan Galler

Als Uli Hoeneß hörte, mit welcher Vehemenz sich Engelbert Kupka für die Belange des Amateurfußballs stark macht, hat er gestutzt. "Was will er denn werden?", fragte der ehemalige und wohl auch künftige Präsident des FC Bayern seinen Unterhachinger Amtskollegen Manfred Schwabl. Wolle der 77-jährige CSU-Politiker und Rechtsanwalt noch einmal ein Amt als Fußballfunktionär anstreben? Er, der als Schwabls Vorgänger die SpVgg Unterhaching in seiner 39-jährigen Amtszeit von der B-Klasse bis in die Bundesliga geführt hatte? Schwabl antwortete bestimmt: "Mit Sicherheit nichts." Hoeneß soll beeindruckt gewesen sein, erzählt Kupka.

"Wir dürfen doch nicht die Institutionen ruinieren, die zur Integration fremder Menschen beitragen können."

Ein paar Tage ist es nun her, dass sich Kupka bundesweit in die Schlagzeilen gedrängt hat. Er kritisierte, dass die TV-Gelder zu Unlasten der Amateurvereine verteilt würden. Und der Zorn ist geblieben. Was also treibt ihn an, wenn es nicht um eine Rückkehr ins Rampenlicht geht?

"Ich will gar nichts werden, aber ich würde mir selbst einen Vorwurf machen, wenn ich jetzt schweigen würde", sagt Kupka. "Wir dürfen nicht Strukturen kaputt machen, die wir noch dringend benötigen." Bei der von ihm geforderten gerechteren Verteilung der Gelder geht es ihm nur vordergründig um die fast 26 000 deutschen Amateurklubs. "Profis und Amateure sind wie ein Baum, die Amateure sind der Stamm und die Wurzeln, die Profis die Blätter und Früchte. Wenn die Wurzeln austrocknen, fallen die Blätter, und die Früchte wachsen nicht mehr." Diese Entwicklung hätte Auswirkungen auf das Zusammenleben: "Die Vereine sind das Rückgrat der Gesellschaft. Wenn die Schulen mittags, am Wochenende und in den Ferien zumachen, sind die Fußballklubs immer noch offen und bieten Jugendlichen eine Heimat", sagt Kupka, und er fügt hinzu: "Das Problem mit Flucht und Vertreibung beginnt doch erst. Überall auf der Welt sind Kriege, da wird in Zukunft keine totale Abschottung möglich sein. Wir dürfen doch nicht die Institutionen ruinieren, die zur Integration fremder Menschen beitragen können."

Deshalb fordert der Jurist, dass mehr Geld in den Unterbau fließen müsse, dass also der Deutsche Fußball-Bund (DFB) aus den Fernsehgeld-Töpfen der Deutschen Fußball Liga (DFL) künftig einen erheblich größeren Betrag zur Verfügung gestellt bekommt als bisher. Seit 2001 regelt ein Grundlagenvertrag den Geldfluss aus der Vermarktung der beiden Verbände, seitdem zahlt die Liga drei Prozent ihrer jährlichen TV-Erlöse an den DFB. Dieses Modell wird als "Pachtzins" bezeichnet: die Entschädigung für die Abtretung der Vermarktungsrechte der beiden obersten Profiligen im Jahr 2000 vom DFB an die damals neu gegründete DFL.

"Dieser Vertrag wurde nie an die neuen Fernsehverträge angepasst", moniert Kupka. Die DFL erwirtschafte allein aus der Inlandsvermarktung 1,16 Milliarden Euro, inklusive der internationalen Fernsehrechte dürften die Einnahmen bei 1,5 Milliarden liegen. "Davon fließen etwa 45 Millionen Euro an den DFB und seine 26 000 Vereine. Und die 36 Profiklubs, die Herren von der Schlossallee, teilen sich 1,4 Milliarden", sagt Kupka. "Überhaupt: Wer in der Privatwirtschaft Rechte für 45 Millionen verpachtet, die 1,5 Milliarden wert sind, würde sich der Untreue verdächtig machen. Wenn ich eine Wohnung vermiete und der Pächter kann durch Weitervermietung das Hundertfache erwirtschaften, vermiete ich niemals zu einem so geringen Preis."

Deshalb fordert Kupka, dass sich die Amateurvereine auf dem DFB-Bundestag am 4. November in Erfurt gegen die Erneuerung des Grundlagenvertrags zu den alten Konditionen stemmen. Auf diese Vereinbarung haben sich zwar DFB-Präsident Reinhard Grindel und Ligachef Reinhard Rauball geeinigt, unterschrieben ist jedoch nichts. "So ein weitreichendes Abkommen kann ich doch nicht im stillen Kämmerchen beschließen und die Delegierten nicht aufklären", schimpft Kupka. Eine Abstimmung im Plenum würde wohl ein anderes Ergebnis bringen, nur 74 der 260 Delegierten auf dem Bundestag gehören der Liga an, fast 200 kommen aus den Landesverbänden.

Kupka stört zudem, dass der DFB "jährlich eine variable prozentuale Beteiligung zwischen 15 und 30 Prozent an seinen Einnahmen aus der Vermarktung der A-Nationalmannschaft", etwa aus Fernsehrechten, Sponsoren, Eintrittsgeldern, an den Ligaverband abgeben müsse. Während der Anteil des DFB an den TV-Geldern stabil bei drei Prozent liegt, richtet sich diese Vergütung laut Grundlagenvertrag "nach der wirtschaftlichen Entwicklung der Einnahmen". Erlöst der DFB mehr Geld mit der Nationalelf, steht der Liga auch mehr zu.

Alle anderen Abgaben der DFL an den Verband sind eher kleine Posten, etwa jene 2,5 Millionen Euro, die laut dem neuen Grundlagenvertrag in "Amateurprojekte" fließen und den bisherigen "Solidaritätszuschlag" an die Regional- und Landesverbände in Höhe von einer Million ersetzen sollen. Laut Sport Bild ist Rainer Koch, Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes und DFB-Vize, nicht angetan von dieser Regelung: "Die 2,5 Millionen lösen angesichts der 1,16 Milliarden Euro keine La Ola an der Basis aus." Es müsse darum gehen, "die Liga zu überzeugen, dass sie von sich aus und freiwillig deutlich mehr Geld für die Talentförderung an der Fußball-Basis ausgibt". Dem widerspricht Kupka: "Der DFB hat doch einen Anspruch gegenüber der DFL, den muss er geltend machen. Es geht doch hier nicht um irgendwelche Almosen." Koch war in den vergangenen Tagen bei einem WM-Qualifikationsspiel im Kosovo und war deshalb für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Mehr Geld für die Amateure forderte er erstmals 1989

Kupka hat auf seine offenen Briefe zu dem Thema, die er in den vergangenen Wochen an DFB-Präsident Grindel, Koch sowie an die Präsidenten der Landesverbände geschickt hat, bislang keine Antwort erhalten. Dennoch sieht er mit Genugtuung, dass er eine Diskussion ins Rollen gebracht hat, die womöglich die Amateurvereine in eine bessere Situation bringen könnte. Dass man ihn dafür von Ligaseite anfeindet, stört ihn nicht. "Ich kämpfe schon lange für eine gerechtere Verteilung. Als wir mit Haching 1989 zum ersten Mal in die zweite Liga aufgestiegen sind, habe ich erstmals mehr Geld für die Amateure gefordert", erzählt er. "Die anderen Profivertreter haben mich angeschaut wie ein Alien."

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SZ vom 08.10.2016
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