Alphonso Davies:Endgültig eine Attraktion des Weltfußballs

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Nachdem er halb Barcelona ausgedribbelt hat, sieht Alphonso Davies auch noch den besser postierten Joshua Kimmich in der Mitte. (Foto: Peter Schatz / Pool)

Alphonso Davies' Karriere geht steil nach oben. Seine Vorlage zum 5:2 des FC Bayern gegen Barca war der Höhepunkt in einem Spiel voller Höhepunkte. Im Klub schätzen sie vor allem seine Demut und seine Disziplin.

Von Benedikt Warmbrunn

Ein Sprint. Ein abruptes Anhalten. Zwei Schlenker mit dem linken Fuß durch die Luft. Noch ein Sprint, in einem großen Bogen, vorbei an zwei Verteidigern. Ein letztes Verzögern, ein Blick nach oben, ein Pass in die Mitte, durch die gesamte Abwehr hindurch. Es gibt Bewegungsabläufe im Fußball, die so wenige Spieler beherrschen, dass sie diesen so selbstverständlich zugeschrieben werden, als ob die Spieler die Urheber- und auch noch die Vermarktungsrechte an ihren Moves halten würden. Ein Dribbling wie jenes am Freitagabend in der 63. Minute in einer Partie mit dem FC Barcelona, das weiß jeder Fußballfan der Welt, das muss von Lionel Messi kommen, dem sechsmaligen Weltfußballer, der mit dem Ball am Fuß auch die Schwerkraft auszutricksen vermag. Doch diese Torvorlage kam nicht von Messi. Sondern von Alphonso Davies, dem Linksverteidiger des FC Bayern.

Der 19 Jahre alte Davies ist der Senkrechtstarter des europäischen Fußballs. Er ist schnell, er ist gewitzt, und weil er beides miteinander kombinieren kann, stellt er mit dem Ball manchmal Dinge an, die selbst dem großen Messi Respekt abverlangen müssten - wenn dieser mit seiner Mannschaft nicht gerade vorgeführt wird wie am Freitag vom FC Bayern, der beim Champions-League-Finalturnier in Lissabon sein Viertelfinale gegen Barcelona 8:2 gewann. Und der erste Spieler, den Davies bei seiner Vorlage zum zwischenzeitlichen 5:2 umkurvte, war Lionel Messi.

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Der Sieg der Bayern war ein Spiel für die Geschichtsbücher, nie zuvor hat in der Champions League eine Mannschaft in der K.-o.-Runde so viele Tore in einer Partie erzielt. Vor ihrem Halbfinale am Mittwoch gegen Lyon gelten die Bayern nun als klarer Favorit auf den Titel. Das hat viel damit zu tun, dass Routiniers wie Thomas Müller und Jérôme Boateng wieder auf der Höhe ihres Spiels angekommen sind, und damit, dass junge Spieler wie Leon Goretzka und Joshua Kimmich ihren Ehrgeiz mit viel Wuchtigkeit auf dem Rasen ausleben. Und es hat mit Davies zu tun, diesem unbekümmerten Kanadier.

Davies kam im Januar 2019 als 18-Jähriger aus Vancouver zum FC Bayern, angeblich für knapp 18 Millionen Euro. Nicht einmal zwei Jahre später ist er aus dem Team nicht mehr wegzudenken, Roadrunner nennen ihn Müller und andere. Denn für Davies ging es schon bald in seinem eigenen Tempo nach oben - also sehr, sehr schnell. Im Herbst, in den letzten Tagen des damaligen Trainers Niko Kovac, rückte er als Linksverteidiger in die Münchner Startelf, er blieb dort auch unter Kovacs Nachfolger Hansi Flick. Seine Sprints können ein Stadion in kollektives Staunen versetzen (jedenfalls in Zeiten, in denen Stadien voll besetzt sind); einmal rannte er mit einer Spitzengeschwindigkeit von 36,51 km/h, ein schnellerer Sprint wurde in der Bundesliga noch nicht gemessen.

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Doch Davies fällt nicht nur mit seiner Geschwindigkeit auf. Er bringt auch etwas mit, was vielen Fußballern oft abgesprochen wird: Er ist eine Persönlichkeit.

2005 durfte Davies' Familie nach Kanada reisen

Davies kam im November 2000 im ghanaischen Flüchtlingslager Buduburam auf die Welt, seine Eltern waren vor dem Bürgerkrieg in Liberia geflohen. Fünf Jahre lang lebte Davies dort, er selbst sagt, er könne sich an diese Zeit kaum erinnern. Seine Mutter Victoria hat aber einmal erzählt, wie schwer diese Jahre waren, mit wenig Essen, mit Hungertoten auf der Straße; Davies' ältere Schwester verschwand in Buduburam, er lernte sie erst nach Jahren kennen. 2005 durfte die Familie nach Kanada ausreisen, in Edmonton fing Davies mit dem Fußballspielen an. Als 14-Jähriger wechselte er nach Vancouver, doch seine Mutter ließ ihn nur gehen, weil er versprochen hatte, ein good boy zu bleiben. Davies kann zwar auch ein Entertainer sein, ein Sprücheklopfer aber ist er nicht; beim FC Bayern beschreiben sie ihn als demütig und diszipliniert.

Davies mag spätestens gegen Barcelona eine Attraktion im Weltfußball geworden sein. Aber er ist immer noch ein guter Junge.

© SZ vom 17.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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