Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Der Stolz des Sportdirektors

Alphonso Davies hat sich in der ihm eigenen Höchstgeschwindigkeit einen Stammplatz beim FC Bayern erspielt - und nun bis 2025 verlängert. Er ist der erfolgreichste Transfer von Hasan Salihamidzic.

Von Benedikt Warmbrunn

Vor dem ersten Vertrag, den der FC Bayern mit Alphonso Davies abschloss, musste sich Hasan Salihamidzic zum Schluss lange in die Augen blicken lassen. Die Details waren ausgehandelt, doch weil Davies damals, im Sommer 2018, minderjährig war, mussten seine Eltern unterschreiben. Also flog eine Delegation des FC Bayern nach Edmonton, am Flughafen trafen sie Davies, seinen Berater, seine Eltern. Nachdem die Bayern ihre Pläne erklärt hatten, als nur die Unterschrift der Eltern fehlte, so berichten das mehrere Teilnehmer, schaute Victoria Davies zu Salihamidzic, dem Sportdirektor der Münchner. Und sie fragte ihn, ob der Klub darauf achten werde, dass ihr Sohn auch ja ein good boy bleibe. Salihamidzic bejahte. Eine Unterschrift später war Alphonso Davies ein Spieler des FC Bayern.

Der inzwischen 19 Jahre alte Davies, da sind sich alle beim FC Bayern einig, ist ein good boy geblieben, als Linksverteidiger ist er die Entdeckung der Saison, er rennt und rennt und rennt, immer in Höchstgeschwindigkeit, nie scheint er langsamer zu werden. Ende Februar, beim FC Chelsea, bereitete er ein Tor mit einem Solo über das halbe Spielfeld vor, anschließend staunte ganz Europa. Der Mann, der mit Geschwindigkeit beeindruckt, hat in der vergangenen Woche ein weiteres Kunststück geschafft. Unter anderem Dank einer Unterschrift unter einen weiteren Vertrag von Davies verschwanden bei den Bayern die Turbulenzen, die es zu Wochenbeginn gegeben hatte, ganz schnell wieder.

Neuer dominierte die Schlagzeilen, aber nur bis zum Montagnachmittag

Am vergangenen Wochenende war die Aufregung groß bei den Münchnern, als Kapitän Manuel Neuer in der Bild über Geheimnisverrat bei seinen gerade laufenden Vertragsgesprächen geklagt hatte. Seine Unzufriedenheit hatte sich wohl gegen Salihamidzic gerichtet, da dieser mit dem Vorstandsmitglied Oliver Kahn für den Verein die Verhandlungen geführt hatte.

Neuer dominierte die Schlagzeilen, aber erst mal nur bis Montagnachmittag. Dann verkündete der FC Bayern, dass Davies um zwei Jahre verlängert habe, bis 2025. Beigefügt war der Nachricht auch ein Foto: Davies, Salihamidzic, Kahn und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sitzen an einem Tisch, vor ihnen liegt ein Trikot von Davies mit der fetten Zahl "2025" - und alle vier tragen vorbildlich Gesichtsmasken. Bei Salihamidzic meint man dennoch, ein Grinsen erkennen zu können.

"Alphonso ist aus dieser Mannschaft nicht mehr wegzudenken", sagt der Sportdirektor am Freitag am Telefon, "sein Talent hat er eindrucksvoll bewiesen, er ist von 0 auf 100 durchgestartet, mit seiner Geschwindigkeit, seiner Spielfreude, seinem Drang nach vorne." Salihamidzic trägt diese Sätze nicht ohne eine ordentliche Portion Stolz vor. Davies ist sein Spieler, er hat ihn geholt, auch gegen internationale Konkurrenz. Gerade in einer Woche, in der der Kapitän Neuer sein Misstrauen gegenüber der Vereinsführung ("Mitarbeiter in Führungspositionen") ausgesprochen hat, tut es Salihamidzic gut, über den Spieler zu sprechen, der als erfolgreichster Transfer seiner drei Jahre als Sportdirektor gelten darf. "Dass er sich so schnell auf diesem Niveau einfindet, das haben wir gehofft, aber in der Kürze der Zeit so nicht erwartet - und seine Leistung in dieser Saison ist wirklich eindrucksvoll, das ist nicht alltäglich", sagt Salihamidzic.

Entdeckt hatte Davies der FC-Bayern-Chefscout Marco Neppe, aufgespürt zunächst über internationale Datenbanken, dann hatte er ihn zunächst alleine beobachtet. Nachdem Neppe Salihamidzic von dem Spieler überzeugt hatte, war beiden bald klar, dass dieser Teenager eine ungewöhnlich hohe Investition Wert sei; inklusive Bonuszahlungen soll Davies bis zu 18,8 Millionen Euro teuer gewesen sein.

Neppe, Salihamidzic und Justiziar Michael Gerlinger flogen zu weiteren Gesprächen nach Kanada, wo Davies für die Vancouver Whitecaps gespielt hatte. Davies' Berater Nedal Huoseh erzählt, dass es viele andere Angebote gegeben habe, das zweitbeste vom VfB Stuttgart. Beide, Stuttgart und die Bayern, hätten nicht das meiste Geld geboten, sondern etwas, was Huoseh wichtiger war: einen Plan.

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Salihamidzic brachte eine Powerpoint-Präsentation mit, in der die Bayern einen klaren Weg für Davies skizzierten. Sie zeigten, dass sie mit ihm als Flügelstürmer planten, vielleicht aber auch als Linksverteidiger (was er selten gespielt hatte, meist in der Nationalelf). Sie zeigten, dass sie einen kleinen Kader haben, dass Davies gute Chancen auf Einsätze habe. "Hasan hat mir gesagt, dass er glaubt, dass Alphonso auf seinen Positionen einer der Besten der Welt werden kann", sagt Huoseh, "niemand hatte so eine klare Vorstellung davon, was sie mit Alphonso erreichen wollen wie die Bayern." Huoseh sagt: "Hasan ist derjenige, der mehr Potenzial in Alphonso gesehen hat als alle anderen, er ist derjenige, der ihn nach Deutschland gebracht hat."

Bereits Anfang März war der neue, um zwei Jahre verlängerte Vertrag ausgehandelt; eigentlich sollte er Mitte März verkündet werden, in der Woche, in der die Bayern Chelsea zum Rückspiel in München erwartet hätten. Es wäre für Davies eine besondere Woche geworden, erstmals hätte ihn sein Vater in München besucht. Dann kam die Corona-Krise, ein paar andere Sachen waren wichtiger. Huoseh sagt, er selbst habe dann in der vorvergangenen Woche darauf gedrängt, die Verlängerung zu verkünden - einen Zusammenhang mit dem Neuer-Interview weist er zurück. Und so schickten die Bayern dann das Bild mit den vier Maskenträgern in die Fußballwelt hinaus, ein Bild, das ein Dokument der Zeitgeschichte ist - und genau zur richtigen Zeit kam.

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Quelle:
SZ vom 25.04.2020/sonn
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