Süddeutsche Zeitung

Fernando Alonso in der Formel 1:Der Rentner kehrt zurück

Die Formel 1 ist begeistert, dass der charismatische und exzentrische Fernando Alonso sein Comeback bei Renault gibt. Für Sebastian Vettel ist das aber keine schöne Nachricht.

Von Anna Dreher

Fernando Alonso hatte sich entschieden. Die Saison 2018 würde seine letzte in der Formel 1 sein. Was zuvor schon als Gerücht durch das Fahrerlager waberte, bestätigte Alonso im August 2018. Auf Twitter schrieb der Spanier der Rennserie wie seiner großen Liebe: "Wir hatten sehr gute Zeiten, einige unvergessliche - und einige sehr schlechte. Ich habe gesehen, wie du dich verändert hast, manchmal zum Guten, und manchmal meiner Meinung nach zum Schlechten." Er suchte nach Herausforderungen, die ihm die Königsklasse des Motorsports nach 17 Jahren nicht mehr bieten konnte, zumindest nicht ohne wettbewerbsfähiges Auto. Also ging er. Und beschloss zur Sicherheit lieber gleich, dass dieser Abschied ja kein endgültiger sein müsse. "Ich weiß noch nicht, was ich 2020 machen werde. Das Leben ist lang und schön. Die Formel 1 werde ich immer lieben", sagte Alonso. "Also kann ich nicht ausschließen, dass ich als Fahrer, Vater, Weltverbandschef, oder was auch immer, wieder hier sein werde."

Nun ist das Jahr 2020. Und Fernando Alonso wird tatsächlich zurückkehren.

Zwar nicht in dieser Saison, die wegen Corona vergangene Woche in Spielberg verspätet gestartet ist und dort dieses Wochenende auch fortgesetzt wird. Aber 2021. Das gab der französische Rennstall Renault am Mittwoch bekannt, für den der 38-Jährige künftig wieder fährt. 2005 und 2006 war Alonso mit dem Werksteam Weltmeister geworden und hatte damit die Titelserie von Michael Schumacher im Ferrari beendet. Die Entscheidung zu Alonsos Comeback sei, schreibt Renault, "mutig" und "sinnvoll für die Zukunft".

Die künftige Budget-Obergrenze könnte Renault helfen

Mit Alonso will Renault an alte Erfolge anknüpfen, die vor allem mit ihm verbunden sind. Seit der Rückkehr als Werksteam 2016 versucht Renault, neben Mercedes, Ferrari und Red Bull zum Spitzenrennstall zu werden. Das misslang bislang: 2019 wurde man in der Konstrukteurswertung hinter McLaren sogar nur Fünfter. Die künftige Budget-Obergrenze aber könnte helfen.

"Seine Erfahrung und Entschlossenheit wird es uns ermöglichen, aus jedem von uns das Beste rauszuholen", sagte Teamchef Cyril Abiteboul. Alonso wird Nachfolger des Australiers Daniel Ricciardo, der nach zwei Jahren zu McLaren wechselt, dorthin also, wo Alonso seine Karriere 2018 zwischenzeitig beendet hatte. An den 23 Jahre alte Franzose Esteban Ocon, der seit dieser Saison für Renault fährt, soll Alonso seine Erfahrung aus 32 Siegen in 311 Grand Prix weitergeben - und überhaupt sollen alle profitieren. "Er wird auch eine Kultur des Rennfahrens und Gewinnens einbringen, um zusammen Hürden zu meistern", sagte Abiteboul. In der Mitteilung hieß es zudem, Alonso werde dem Einsatz von Renault auf dem höchsten Motorsportlevel "Bedeutung verleihen".

Darum geht es nicht nur für Renault. Für die Formel 1 ist die Rückkehr fast eine Sensation. Er ist einer ihrer charismatischen Fahrer - und die sind dringend gesucht. Inmitten des Generationswechsels tun sich unter den jüngeren Gesichtern neben Red-Bull-Pilot Max Verstappen und Ferraris Hoffnung Charles Leclerc bislang nicht wirklich Typen auf. Da kommt einer wie Alonso recht. Er könnte, die Hoffnung dürfte mancher hegen, den Sport insgesamt beleben. Mercedes dominierte den Auftakt trotz angeblich großer Technikprobleme so deutlich, dass ein Leistungseinbruch kaum vorstellbar ist. Auch Ferrari kann keine Paroli bieten. An diesen Machtverhältnissen dürfte sich so schnell nichts ändern. Und einst war dies ja auch der Grund für Alonsos Abschied: Langeweile.

Er gehe, sagte Alonso damals, weil diese Formel 1 nichts mehr mit jener zu tun habe, von der er als Kind geträumt hatte. 2018 waren die bestimmenden Teams: Mercedes und Ferrari. Und er: fuhr nach Stationen bei Minardi (2001), Renault (2003 bis 2006), McLaren (2007), Renault (2008 bis 2009), Ferrari (2010 bis 2014) seit seiner Rückkehr zu McLaren 2015 nur im hinteren Teil des Feldes. Das bisher letzte Mal hatte er am 12. Mai 2013 in Barcelona gewonnen. Schwierig zu akzeptieren für einen so stolzen Rennfahrer. Schon damals legte er Ausflüge in andere Rennserien ein und widmete sich auf der Suche nach Ruhm einem anderen Ziel: der "Triple Crown", also Siegen bei den drei bedeutendsten Rennen der Welt. Als Formel-1-Weltmeister und Gewinner des Großen Preis von Monaco triumphierte Alonso 2018 gleich im ersten Versuch auch beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Nur der Sieg in Indianapolis beim Indy 500 fehlt ihm. Ende August will er es wieder versuchen.

Auf Alonsos Wunschliste dürfte auch ein dritter Weltmeistertitel zu finden sein. "Renault ist meine Familie und steht für meine liebsten Erinnerungen in der Formel 1", sagte Alonso nun. "Der Rennstall kann und will zurück aufs Podium, das Gleiche will ich." Dass Renault selbst von einer mutigen Entscheidung sprach, liegt nicht allein daran, einen Formel-1-Rentner zurückzuholen. Alonso gilt als Egozentriker und war in Skandale verwickelt wie jenen von 2007. McLaren wurde vorgeworfen, Daten von Ferrari für den Entwurf des eigenen Boliden verwendet zu haben. Alonso trat - nicht zuletzt zur Durchsetzung eigener Interessen - als Zeuge gegen sein Team auf, der Automobilweltverband Fia erteilte diesem eine Strafe von 100 Millionen Dollar wegen Spionage. Im nächsten Jahr fuhr Alonso für Renault.

Dass er nun dorthin zurückkehrt, ist im übrigen vor allem für einen eine schlechte Nachricht: Dem viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel gehen nach dem Bruch mit Ferrari allmählich die Optionen aus, seine Karriere fortzusetzen. Und anders als Alonso damals, sagte Vettel kürzlich: "Wenn man die Entscheidung trifft, die Tür zuzumachen, muss man selbst so weit sein, sie zuzulassen."

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Quelle:
SZ vom 09.07.2020/sonn
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