Alonso gegen Vettel in der Formel 1:Zwei, die sich zu sehr ähneln

Lesezeit: 3 min

Feinde? Nein, aber Freunde sind Sebastian Vettel und Fernando Alonso auch nicht. In der Endphase der Formel-1-Saison trennen sie nur vier Punkte. Der Spanier gibt sich selbstbewusst, aber Vettel hat zwei Vorteile: die Technik und den Druck.

Elmar Brümmer

Zehn Zylinder in der Formel 1
:Ein Auto, von dem du nachts träumst

Die japanischen Fans erklären sich solidarisch mit Michael Schumacher, Sebastian Vettel träumt von seinem Dienstwagen und Niki Lauda muss gleich drei Rollen spielen. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes in der Kolumne Zehn Zylinder.

Elmar Brümmer, Suzuka

Gut zwanzig Minuten lang sitzen Fernando Alonso und Sebastian Vettel nebeneinander in der ersten Reihe bei der Talkrunde zum Großen Preis von Südkorea. Sie könnten sich wohlwollend auf die Schulter klopfen, freundschaftlich in die Seite knuffen, scharf in die Augen gucken.

Aber obwohl gerade nur eine Handbreit Abstand besteht zwischen dem roten und dem blauen Teamhemd, ist die Distanz zwischen den beiden gewaltig. Nur vier Pünktchen trennen den Asturier von dem Hessen noch vor dem letzten Viertel dieser Formel-1-WM. Anspannung? Sturheit? Ignoranz? Es ist die blanke Konzentration. Stärker kann sich eine Rivalität kaum ausdrücken. Die beiden sind nicht verfeindet, aber sie mögen sich auch nicht richtig, denn sie ähneln sich in zu vielem.

Vielleicht hätten die beiden twittern sollen, Alonsos neu entdeckte und ergiebigste Informationsquelle. Nach Suzuka, seinem zweiten Ausfall in vier Rennen, verbreitete er: "Wenn der Feind denkt, in den Bergen, greife über das Meer an. Wenn er denkt über das Meer, greife über die Berge an." Aber Vettel ist nicht Lewis Hamilton. Der Titelverteidiger antwortet nicht. Aus Prinzip - weil er gar keinen Twitter-Zugang hat: ". . . und das hat seinen Grund." Grübeln oder philosophieren, das sei nicht sein Stil. Zumindest nicht öffentlich. Vettels Botschaft ist scheinbar simpel: "Zu groß und zu weit zu denken, das würde jetzt nach hinten losgehen."

Die Hoheit der Kommunikation zu haben, das ist für den 25-Jährigen nicht wichtig. Er sagt die Dinge so, wie er sie denkt, und manchmal denkt er sich seine Sache nur, und dann sagt er auch mal nichts. Sein Image lenken, das hat er bisher nicht gebraucht in seiner steilen Karriere, höchstens vor zwei Jahren im Duell mit seinem Red-Bull-Teamgefährten Mark Webber. Jenes Duell entschied er auf der Strecke für sich, womit er auf der Zielgeraden auch noch Alonso den Titel abluchste. In dieser Saison will er es ähnlich halten.

Vettel konnte schon immer auf die zweite Luft setzen. Nach dem Rennen Ende Juli auf dem Hockenheimring betrug Vettels Rückstand auf Alonso 44 Punkte. Nach Alonsos Ausfall am vergangenen Sonntag in Japan kann Vettel an diesem Sonntag zum ersten Mal seit dem 27. Mai wieder alleine die Tabellenführung übernehmen. Die Chronologie dieser Saison, die schon so viele Vor- und Nachteile gesehen hat, die sich dann rapide umgedreht haben, lehrt ihn, Schritt für Schritt zu denken.

"Die Charakteristik der Strecken in der Formel 1 verändert sich nicht, aber die der Meisterschaft in diesem Jahr ist doch sehr anders als sonst. Deshalb ist es noch wichtiger, diszipliniert zu bleiben", mahnt Sebastian Vettel. Weil sich die Kräfteverhältnisse in diesem Jahr schon oft gewandelt haben und häufig auch Zufälle eine Rolle spielten, ist es besonders wichtig, den technischen Vorteil, den Red Bull sich mit einer Aerodynamik-Offensive erarbeitet hat, zu konservieren. Auch wenn Technikchef Adrian Newey warnt: "Es gibt keine Garantien für die technische Zukunft."

Nur noch vier Punkte: Sebastian Vettel rückt Fernando Alonso immer näher. (Foto: AP)

Fernando Alonso, der mit 31 im Gegensatz zu Vettel nur noch in diesem Jahr die Chance hat, zum jüngsten Dreimal-Weltmeister der Formel-1-Geschichte aufzusteigen, wünscht sich ebenfalls einen technisch bedingten Aufschwung. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo beorderte Teamchef Stefano Domenicali und Technik-Oberaufseher Pat Fry zwischen dem Rennen in Japan und dem in Südkorea nach Italien, um Motivation und Druck zu erhöhen.

"Die öffentliche Wahrnehmung ist doch immer eine andere, sobald der Name Ferrari im Spiel ist", sagt Alonso, "wenn wir einen neuen Flügel testen, ihn dann aber nicht einsetzen, wird das gleich zu einer Schlagzeile. Solche Dinge passieren aber regelmäßig - bei allen Teams." Zuletzt glückten den Italienern aber tatsächlich keine großen Fortschritte. Und: Ihr Tief trifft auf ein Hoch von Red Bull. "Wir müssen zurück auf Kurs", fordert Alonso, "wir haben noch alles in der Hand." Und trotzig fügt er hinzu: "Immerhin bin ich es, der in der Weltmeisterschaft führt."

Das Entwicklungstempo ist hoch, nicht jede Anpassung aber funktioniert - auch so ein Alleinstellungsmerkmal dieser Saison, in der das Feld der Besten durch ein fast ausgereiztes Reglement so stark verdichtet ist. Manchmal klingt Vettel daher wie sein Vater, wenn er referiert: "Das Rennen hat uns gut getan, aber die wichtigen Rennen liegen noch vor uns." Aber die Moral, die liegt bei den Titelverteidigern offenbar wieder auf Champion-Niveau.

Der 25-Jährige sei immer dann besonders gut, wenn dieser in die Defensive gedrängt würde, glaubt Red-Bull-Berater Helmut Marko. Und die Zeitschrift auto, motor und sport urteilt nach der Analyse der vergangenen vier Jahre: "Unter Druck geht Vettels Fehlerquote gegen null." Dazu passt die Agenda des zweimaligen Weltmeisters: "Wir machen weiter so. Weiter Druck." Es spitzt sich zu, auf der Piste. Die Botschaften auf Twitter sind dann bedeutungslos.

© SZ vom 13.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: