Ali vs. Foreman 1974:Über Leben

Muhammad Ali ist tot

30. Oktober 1974, Kinshasa: Foreman (r.) war sieben Jahre jünger als Ali und siebenmal stärker. Aber dann, 8. Runde, Foreman geht zu Boden.

(Foto: dpa)

Muhammad Ali beleidigte seine Gegner, machte sie fertig. Vor 42 Jahren besiegte er George Foreman in Kinshasa. Der Kampf ist ein Lehrstück darüber, wie man eine Chance nutzt, die man nicht hat.

Von Holger Gertz

Biko Botowamungu hat die Fäuste geballt, er sitzt in einem weichen, ziemlich runtergewohnten Sofa im Café Segafredo, Wien-Floridsdorf, und spielt den "Rumble in the Jungle" nach. Muhammad Ali gegen George Foreman. Botowamungu - der natürlich Ali ist - starrt das Glas Orangensaft auf dem Kaffeehaustisch an. Das Glas soll Foreman sein, es ist kein Mensch in der Nähe, der Foreman sein könnte, also: das Glas. Botowamungu beschimpft das Glas, beschwört das Glas, bequatscht das Glas. "Ist das alles, was du kannst?" "Ich habe mir mehr erwartet!" "Ich glaube, du wirst langsam müde!" Das Glas bleibt stoisch, während Botowamungu, der sich inzwischen aus dem Sofa hochgewuchtet hat, zaghaft anfängt zu tanzen, Fuß nach vorne, Fuß nach hinten. "Komm schon, kannst du nicht härter schlagen?" Die Gummisohlen seiner Schuhe quietschen auf dem Boden des Cafés, seine Fäuste verwischen die Luft, "komm schon, komm schon", ruft er. Fuß zur Seite, Fuß nach hinten. Er lacht, heiser wie ein Geist.

Botowamungu ist ein Mann wie ein kleiner Berg, 120 Kilo verpackt in schwarze Klamotten. "So ist es gewesen, genau so. Ali hat immer geredet. Sein Mund war immer in Bewegung. Ich habe es genau gesehen. Ich vergesse es nie." Er setzt sich wieder, den Anflug eines Schweißfilms auf der Stirn. Greift zum Glas Orangensaft, hält kurz inne, zieht die Hand zurück. George Foreman bleibt ungerührt und unberührt.

Rumble in the Jungle. Am 30. Oktober 1974 fand der Kampf am Kongo statt. George Foreman, der Schwergewichts-Weltmeister und Muhammad Ali, der Herausforderer, boxten im Nationalstadion von Kinshasa, damals noch Zaire, der Kampf war ein Riesengeschäft für Promoter, Buchmacher und eine Imagenummer für Diktator Mobutu, der höchstpersönlich den Slogan "from slaveship to championship" erfunden haben soll.

Zwei Schwarze kämpfen in Afrika, in einem von Schwarzen organisierten Duell. Die Afrikaner beschenken die Welt mit der Show aller Shows. Der Kampf war Propaganda, und die Welt schaute hin. Der Kampf war eines der ersten globalen Fernsehereignisse. Weil die Zuschauer in Deutschland ihren mechanischen Weckern offenbar nicht trauten, alarmierten sie den telefonischen Weckdienst der Bundespost, die Weckwünsche schnellten um 600 Prozent des normalen Satzes hoch, der Wecktermin um drei Uhr nachts war bald ausgebucht, die Kundschaft musste auf Viertel vor drei ausweichen.

Nach dem Kampf wollte er Boxer werden, wie Ali. Jetzt nennen sie ihn den Ali von Floridsdorf

Biko Botowamungu aber war hellwach, er saß damals im Stadion, nicht auf einem der teuren Plätze direkt am Ring, ziemlich weit weg, auf der Tribüne. Er war 17, Mitglied der erfolgreichen Ringer-Staffel von Zaire, deshalb hatten er und die anderen Karten bekommen. Es war schwül, drückend, Wolken wie Wale hingen über dem Stadion. Botowamungu schaute zum Ring. Wenn das Ereignis mächtig genug ist, erkennt man die Darsteller vielleicht nur als kleine, sich bewegende Punkte. Aber vor dem inneren Auge der Phantasie schaut man ihnen doch direkt ins Gesicht.

"Es war ja so, dass niemand dem Ali zugetraut hat zu gewinnen", sagt Botowamungu. "Du hast Foreman in den Ring steigen sehen, und du hast gespürt: Foreman ist unschlagbar. Du hast ihn in den Ring steigen sehen, und du hast gemerkt: Da ist eigentlich gar kein Platz mehr für einen anderen." Schau hier, sagt er, "wenn ich daran denke, kriege ich immer noch Gänsehaut." Er zeigt seinen Arm, wie zufällig führt er bei der Gelegenheit gleich mal seinen Bizeps vor, nicht schlecht für einen Mann von 57. Man erkennt zwar nicht, was mit seiner Haut gerade passiert. Aber vieles, was man von außen nicht sieht, ist ja trotzdem da.

Botowamungu ist nicht lange Ringer geblieben nach dem Kampf, er ist Boxer geworden, wegen Ali. Sein Lebensweg führte ihn raus aus Zaire, nach Amerika, nach Deutschland, schließlich nach Österreich. 1988 hat er für Österreich bei Olympia geboxt, "ein liebenswerter Riese mit dunkler Haut und österreichischem Reisepass", sagte der Kommentator damals bei der Liveübertragung. Sie nannten ihn den Ali von Hütteldorf, von Floridsdorf, von Wien. Er wollte wie Ali werden, er war wie Ali geworden. Jedenfalls ein bisschen.

Wer selbst geboxt hat, weiß, wie es sich anfühlt, wenn man voller Angst den Ring betritt, dann findet man keinen Halt. Dann fühlt es sich an, als stiege man vom Uferrand aus in ein Kanu. Wer selbst geboxt hat, kann den Blick des Gegners lesen. Flattert er? Sticht er? Hält er stand? Bei den Showkämpfen jetzt im Fernsehen liegt oft eine sinn- und ziellose Aufgebrachtheit im Blick der Boxer, manchmal sieht es so aus, als müssten sie jeden Moment anfangen, über sich selbst zu grinsen. Gespielter Zorn wiegt nichts. Brennende, echte Wut wiegt so schwer wie echte Angst, die man manchmal auf den hochauflösenden Bildschirmen erkennt, wenn ein Fußballer in einem wirklich wichtigen Spiel zum Elfmeter anläuft. Dem Argentinier Esteban Cambiasso zum Beispiel konnte jeder 2006 im WM-Viertelfinale gegen Deutschland im Gesicht ablesen, dass er verschießen würde. Sein Blick sprach deutlich und klar, keine Nuschelei, keine Zwischentöne. Sein Blick sagte: Ich schaffe es nicht.

"Haben Sie mal die Gesichter der beiden gesehen, Ali und Foreman, vor dem Kampf?", fragt Biko Botowamungu. "Also, nicht von Weitem, sondern ganz nah, in einer Videoaufzeichnung? Das kann man nicht spielen, was diese Blicke erzählen, oder? Das ist alles echt."

Rumble in the Jungle, der Kampf war Business, Propaganda, Sportgeschichte, Fernsehshow, aber er war auch: Psychologie, Allegorie. Wie ja der Kämpfer Ali nicht nur Werbefigur war, Sportler, Entertainer, Rapper, Dichter. Alis Schläge landeten auf Körpern, Alis Worte krochen unter Häute. Nicht nur vor diesem Kampf in Kinshasa, dessen Ballyhoo endlos war. Er musste um sechs Wochen verschoben werden wegen einer Risswunde, die sich Foreman im Training unterm rechten Auge eingehandelt hatte. Die Kameraleute, die nach Zaire aufgebrochen waren, blieben gleich mit den Boxern da - die Budgets gaben das damals noch her - und auch ein paar von den Journalisten und Reportern und Großautoren. James Baldwin, Gay Talese, Joyce Carol Oates schrieben über Boxen. In Kinshasa waren George Plimpton und Norman Mailer dabei, der auch ein Großmaul war, aber ein charismatisches.

Charisma verhindert, dass aus einem Großmaul ein Schwätzer wird, das war bei Ali genauso. Alles, was vor dem Kampf gesagt, getan, geplant und verbrochen wurde, wurde gefilmt, notiert, gedeutet, veröffentlicht. Der Rumble in the Jungle war auch ein Vorgriff auf die Jetztzeit, wo die Pulsfrequenz von Großereignissen in tweets per minute gemessen wird.

Den Kampf gibt es auf Youtube, es sind - gemessen an ihrem Alter - hochwertige Bilder, man sieht die Boxer in Großaufnahme, als sie sich in der Ringmitte treffen. Was da passiert, das kann man nicht spielen, sagt Botowamungu. Alis Mut, vielleicht Übermut. Er quatscht auf Foreman ein, er sucht seinen Blick und redet und redet. Foreman hört sich alles an, sein Blick ist priceless. Er will gelangweilt wirken, aber sieht schwer genervt aus, wie ein Riese aus dem Märchen, der sich bemüht, die Frau in seiner Hand nicht zu zerdrücken. Ali redet, Foreman beißt sich auf die Lippen. Er ist 25, aber sein Gesicht ist uralt. "Ein durchdringender Blick, bleiern wie der Tod, bedrückend wie das sich langsam schließende Tor der eigenen Gruft", schreibt Norman Mailer, zu dessen Stärken die Lakonie nicht gehört. Dann gehen die beiden Boxer in ihre Ecke, der Kampf wird gleich beginnen. Ali schließt die Augen, spricht ein Gebet. Foreman dreht ihm den Rücken zu, beugt sich runter. Nur scheinbar eine Dehnübung, in Wahrheit zeigt Foreman Ali und der Welt sein Hinterteil, das in einer zeltgroßen roten Hose steckt. Wie die Geste zu interpretieren ist? "Für dich nur meine Fürze", schreibt Norman Mailer, zu dessen Stärken das bildhafte Erzählen gehört.

Biko Botowamungu kann sich an Foremans riesigen Hintern nicht erinnern. Dafür saß er zu weit weg.

Charly Schultz kann sich an Foremans riesigen Hintern nicht erinnern, er saß noch weiter weg, im Saarland vor dem Fernseher. Er war ein Teil der Welt, die zuschaute. Ob die Familie Schultz den Weckdienst beauftragt hatte, weiß er nicht mehr, aber dass er Ali gegen Foreman kämpfen sah, weiß er noch. Charly Schultz war 16 damals, Kind von Schaustellern, ein kräftiger Junge mit roten Haaren. Wer rothaarig war, war ein Außenseiter; wer aus einer Schaustellerfamilie kam, war ein Zigeuner. "Ich habe mich schon früh schlagen müssen, um durchzukommen", sagt Schultz, der immer heiser ist, weil er immer brüllen muss.

Charly Schultz ist Chef des Fight Club, einer Boxbude, mit der er von Volksfest zu Volksfest zieht. Die Rummelplatzbesucher können im Fight Club gegen richtige Boxer antreten, er hat vom Leichtgewicht bis zum Schwergewicht alles im Angebot. Schultz setzt Preisgelder aus, 50 Euro für den, der den Kleinsten umhaut, danach gestaffelt höher. Seine Stimme muss ankämpfen gegen das Fiepen und Klingeln der anderen Schaugeschäfte, muss bestehen gegen die Technoschlager aus dem Lautsprecher der Autoscooter. Herrreinspaziert gegen Helene Fischer.

Schultz, Gewichtsklasse Schwergewicht, sitzt im Brauhaus Zeche Jacobi in Oberhausen, gerade kommt er von einem Termin beim Ordnungsamt, er plant schon die neue Saison. Beim Ordnungsamt hat Schultz mit einem Menschen geredet, der die Lizenzen für die Fronleichnamskirmes vergibt, er hat seine Bewerbungsmappe dort abgegeben. So eine Boxbude ist ein Relikt aus anderen Zeiten, die Leute auf der Kirmes wollen aber immer schnellere Fahrgeschäfte.

Als Kind kämpfte Schultz gegen die anderen Kinder, die was gegen seine roten Haare hatten, die was gegen seine Eltern sagten. Als Amateurboxer wurde er Saarlandmeister, als Profi war er mal auf Platz 3 der deutschen Rangliste. Als Boxbudenbesitzer kämpft er darum, dass die Boxbudentradition irgendwie erhalten bleibt. Schultz ist immer ein Kämpfer gewesen. Kämpfer ist ein Titel, den er mit Stolz trägt, es ist nichts gegen jemanden zu sagen, den die Leute Kämpfer nennen. "Als Kämpfer willst du natürlich kämpfen wie Ali, damals gegen Foreman. Wenn du eigentlich keine Chance hast, aber dann kommst du zurück. Der Ali damals, der hängt dauernd in den Seilen, und der Foreman prügelt auf ihn ein, dass die Heide wackelt. Und irgendwann merkst du: Das ist alles ein Plan, von Ali. Und der Plan geht auf."

Jeder hofft doch auf den einen Moment, der irgendwann kommt. Aber meist kommt er nicht

Der Kampf: Foreman war sieben Jahre jünger als Ali und siebenmal stärker, Foreman hatte alle seine 40 Kämpfe vorher gewonnen. Foreman bearbeitete in seinem Trainingscamp die Boxbirne derart, dass seine Hiebe melonengroße Dellen hinterließen. Die Stickerei auf seinen Klamotten war mehr als ein Namensschild, GF stand für George Foreman und für Great Fighter. Die Sparringspartner, gegen die er vorher geboxt hatte, flüsterten, sie hätten nur einen Wunsch: dass Foreman Ali nicht umbringen möge. Der Kampf schien entschieden zu sein, bevor er angefangen hatte.

Kann sein, dass Alis Fights gegen Joe Frazier noch beeindruckendere Abnutzungskämpfe waren, boxerisch wertvoller. Aber dieser Kampf gegen Foreman ist den Leuten in Erinnerung, weil seine Dramaturgie sich auch dem erschließt, dem das Boxen sonst nichts sagt. Jemand nutzt die Chance, die er nicht hat, das ist als leading idea in Erinnerung geblieben, bei Botowamungu, bei Schultz. Ali verbrachte den Kampf zu großen Teilen in den Seilen, er legte sich hinein, die Seile waren nicht besonders straff gespannt. Er erwartete den Schlaghagel von Foreman, und wenn man sich das Ganze nochmal ansieht, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viel Mut dazu gehört haben muss, darauf zu vertrauen, den Hieben ausweichen zu können, um auf den einen Moment zu warten, der irgendwann kommt.

Wem die Frau wegläuft, der hofft auch, dass sie zurückkommt. Wer verschuldet ist, hofft auf die Million im Lotto. Wer für Österreich Fußball spielt, hofft trotzdem, Weltmeister zu werden. Jeder hofft auf den einen Moment, der irgendwann kommt. Aber meistens kommt er nicht.

Der Kampf: Man sieht Ali in den Seilen, ein paar Mal scheint er fast aus dem Ring herauszufallen, immer wieder setzt er eigene Treffer, aber meistens hämmert und büffelt und wummert Foreman auf ihn ein, wie ein Bildhauer, der sich an einem sperrigen Werkstück zu schaffen macht. Und Ali weicht zurück, weicht geschickt aus. "Er sah aus wie jemand, der sich rücklings aus dem Fenster lehnt, um nachzusehen, was oben auf dem Dach liegt", hat George Plimpton gesagt. Und Norman Mailer hörte irgendwann auf, Punkte zu setzen, die Geschichte lief, wie sie lief: "Ali warf sich zurück, gerade noch rechtzeitig, denn während er noch in den Seilen schwang, landete Foreman sechs seiner mächtigsten linken Haken hintereinander und zum Abschluss eine Rechte, es war der Höhepunkt seines Kampfes, das Herzstück seines besten Angriffs, eine Linke in den Bauch, eine Linke an den Kopf, eine Linke in den Bauch, eine Linke an den Kopf, eine Linke in den Bauch, noch eine Linke in den Bauch, und Ali konnte sie alle parieren, Ellbogen vor dem Bauch, Handschuhe vor dem Kopf, und die Seile vollführten wahre Schlangenbewegungen."

Im Café Museum in Wien am Karlsplatz sitzt Sigi Bergmann, er hat ein Buch mitgebracht, und seine Erinnerungen, an Ali, an Foreman und an viele andere Boxer. Bergmann, 76, hat für den ORF und später für Premiere mehr als 3000 Boxkämpfe kommentiert, auch den Rumble in the Jungle, er ist promovierter Historiker und ausgebildeter Opernsänger. Bergmann sieht, wenn er von Ali spricht: den Sportler, die Figur in der Geschichte, den Künstler, den Seelenleser. "Man darf nicht die psychologische Komponente vergessen. Ali war ein Mensch, der in seinen Gegnern gelesen hat, der ihre Schwachstellen bloßgelegt hat. Er hatte ja bei Weitem nicht den härtesten Schlag aller Boxer, aber er konnte in ihre Seele schauen. Seine Kämpfe fingen immer schon weit vor dem Kampf an."

Auch der gegen Foreman. Schon beim Anflug auf den Flughafen von Kinshasa hatte Ali seine Trainer und Betreuer gefragt: Wen hassen die Menschen da eigentlich? Er erfuhr, dass sie die Belgier hassen, die ehemaligen Kolonialherren. Ali schaute aus dem Flugzeug runter, er hatte eine Idee, er sagte: "Wir erzählen denen, dass George Foreman ein Belgier ist." Foreman sah nicht aus wie ein Belgier, aber er hatte einen deutschen Schäferhund dabei, der Diego hieß. Diego durfte manchmal mit zu den Pressekonferenzen. Auch die Kolonialherren hatten Schäferhunde; Foreman erledigte sich schon vor dem Kampf selbst, für den Rest sorgte Ali, der mit den Menschen auf der Straße sprach, mit ihnen tanzte und sang. "Ali, bomaye!" war der Schlachtruf, den sie gemeinsam einübten. Ali, töte ihn. Man hört das Publikum singen, wenn man sich den Kampf anschaut.

"Sie standen hinter ihm. Er hatte die Zeit vor dem Kampf klug genutzt, sie umschwärmt und für sich begeistert", sagt Sigi Bergmann.

Alles, was im Ring passiert, hat mit Angst zu tun. Ali wurde laut, um seine Angst zu übertönen

"Es gab niemanden, der Foreman gut fand", sagt Biko Botowamungu. "Wir liebten Ali." Er erinnert sich an den Schlachtruf und daran, dass sie ihn kürzer gesungen haben, Ali Bomyee, das klang schon damals gut und klingt noch heute gut. Ali Bomyee. Biko Botowamungu singt es kurz vor. Für einen Moment wird Floridsdorf zu einem Vorort von Kinshasa.

Der Kampf gegen Foreman rundete Alis Legende ab. Er hatte schon immer seine Gegner beleidigt, fertiggemacht, gegen Sonny Liston war er zehn Jahre vorher beim Wiegen komplett ausgeflippt, er schrie und brüllte und nannte ihn "big ugly bear". Von da an konnten die Gegner ihn nicht einschätzen, auch Foreman wusste nicht, ob Ali mit ihm spielte, als er in den Seilen hing. Ali provozierte die anderen, um sie zu kränken und sich zu schützen. Brennende Wut, wahrhaftige Angst. Alles, was im Ring und um den Ring herum passiert, steht in einer Beziehung zur Angst. Und Ali wurde laut, um seine eigene Angst zu übertönen.

Muhammad Ali war Kriegsdienstverweigerer, sie nahmen ihm deshalb die Boxlizenz, er verlor den Titel und holte ihn sich gegen Foreman zurück. Er wurde Muslim, amerikanischer Muslim, er legte seinen Namen ab, Cassius Clay sei ein Sklavenname. Er war Bürgerrechtler, Menschenrechtler, Entertainer. Seine Kämpfe sind noch immer eigenartig präsent, weil sie mehr als Kämpfe waren. Und weil der Kämpfer noch lebt, auch wenn man ihn nur noch sehr selten sieht. Muhammad Ali hat Parkinson.

Biko Botowamungu ist ihm später nochmal begegnet, sie waren im selben Hotel, sie sprachen über das Boxen. Charly Schultz hat mal im Rahmenprogramm von Ali geboxt, 1979 in Berlin. Schultz sagt, das war einer der Höhepunkte seiner Karriere, sie trafen sich später in den Katakomben, Ali sagte: "Du bist ein großer Kämpfer, aber rasier' dir deinen Schnauzbart ab. Und sei vorsichtig mit den Frauen." Ali ist wohl das, was man einen Helden nennt, aber er hatte Witz, und er war selbstironisch, das ist selten bei Helden.

Sigi Bergmann hat ihn oft getroffen, das Buch, das er vorsichtig auf den Kaffeehaustisch legt, heißt: "Cassius Clay, Reportage einer Karriere." Er hat es mal bei einem Termin dabeigehabt, Ali sollte es nach einem Training signieren. Aber er pfefferte es durch den Raum, er würde sein Autogramm nicht in ein Buch schreiben, auf dem sein Sklavenname steht. Es war ein bisschen Show. Man konnte sich nie sicher sein, wie ernst er das meinte, was er tat.

Sigi Bergmann hat dann gewartet, bis Ali mit dem Duschen fertig war. Ali kam und unterschrieb. Bergmann zeigt die Seite, im Cassius-Clay-Buch steht, mit Kugelschreiber: Muhammad Ali.

Der Kampf. Das Ende. Die Pointe. Nochmal zu Youtube. Der Schluss der achten Runde, es ist der Moment, in dem einer ins Traumland geschickt wird, wo - so hat Ali das später beschrieben - Fledermäuse Saxofon spielen und Alligatoren pfeifen. Foreman hat sich müdegeboxt, gehämmert, geschlagen, gewütet. Jetzt ist er fertig, am Ende, und Ali kommt aus der Deckung und pfeffert ihm eine rechte Gerade an den Kiefer. Foremans Arme fliegen "zur Seite wie bei einem Fallschirmspringer, der sich vom Flugzeug abstößt", schreibt Mailer, Foremans Linke scheint sich kurz an Alis Hosenbund festhalten zu wollen. Alis Faust zuckt, für einen Moment scheint sie nachlegen zu wollen, aber Ali hält sie zurück, denn Foreman fällt auch so, er fällt sehr langsam, und Ali schaut ihm still beim Fallen zu.

Diese Seite Drei-Reportage ist erstmals am 29. Oktober 2014 in der SZ erschienen.

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