Alexis Pinturault:Er lässt das Schwere hinreißend leicht aussehen

Alexis Pinturault: Schwebt im Hang: Alexis Pinturault

Schwebt im Hang: Alexis Pinturault

(Foto: AFP)
  • Skiprofi Alexis Pinturault dominiert den Saisonstart in Sölden.
  • An dem Franzosen vorbeizukommen, dürfte der Konkurrenz nun schwerfallen.

Von Johannes Knuth, Sölden

Wenn man Alexis Pinturault in den vergangenen Tagen ins Schwitzen bringen wollte, beim Saisonauftakt der alpinen Skirennfahrer, dann stellte man ihm am besten eine Frage auf Deutsch. "Öhm, puh", sagte der Franzose dann meist und lächelte ein sehr nervöses Lächeln. Dann fügte er an, in sehr passablem Deutsch: "Das ist escht viel Druck für misch!"

Pinturault hat vor einem Jahr das Studium dieser Sprache aufgenommen, die sich für Anfänger manchmal offenkundig so schwer beherrschen lässt wie ein feiner Riesenslalomschwung auf einer vereisten Weltcuppiste. Aber es hilft ja nichts: "Es ist wichtig, in dieser Sprache zu sprechen", sagte Pinturault, "vor allem in unserem Sport". Die Kraftzellen der Alpinen sind noch immer die Alpenländer, vor allem Österreich und die Schweiz, da sitzen das Publikum, die Sponsoren, das Geld. Letztlich erledigte Pinturault in Sölden beides sehr beachtlich: zum einen die Interviews auf Deutsch, in die er schon ein paar sehr hübsche Worte einwebte - wenn er etwa ausführte, dass er die neue Sprache "noch viel praktizieren" müsse. Zum anderen den ersten Riesenslalom der neuen Saison.

Nahezu ruckelfrei über den Steilhang gerauscht

Den beherrschte der 28-Jährige so, wie es nur die Besten ihres Metiers können: Er ließ das Schwere hinreißend leicht aussehen. Wo die meisten Konkurrenten ihre Skier über den Kunstschnee am Rettenbachgletscher driften ließen, wo Arme ruderten und Oberkörper hin und herwogten, rauschte Pinturault nahezu ruckelfrei über den Steilhang. 0,54 Sekunden lag er am Ende vor seinem Landsmann Mathieu Faivre, 0,63 vor dem Slowenen Zan Kranjec; es war Pinturaults 24. Weltcupsieg.

So technisch edel und kompromisslos waren seine beiden Läufe, die er in den Schnee malte, dass sie sogar Marcel Hirscher zur Ehre gereichten. Der Österreicher hatte zuletzt acht Mal den Gesamtweltcup gewonnen und im September seine Karriere beendet. Pinturault gilt als aussichtsreichster Bewerber auf dessen Nachfolge, neben dem Norweger Henrik Kristoffersen, was ebenfalls "viel Druck" auf Pinturault ausübt, wie der in Sölden zugab. Andererseits schienen ihm diese Erwartungen weniger auszumachen als Wortmeldungen in alemannischer Diktion.

Er kann die gebirgsgroßen Erwartungen durchaus ausfüllen

Noch hat der neue Winter gar nicht richtig angefangen, aber wenn dieses erste von diesmal 45 Alpinrennen der Männer in Sölden eines untermauerte, dann die Erkenntnis, dass Pinturault die gebirgsgroßen Erwartungen durchaus ausfüllen kann. Er war im Vorwinter schon Zweiter im Gesamtklassement hinter Hirscher, allerdings mit 401 Zählern Rückstand und damit in etwa so weit entfernt wie der Söldener Gletscher von den nordfriesischen Inseln. Pinturault hatte schon immer eine beachtliche Begabung mit sich geführt, er war mit 17 Juniorenweltmeister im Riesenslalom geworden, Zweiter damals: Hirscher. Aber während der Österreicher in den folgenden Jahren die Slaloms und Riesenslaloms mit eiserner Härte beherrschte, versuchte sich Pinturault, ebenfalls ein begnadeter Techniker, auch in den schnelleren Disziplinen. Er gewann 2015 und 2019 WM-Bronze im Riesenslalom, 2018 Olympia-Silber in der Kombination aus Slalom und Abfahrt, 2019 seinen ersten WM-Einzeltitel in ebendieser. Aber manchmal schien er sich in seiner Vielseitigkeit ein wenig zu verlaufen.

Geändert hat sich das erst in den vergangenen Jahren. Pinturault verlegt da seinen Lebensmittelpunkt im Winter ins Salzburger Land, um noch schneller zu den Alpinklassikern in den Alpen reisen zu können. Er hat sich auch ein eigenes, kleines Team aufgebaut, das ihm mittlerweile das ganze Jahr über zuarbeitet, mit Trainern, Physiotherapeut und Servicekraft für die Materialabstimmung, die er sich nicht mit anderen Athleten teilen muss, wie es im Skisport noch immer weitgehend üblich ist. Einen Teil des Teams finanziert Pinturault dem Vernehmen nach selbst, ein weiterer Teil fließt vom österreichischen Brausekrösus Red Bull zu. Der lässt ausgewählten Athleten, nicht nur im Skisport, immer wieder Leistungen zukommen, die die Nationalverbände nicht finanzieren können: mal einen Privatjet für die schnellere Anreise im hektischen Winter wie zuletzt für Kristoffersen und Hirscher, mal einen Deutschkurs oder einen Job für die jüngere Schwester wie einst für Vonn, mal einen Physiotherapeuten für Pinturault.

Der österreichische Einfluss wird also auch im neuen Alpinwinter zu spüren sein, wenn auch weniger beim ersten Blick in die Ergebnislisten: Da fand sich der beste Österreicher am Sonntag erst an zwölfter Stelle, in Person von Manuel Feller. Die verletzungsgeplagten Frauen verloren in Bernadette Schild (Kreuzbandriss) derweil eine weitere Technik-Expertin, Pinturault sprach der erfolgshungrigen Skination aber tapfer Mut zu: "Sie haben noch immer viele schnelle Läufer, sie werden zurückkommen", sagte er. Gleiches gelte für Kristoffersen, der in Sölden nach einem schweren Fahrfehler nur 18. wurde.

Nur: Auch an Pinturault vorbeizukommen, das dürfte die Konkurrenz in diesem Winter ziemlich ins Schwitzen bringen. Ungefähr so wie den Franzosen das Deutschstudium.

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