FC Augsburg:Der neue schwäbische X-Faktor

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Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Mitspieler: Alexis Claude-Maurice wird nach seinem Tor zum 1:0 gegen Schalke vom Kollegen Philipp Tietz getragen. (Foto: Davide Elias/IPA Photo/Imago)

Drei Tore gegen Dortmund und Schalke: Alexis Claude-Maurice hat maßgeblichen Anteil am jüngsten Aufschwung des FC Augsburg – dabei ließ sein vorheriger Arbeitgeber den Vertrag noch auslaufen.

Von Maik Rosner, Augsburg

Von Hattricks ist im Fußball oft die Rede, weil für diese Bezeichnung in vielen Ländern ausreicht, wenn ein Spieler drei Tore in einem Spiel erzielt. In Deutschland nimmt man es genauer, weshalb der Fachbegriff des sogenannten lupenreinen Hattricks eingeführt wurde, der aber nur selten zur Anwendung kommen kann. Das ist nämlich einzig dann der Fall, wenn ein Spieler drei Tore in einer Halbzeit schießt. Zudem darf bei ganz genauer Auslegung zwischendurch kein Kollege oder Gegner ein Tor erzielen.

Alexis Claude-Maurice vom FC Augsburg hat zuletzt zwar drei Tore in ziemlich schneller Folge geschossen, aber keinen Hattrick geschafft und erst recht keinen lupenreinen. Trotzdem ist der kleine Franzose mit dem starken rechten Fuß derzeit der auffälligste Kicker beim Bundesligisten FC Augsburg. Und mit ein bisschen gutem Willen könnte Claude-Maurice an diesem Samstag zumindest seine ganz eigene Interpretation eines Hattricks schaffen, wenn er auch beim VfL Wolfsburg entscheidend treffen sollte – das wäre dann im dritten Spiel hintereinander.

Am vergangenen Dienstag war es ja wieder so ähnlich gelaufen wie zuvor am Samstag. Auch im Pokalspiel gegen den FC Schalke 04 durfte sich Claude-Maurice als sogenannter Matchwinner fühlen. Zwar hatte er mit einem Aufsetzer von der Strafraumkante nur das erste Tor zum 3:0-Sieg beigesteuert und dabei von einer Unebenheit im Rasen profitiert, doch die anderen beiden Treffer fielen erst in den Schlussminuten. Drei Tage zuvor waren ihm sogar beide Tore zum 2:1-Ligaerfolg gegen Borussia Dortmund gelungen, was immerhin als sogenannter Doppelpack durchging (nicht zu verwechseln mit dem Doppelschlag).

Bei OGC Nizza spielte Claude-Maurice inkonstant, der französische Erstligist ließ seinen Vertrag auslaufen – dann griff der FCA zu

In beiden Spielen durfte Claude-Maurice die ersten persönlichen Glückwünsche von Trainer Jess Thorup schon im Laufe der zweiten Halbzeit entgegennehmen, als er jeweils ausgewechselt wurde. Nach dem Spiel gegen Dortmund wich der Däne sogar von seiner Linie ab und hob ausnahmsweise einen einzelnen Akteur hervor: „Die Art und Weise, wie er aufgetreten ist, wie er mit und ohne Ball gespielt hat, war überragend“, lobte Thorup den 26-Jährigen nach dessen Startelf-Debüt und bezeichnete ihn sogar als den neuen „X-Faktor“ seiner Mannschaft.

Tatsächlich hat sich Claude-Maurice beim FC Augsburg bisher als Unterschiedsspieler entpuppt. Er kommt in seinen vier Profieinsätzen für den FCA auf insgesamt vier Tore und eine Vorlage. Die bemerkenswerte Quote überrascht den schmächtigen Offensivspieler aus den östlichen Vororten von Paris selbst ein wenig: „Ich sehe mich eigentlich nicht als Torjäger“, sagt Claude-Maurice, „ich bin ein Offensivspieler. Ich kann Stürmer spielen, aber ich bin hauptsächlich Mittelfeldspieler.“

Nicht nur mit seiner Variabilität bringt er in Thorups Mannschaft neue Elemente ein. Flink und wendig bewegt sich Claude-Maurice meist als hängende Spitze oder als „Neuneinhalb“, wie es Sportdirektor Marinko Jurendic formuliert. In der Zwischenwelt von Mittelfeld und Angriff kommt Claude-Maurice zugute, sich als Leichtgewinn und mit nur 1,74 Metern Körpergröße dem Zugriff der gegnerischen Defensive leichter entziehen zu können. Zudem verfügt er über eine feine Technik. Vor allem aber bezeichnet Thorup die „schnellen Füße“ und „große Qualitäten in kleinen Räumen“ als Vorzüge seines Sommerzugangs, der sich dem FCA erst am letzten Tag der Transferphase Ende August ablösefrei angeschlossen und einen Vertrag bis 2027 unterschrieben hat.

Bei OGC Nizza hatten sie seinen Kontrakt zuvor auslaufen gelassen. Sein vorheriger Arbeitgeber fand keine Verwendung mehr für Frankreichs ehemaligen U21-Nationalspieler. Dass Claude-Maurice in Nizza nicht mehr gebraucht wurde, überrascht nach den bisherigen Eindrücken in Augsburg. Beim FCA hatten sie nach eigenen Angaben bereits im April erste lose Bande geknüpft, richtig konkret sei es aber erst im Sommer geworden. Claude-Maurice, so geht die Erzählung, habe trotz anderer Angebote geduldig gewartet. Erst nachdem so gut wie alle anderen Zu- und Weggänge festgestanden hatten, ergriffen die Augsburger ihre Chance. Diese hatte sich auch deshalb eröffnet, weil Claude-Maurice in Nizza inkonstant gespielt hatte, was auch auf Verletzungen zurückzuführen war.

Fünf Jahre zuvor hatten sie ihn noch als großes Versprechen für rund 13 Millionen Euro Ablöse vom FC Lorient an die Côte d’Azur geholt. Doch auf mehr als fünf Pflichtspieltore brachte er es dort und auf einer zwischenzeitlichen Leihe zum RC Lens nie in einer Saison. Umso erstaunlicher ist seine bisherige Quote in Augsburg, zumal Claude-Maurice vor seinem ersten Einsatz für den FCA viereinhalb Monate gar nicht gespielt hatte.

Die Augsburger erwarten nun nicht, dass ihr Zugang weiterhin so herausragt wie zuletzt gleich zweimal hintereinander. Aber sie hätten natürlich nichts dagegen, wenn Alexis Claude-Maurice in Wolfsburg seine ganz eigene Interpretation eines Hattricks gelingen sollte.

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