Turniersieg in Acapulco:Zverev trotzt dem Erdbeben

Turniersieg in Acapulco: Feier mit Birne, Sombrero und mexikanischem Fußball-Nationaltrikot: Alexander Zverev bei der Siegerehrung in Acapulco.

Feier mit Birne, Sombrero und mexikanischem Fußball-Nationaltrikot: Alexander Zverev bei der Siegerehrung in Acapulco.

(Foto: Rebecca Blackwell/AP)

Auch seismografische Erschütterungen können Deutschlands besten Tennisprofi in Mexiko nicht stoppen: Er gewinnt in Acapulco seinen 14. ATP-Titel - und kritisiert das Weltranglistensystem.

Von Gerald Kleffmann

Im Rückblick, kann Alexander Zverev jetzt sagen, hatte sein Spiel beim Turnier in Acapulco nur dreimal gewackelt. Zweimal im Finale. Wackler 1: Stefanos Tsitsipas hatten anfangs brillant agiert und bei einer 4:1-Führung gleich dreimal die Chance, mit einem weiteren Punkt gar auf 5:1 davonzuziehen. Wackler 2: Bei 5:4 im zweiten Satz und 40:30 hatte Zverev Matchball, der Grieche wehrte diesen ab, und der Deutsche kassierte daraufhin gar den Aufschlagspielverlust, mit einem Doppelfehler in die Netzmitte, wie er Amateuren unterläuft.

Aber auch eine andere Begebenheit überwand Zverev, wie die vielleicht sonderbarste in seiner Karriere, in der er nun seit Samstag dank eines 6:4, 7:6 (3)-Erfolges 14 Titel gewonnen hat: Im Halbfinale gegen Landsmann Dominik Koepfer erzitterte der Boden, während die beiden einen Punkt ausspielten. Die ATP Tour berichtete später, das Erdbeben im Bundesstaat Guerrero habe laut des United States Geological Survey eine Stärke von 5,7 betragen. "Ich wusste nicht, was passierte. Auch Dominik nicht", sagte Zverev nach dem 6:4, 7:6 (5)-Sieg, gab sich aber entspannt. "Ich war ja schon mal hier, als es passierte, ich nehme an, das ist normal für Acapulco."

Nicht nur aufgrund der vibrierenden Erde war die Veranstaltung der 500er Kategorie (Zverev erhält 500 Punkte als Gewinner) eine außergewöhnliche Woche für den 23-Jährigen. "Ich habe immer gesagt, dass dies ein Turnier ist, das ich in meiner Karriere gewinnen wollte", sagte Zverev. Denn er habe, führte er aus, "eine sehr starke Beziehung mit Mexiko". Sportler übertreiben aus Höflichkeit gerne mal, in diesem Fall aber lässt sich annehmen, dass es genau so ist, wie Zverev sprach: Niemand zwingt ihn ja, in Acapulco teilzunehmen, in Dubai etwa fand auch ein 500er Event statt, bei dem der Russe Aslan Karazew, 27, seinen verblüffenden Aufstieg in die Weltelite fortsetzte und seinen ersten ATP-Titel errang.

Zverev kommt seit vielen Jahren nach Acapulco, 2019 unterlag er im Finale dem Australier Nick Kyrgios, dafür triumphierte er damals im Doppel mit Bruder Mischa. Im November schließlich trat Zverev mit Roger Federer in Mexiko-Stadt vor der Rekordkulisse von 42 517 Zuschauern an (2020 kamen dann 51 954 Fans zum Showmatch Federer - Rafael Nadal in Kapstadt).

Zverev wurde inzwischen Vater von Tochter Mayla

Zverevs Spielfreude war auch diesmal in jedem Match auffällig, er verlor keinen Satz in vier Partien (im Viertelfinale trat Gegner Casper Ruud aus Norwegen verletzt nicht an) und bewies, dass er auf Hartplatz einer der dominantesten Akteure geworden ist. Seit die Tennistour in dieser Pandemie wieder aufgenommen wurde, stand er in fünf Finals und holte drei Titel, zwei davon in Köln. Seit Zverev sein Positionsspiel verändert hat und eher auf der Grundlinie als mehrere Meter hinter ihr steht, ist er noch druckvoller geworden. Auch Tsitsipas zollte Zverev Respekt. "Er hat so viele Kämpferqualitäten gezeigt, nicht nur heute, aber auch in den schwierigen Momenten, die er hatte. Das ist es, was die großen Spieler auszeichnet."

So ist es, wobei man präzisieren darf, dass es sich bei jenen erwähnten schwierigen Momenten wohl um nicht ganz tennistypische handelt. Eine Ex-Freundin hatte Zverev ja vor einigen Monaten öffentlich der häuslichen Gewalt bezichtigt, eine andere Ex-Freundin brachte kürzlich Tochter Mayla zur Welt, deren Vater Zverev ist.

Angesichts dieser privaten Entwicklungen in der Vergangenheit ist es umso erstaunlicher, wie fokussiert Zverev seit längerem auf dem Platz auftritt. "Ich bin älter geworden, und vielleicht haben mich ein paar Dinge geändert", erklärte Zverev selbst, auch durchaus etwas schwammig, "ich weiß mit ein paar Dingen vielleicht besser umzugehen, und, als Tennisspieler, versuchst du dich immer zu entwickeln."

Wie ehrgeizig Zverev jedenfalls ist, wurde deutlich, als er im Moment des Turniererfolges sogleich von größeren Sehnsüchten redete: "Mein Hauptziel sind weiterhin die großen Titel in der Welt. Die Grand Slams sind am Schwierigsten zu gewinnen, und das habe ich noch nicht erreicht." In der Weltrangliste wird Zverev, der vorerst weiter von Vater Alexander als Trainer begleitet wird, auf Rang sieben bleiben, was an den komplizierten Sonderregeln liegt, nach denen das Ranking in diesen Corona-Zeiten berechnet wird.

Zverev hatte kürzlich dieses System offen als "Desaster" bezeichnet und kritisiert: "Ich bin der größte Roger-Federer-Fan, aber er hat ein Jahr nicht gespielt und steht höher als ich." Nach dem nächsten Turnier immerhin könnte er den Schweizer überholt haben, in Miami wird nicht nur Federer fehlen, sondern zahlreiche Spitzenspieler wie der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic und der Spanier Rafael Nadal verzichten auf die Reise nach Florida. Wo übrigens auf Hartplätzen gespielt wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: