Tennisprofi Alexander ZverevNeustart mitten in der Saison

Lesezeit: 4 Min.

„Über die letzten Monate brauchen wir nicht mehr sprechen, ich möchte das hinter mir lassen“: Münchens Turniersieger Alexander Zverev.
„Über die letzten Monate brauchen wir nicht mehr sprechen, ich möchte das hinter mir lassen“: Münchens Turniersieger Alexander Zverev. (Foto: Matthias Schrader/AP)

Der frühere Profi Matthias Bachinger hat drei Wochen lang als Trainingspartner von Alexander Zverev erlebt, wie sich der Weltranglistenzweite aus dem Formtief kämpfte – und schwärmt von dessen Arbeitsmoral.

Von Gerald Kleffmann

Am Ostermontag ist Matthias Bachinger wieder früh aufgestanden, dabei war das Münchner ATP-Turnier schon vorbei. Er fuhr noch mal in das schicke Hotel in Nordschwabing, in dem Alexander Zverev die vergangenen zwölf Tage gewohnt hatte. Die beiden tauschten sich ein letztes Mal aus, „wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt“, erzählt Bachinger am Telefon beschwingt, „und ich denke, dass wir sicher mal wochenweise zusammenarbeiten werden“. So schlecht war diese Kooperation zwischen dem nun wieder Zweiten im ATP-Ranking und dem früheren Münchner Profi wahrlich nicht gelaufen. „Das waren drei super Wochen mit der Krönung Turniersieg“, sagt Bachinger mit Blick auf Zverevs Erfolg bei den BMW Open und lacht: „Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich die noch mal gewinne.“

Ganz so war es nicht natürlich, das weiß Bachinger, aber der 38-Jährige, der derzeit Trainerstunden in München gibt und in der Herren-30-Bundesliga für den TC Großhesselohe spielt, hat eben nicht nur hautnah miterlebt, wie sich Zverev mit dem Titelgewinn am Sonntag beim neuen 500er-ATP-Turnier aus seinem kleinen Formtief manövriert hat. Als Hitting Partner, als Trainingspartner also, half er seit Ende März aktiv aus, da Zverevs Stammkraft, der Russe Michail Ledowskich, eine kurze Pause nahm. Als Sergej Bubka jr., Zverevs Manager, bei Bachinger anrief und fragte, ob er sich vorstellen könne, nach Monte-Carlo zu kommen, hatte Bachinger so gut wie gepackt. Und er ließ sich nicht davon abschrecken, dass da eine pikante Aufgabe auf ihn wartete.

Funkelnder Lohn: Matthias Bachinger (rechts) hält den Münchner Siegerpokal, den Alexander Zverev gewonnen hat.
Funkelnder Lohn: Matthias Bachinger (rechts) hält den Münchner Siegerpokal, den Alexander Zverev gewonnen hat. (Foto: Privat/oh)

Bei den Australian Open stand Zverev noch im Finale, das er gegen den Weltranglistenersten Jannik Sinner verlor. Danach erreichte er in sechs Turnieren nur zwei Viertelfinals. Das entspricht nicht seinem Anspruch, was Bachinger rasch spürte, auf dem Tennisplatz an der Côte d’Azur, wo Zverev auch lebt. „Man hatte schon gemerkt, dass die Stimmung im Training nicht die beste war. Aber das ist normal, wenn es mal nicht so gut läuft“, sagt Bachinger, der die Zverev-Familie seit 25 Jahren kennt. „Ihm fehlte einfach ein bisschen das Selbstvertrauen. Deshalb hat er noch mehr trainiert als sonst.“ Motivieren, das betont Bachinger, müsse man Zverev nicht: „Seine Arbeitsmoral ist sensationell.“ Vor den BMW Open habe Zverev vier, fünf Stunden gespielt, dazu kam Fitness und Physio. „Er wurde nicht umsonst die Nummer zwei der Welt“, sagt Bachinger, der selbst den 85. Weltranglistenplatz erreicht hatte.

Den Ausflug zu den Turnieren nach Süd- und Mittelamerika bereut Zverev im Nachhinein

So gesehen vollbrachte Zverev seine Wende in München nicht erst in seinen beiden besten Auftritten, als er den Ungarn Fabian Marozsan sowie den amerikanischen Sonnyboy Ben Shelton dominierte. „Im Training holt man sich auch Selbstvertrauen“, sagt Bachinger, „wir haben viel geschlagen, damit er wieder sein Timing und sein Gefühl bekommt.“ Bezeichnend, dass Zverev nach seinem 6:2, 6:4-Finalsieg hervorhob: „Ich habe mich in den Ballwechseln wohlgefühlt.“ Seine Leistungsschwankungen zuletzt hatten demnach viel mit seinen eigenen Empfindungen zu tun, weniger mit den Fähigkeiten seiner Gegner. In Süd- und Mittelamerika hatte er gegen Kontrahenten verloren, die er an normalen Tagen besiegt. Dort angetreten zu sein, bereute Zverev im Nachhinein. Er hätte sich nach Melbourne besser regenerieren sollen, sagte er. Doch er hatte schon früh Verträge abgeschlossen, es ging also um gewiss äußerst lukratives Antrittsgeld.

Alles allerdings lief auch nicht perfekt in München, in der Runde der letzten Acht fehlten Tallon Griekspoor nur drei Punkte zum Sieg, Zverev spielte völlig fahrig. Doch dann verschlug der Niederländer einen kinderleichten Vorhandvolley, und das Schicksal nahm seinen Lauf. „Ich habe das Viertelfinale gewonnen, das ich verlieren hätte müssen“, erinnerte sich Zverev im Moment des Turniersieges und ordnete diese Pointe grundsätzlicher ein: „In den letzten paar Wochen war es genau andersrum. Ich habe viele Matches verloren, die ich gewinnen hätte müssen.“ Tennis ist zu offensichtlich immer auch zu einem Großteil ein Kopfsport, wie Bachinger bestätigt: „Genau solche Matches brauchst du in solchen Phasen, dass du irgendwie mal durchkommst. Dann läuft es auf einmal wieder.“

„In München habe ich gemerkt, dass er wieder sehr griffig ist“, schildert Bachinger

Für ihn hatte sogar ein zuvor frustrierendes Erlebnis eine positive Auswirkung auf Zverev. „Vor allem die Niederlage gegen Matteo Berrettini in Monte-Carlo in der ersten Runde war im Nachhinein vielleicht gar nicht schlecht“, sagt Bachinger. „Niederlagen tun immer weh, aber wenn man die richtigen Schlüsse zieht, können sie wertvoll sein.“ In München hätten sie daraufhin ein paar Dinge anders gemacht. Mehr Volleys trainiert, mehr Abwechslung in die Arbeit gebracht. „Er war gewillt, im Kopf etwas zu ändern. In München habe ich gemerkt, dass er wieder sehr griffig ist“, schildert Bachinger. „Die Schläge wurden Tag für Tag besser, die Form kam zurück. Und vor allem: die Sicherheit.“

Für Zverev kommt München einem Neustart mitten in der Saison gleich. „Über die letzten Monate brauchen wir nicht mehr sprechen“, stellte er klar, „ich möchte das hinter mir lassen und jetzt nach vorn blicken. Vor allem mit positiven Emotionen nach vorn blicken.“ Das Gute für ihn ist, dass nun die Masters-Events in Madrid und Rom sowie die French Open in Paris anstehen. „Das sind alles Turniere, die ich eigentlich gern habe“, sagte Zverev. „Ich möchte dort genauso weitermachen, wie ich hier aufgehört habe.“ Für Bachinger indes endet das kurzzeitige spannende Projekt, Ledowskich kehrt als Hitting Partner zurück. Bachinger glaubt fest daran, dass Zverev auch in den kommenden Wochen erfolgreich sein wird: „Das ist das Schöne am Tennis: dass es lange nicht laufen kann – und dann macht es auf einmal klick.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

BMW Open im Tennis
:Zverev kann es ja doch noch

Alexander Zverev zeigt im Endspiel des Münchner ATP-Turniers seine beste Leistung der Woche, für den Sieg braucht er nur 71 Minuten. Danach erinnert er an seine „schweren Monate“ zuletzt – und verspricht, noch mindestens zehn Jahre zu spielen.

Von Gerald Kleffmann

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: