Alexander Zverev:Die Kraft des Spargels

2019 Australian Open - Day 6

Schlaksig, selbstironisch und doch dominant: Alexander Zverev bei seinem Match gegen den Australier Alex Bolt.

(Foto: Getty Images)
  • Alexander Zverev steht nach seinem Sieg gegen Alex Bolt zum ersten Mal in seiner Karriere im Achtelfinale der Australian Open.
  • Beim Platzinterview erklärt der schlaksige Deutsche, von den Kollegen immer noch "Asparagus", also Spargel, genannt zu werden.
  • In Melbourne trifft er nun auf Milos Raonic: Die Partie dürfte für Zverev ein Kraftakt werden.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Alexander Zverev ist die Nummer vier der Weltrangliste, aber sein Abschreckungspotential, so glaubt er, hält sich immer noch in Grenzen. Zum Beweis hat er am Samstagabend in der vollbesetzten Rod-Laver-Arena in Melbourne den Ärmel seines Tennishemds hochgekrempelt und seinen linken Oberarm gezeigt. "Wer soll denn davor Angst haben!?", fragte er amüsiert in die amüsierte Runde.

Die gute Laune hat Zverev in Melbourne noch nichts verderben können: Mit bemerkenswert konstantem Spiel und einer ordentlichen Portion Selbstironie marschiert er bislang durch dieses Turnier. Am Samstagabend hat er vor 14 000 Zuschauern in der dritten Runde seinen australischen Herausforderer Alex Bolt mit 6:3, 6:3 und 6:2 in Schach gehalten und ist damit bei den Australian Open so weit vorangekommen wie noch nie in seiner Karriere. "Ich bin im Turnier, das ist schon mal stark", fand er anschließend. In den vergangenen beiden Jahren war er immer spätestens an Gegner Nummer drei gescheitert, diesmal war er froh, am Donnerstag ein Fünfsatzmatch gegen den Franzosen Jeremy Chardy überstanden zu haben. Nun hat er sich erstmals für die zweite Wettkampfwoche qualifiziert und wird sich am Montag in der Runde der besten 16 mit dem Kanadier Milos Raonic messen.

Tatsächlich ist es weniger Zverevs schlaksige Erscheinung, 90 Kilogramm Gewicht verteilt auf 198 Meter Körperlänge, mit der er sich Respekt im Kollegenkreis verschafft; eher der Titel bei den ATP-Finals, dem Saisonend-Turnier der acht Jahresbesten, den er im November erobert hat. Er werde ja immer noch "Asparagus", also Spargel, genannt, erklärte er beim Platzinterview mit dem früheren Profi Jim Courier zur Belustigung des Publikums. Dabei trainiert er nun schon seit fünf Jahren mit dem Fitness-Coach Jez Green, der früher auch aus einem schmalen Hemd wie Andy Murray einen Athleten mit Beinen wie Baumstämmen formte.

15 Kilogramm habe er seit seinem 16. Lebensjahr zugelegt, sagte Zverev, "auch wenn man das auf den ersten Blick nicht sieht". Er merke heutzutage beim Training in der Vorbereitungszeit vor der Saison, bei den 400-Meter-Läufen, beim Joggen oder beim Gewichtheben indes deutlich, dass sich "schon etwas verändert" habe. Und die Fitness verleihe Sicherheit auf dem Platz - etwa bei einem Marathonduell wie gegen Chardy: "Ich kann lange Matches spielen, ich brauche keine Sorge zu haben. Das ist auch im Mentalen für mich wichtig."

Zverevs Gegner Alex Bolt hatte eine Weile lang im Baugewerbe gearbeitet

Die Partie am Samstag gegen Alex Bolt, 26, gehörte eher zu den kürzeren. Aber der Mann aus Murray Bridge, einer Stadt im australischen Bundesstaat South Australia etwa 80 Kilometer entfernt von Adelaide, ist keiner, der schnell aufgibt. Er hat Zupacken gelernt. Vor einigen Jahren war seine Tenniskarriere schon fast beendet. Weil er glaubte, nicht vorwärts zu kommen, wandte er sich dem Baugewerbe zu, Spezialgebiet Zaunkonstruktionen, und half im Betrieb seines Bruders mit. Damals hatte er die Lust am Filzballschlagen und am ständigen Reisen verloren und spielte lieber Fußball. Seit drei Jahren ist er zurück, wenn auch meist bei den Turnieren der nachrangigen Challenger-Serie.

In Melbourne hat er nun auf dem Weg in die dritte Runde unter anderem den Franzosen Gilles Simon, Nummer 31 der Weltrangliste, aus dem Turnier befördert. Es war der beste Sieg seiner Karriere. "Power habe ich", hat er danach gesagt, "aber ich muss noch lernen, sie manchmal präziser einzusetzen." Auch Zverev, ein Experte in solchen Dingen, riet ihm danach, sein Spiel taktisch so aufzubauen, dass er seine Kräfte besser nutzt.

Nach dem Scheitern von Bolt musste sich auch dessen 19-jähriger Kollege Alexei Popyrin, der ebenfalls dank einer Wildcard ins Hauptfeld des Grand-Slam-Turniers gelangte, am Samstag einer Niederlage fügen. Er unterlag in fünf Sätzen dem Franzosen Lucas Pouille. Von den ursprünglich zwölf australischen Kandidaten hat keiner die dritte Runde überstanden. Aber die Zuschauer haben zumindest eine Woche lang gesehen, dass das große Land noch über andere Talente verfügt als Bernard Tomic, 26, der das wichtigste Turnier im Jahr zum Anlass genommen hatte, seine persönlichen Animositäten mit Daviscup-Teamchef Lleyton Hewitt öffentlich eskalieren zu lassen. Bis hin zur körperlichen Bedrohung, so erklärte Hewitt dieser Tage, sei der Streit gegangen.

Für jene 16 Profis, die sich durchgeschlagen haben bis ins Achtelfinale, beginnt nun die Woche der Entscheidung. Zverev wird in Raonic zunächst einem der besten und härtesten Aufschläger der Tennisszene am Netz gegenüberstehen. Ein Kraftakt, wie er weiß. Aber darauf ist er vorbereitet.

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Tennis - Australian Open - Fourth Round

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