Was Alexander Zverev im Achtelfinale gegen Ugo Humbert zeigte, das hatte man bei ihm schon oft gesehen. In Best-of-five-Partien wackelt er gerne mal in den frühen Runden – und ja, für ihn ist Achtelfinale „früh im Turnier“. Aufgrund der für ihn sehr günstigen Auslosung und des bislang mindestens so günstigen Verlaufs dürfte der Deutsche die Australian Open so eingeteilt haben: fünf Mal „Pflicht“, und dann im Halbfinale gegen den Sieger des Mega-Duells Novak Djokovic gegen Carlos Alcaraz. Im Viertelfinale am kommenden Dienstag trifft Zverev auf den an Zwölf gesetzten Amerikaner Tommy Paul, über den er sagt: „Er ist ein schlauer Typ, der die Taktik während Partien schnell ändern kann. Er schlägt variabel auf, mixt dauernd seine Grundschläge: Erst spielt er hohe Bälle, dann streut er Slice ein; er beendet Ballwechsel schnell, plötzlich zieht er sie in die Länge. Das ist schon eine Herausforderung.“
Diese Aussage führt zu einer erstaunlichen Parallelität zwischen manchen Zverev-Partien und WM-Kämpfen des Schwergewichtlers Wladimir Klitschko. Der war seinen Gegnern meist körperlich, technisch und taktisch überlegen; wenn alles nach Plan lief (und den hatte Kopfmensch Klitschko stets), gewann er souverän. Das war nicht immer spektakulär, aber höchst erfolgreich. Dann kam der wahnwitzige Tyson Fury, der ihm mitteilte: „Du hast dein Handwerk perfektioniert; du bist intelligent. Nur: Kopfmenschen kriegen Stress, wenn Unerwartetes passiert und sie improvisieren müssen.“ Zverev ist, aufs Tennis übertragen, ähnlich: Er hat sein Handwerk perfektioniert; wer keine Überraschungen liefert, hat keine Chance gegen ihn.
„Ich will noch drei Partien hier spielen“, sagt Zverev nach dem Spiel
Das tat Humbert nur im zweiten Satz: forschere Returns, krassere Winkel mit der Vorhand, auch mal langsamere Slice-Rückhand oder vor ans Netz. Plötzlich wirkte Zverev unsicher, eine einfache Vorhand landete im Netz, seine Rückhand wackelte. Aber mittlerweile ist er abgebrüht genug, jemandem wie Hubert seinen Plan aufzuzwingen, die Wackel-Momente zu überstehen und so eine Partie, die vor ein paar Jahren enger geworden wäre, souverän 6:2, 2:6, 6:3, 6:2 zu gewinnen. Auch das ist eine weitere Evolution seines Handwerks.
„Ich will noch drei Partien hier spielen“, sagte er danach. Also: Er will ins Endspiel, und natürlich will er das dann auch gewinnen und seinen ersehnten ersten Grand-Slam-Titel verbuchen. Dazu muss er sehr wahrscheinlich etwas leisten, was er noch nicht geschafft hat in seiner Karriere: zwei Siege nacheinander gegen Leute, die ihm in Best-of-five-Sätzen nicht nur einen Satz lang Unerwartetes vorsetzen. Im vergangenen Jahr besiegte er im Viertelfinale Alcaraz – und verlor das Halbfinale gegen den Russen Daniil Medwedew. Nun also folgt erstmal die Pflicht gegen Paul, und vielleicht präsentiert er dann vom Halbfinale an etwas, das man noch nie gesehen hat bei ihm.

