Radsport-Team Astana:Die Rückkehr der Skandalfigur

CHARENTE-MARITIMES, FRANCE - SEPTEMBER 07 : VINOKUROV Alexandr (KAZ) General Manager of ASTANA PRO TEAM arrives at the p; Alexander Winokurow

Alexander Winokurow (li.): Seine erneute Berufung soll bei Astana intern zu Verwerfungen geführt haben.

(Foto: Jan De Meuleneir/Panoramic Internati/imago)

Er war schon ausgebootet, doch nun kommt der frühere Profi Alexander Winokurow als Teamchef zurück zu Astana. Dabei war die kasachische Equipe um eine neue Ausrichtung bemüht. Nun wird über finanzielle Folgen spekuliert.

Von Johannes Aumüller

Die Aufnahme, die Alexander Winokurow im Sommer dem kasachischen Fernsehen zur Verfügung stellte, wirkte ein wenig verstörend. In einem großen und idyllisch anmutenden Garten befand er sich, ab und an übertönten ihn die Geräusche der vorbeifahrenden Autos. Und weil er in ein Smartphone sprach, das er selbst in der Hand hielt, und er sich zugleich ein wenig bewegte, kam es auch zu ein paar verwackelten Bildern. Dabei sollte Winokurows Botschaft doch ganz klar sein, sie ging ungefähr so: Die ganze Entwicklung sei einfach unverständlich, er werde rechtliche Schritte einleiten, danke für die große Unterstützung!

Kurz zuvor war der frühere Skandalprofi und kasachische Volksheld als Führungskraft beim Rad-Team Astana geschasst worden. Bei der Tour de France durfte der 47-Jährige nicht einmal anwesend sein, und alles deutete im Sommer noch darauf hin, dass seine Zeit bei der Equipe vorbei sein würde. Doch als die Mannschaft nun ihre Ausrichtung für die neue Saison verkündete, teilte sie auch mit: Winokurow kehrt wieder zurück - und das sogar als Teamchef, der für alle Entscheidungen über Fahrer, Mitarbeiter und sonstigen Abläufe im Sport-Segment verantwortlich sei.

Dies ist also die nächste Volte in einem der zugleich undurchsichtigsten und faszinierendsten Machtkämpfe, die im Rad-Business toben. Zugleich ist es ein Hinweis darauf, dass der umstrittene Rennstall seine kurze Reise nach Westen schon wieder abgebrochen hat.

Mitte der Nullerjahre war dieses nach dem damaligen Namen von Kasachstans Hauptstadt benannte Projekt entstanden, es sollte dem autoritären Staat als radelnde Werbekolonne dienen und nahm in seinen Anfangsjahren auch Lance Armstrong unter Vertrag. Seit 2012 war der einst wegen Dopings gesperrte Winokurow - unter anderem in Diensten von Telekom und als Teamkollege von Jan Ullrich einer der auffälligsten Fahrer des Pelotons - die nach außen prägende Führungsfigur der Mannschaft. Über Jahre zählte Astana ob seiner vielen Dopingfälle und seines vorbelasteten Personals zu den anrüchigsten Teilnehmern des Betriebes, wenngleich zu den finanzstärksten. Viele Millionen flossen aus staatsnahen Firmen, insbesondere aus dem Fonds Samruk-Kazyna. Dieses Investment mündete unter anderem im Sieg von Vincenzo Nibali bei der Tour de France 2014.

Astana rüstet sich mittlerweile für die 17. Saison im Profibetrieb - mit welchen Fahrern, ist noch unklar

Doch irgendwann begannen die kasachischen Geldgeber, ihre finanziellen Zuwendungen zu reduzieren. Gehaltszahlungen an die Fahrer blieben vorübergehend aus oder wurden verringert, unter anderem während der ersten Monate der Corona-Pandemie. Zudem wurde das Führungsteam neu geordnet, 2019 übernahm die Belgierin Yana Seel, 36, als Geschäftsführerin, obwohl sie mit dem Radsport bis dahin nichts zu tun hatte - recht schnell geriet sie mit manch etabliertem Teammitglied aneinander. Zur Saison 2021 wiederum stieg die kanadische Firma Premier Tech als Anteilseigner ein. Ganz offenkundig ging es auch darum, dass die ominöse Truppe aus dem Osten einen anderen, westlicheren Anstrich bekommt - auch in diesem Kontext war Winokurows sommerliche Ausbootung zu sehen.

Doch nun geht es wieder in die andere Richtung. Kürzlich erklärte Premier Tech, dass es sein Engagement nach der Saison beenden wird. "Leider ist in unseren laufenden Diskussionen und Planungen für die Zukunft klar geworden, dass wir nicht die gleiche Vision teilen. Wir haben keine Einigung erzielen können, die für beide Seiten funktioniert", teilte Firmenchef Jean Bélanger mit. Dabei soll auch eine Rolle gespielt haben, dass es wegen Winokurows künftiger Position unterschiedliche Auffassungen gegeben habe.

So dürfte sich der Rückzug der Kanadier nun wieder auf die finanziellen Ressourcen der Mannschaft auswirken. Zwischendurch stand sogar die Spekulation im Raum, dass die Mannschaft gar nicht mehr existieren könne, dem widersprach das Team nun klar: Die kasachischen Partner hätten die Unterstützung für die neue Saison zugesichert. Es wäre die 17. im Profibetrieb, wobei noch unklar ist, welche Mannschaft Astana für dieses Unterfangen zusammenbekommen kann.

Bereits im Vorjahr zog der damalige Frontmann Miguel Ángel López aus finanziellen Gründen zu Movistar weiter; zur neuen Saison schließt sich Alexander Wlassow, im Frühjahr Vierter beim Giro, der deutschen Bora-Hansgrohe-Mannschaft an. Man beginne erst in den kommenden Tagen damit, die Vertragsverlängerungen und Verpflichtungen offiziell mitzuteilen, so Astana. Als wichtigste Personalie dürfte ohnehin die Rückkehr von Skandalprofi Winokurow gelten.

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