Süddeutsche Zeitung

BBL-Triumph von Alba Berlin:Rosige Aussichten für den deutschen Basketball

Drei Titel in Serie, viele einheimische Profis und ein stolzer Trainer: Albas Triumph über die Bayern folgt einer klaren Philosophie. Auffällig ist auch die wachsende Qualität in der Bundesliga, die vor der Heim-EM Hoffnungen schürt.

Von Ralf Tögel

Es war nicht genau zu erfahren, ob Israel González nassgeschwitzt war nach der Anstrengung in der brütenden Hitze der Münchner Halle - oder er sich eine Dusche mit irgendwelchen Kaltgetränken eingefangen hatte. Wahrscheinlich beides, jedenfalls saß der Trainer der Berliner Basketballer reichlich derangiert in der Pressekonferenz nach dem entscheidenden vierten Finalspiel um die deutsche Basketballmeisterschaft und lächelte glückselig. Um den Hals des 47-Jährigen baumelte die goldene Meisterschaftsmedaille. Gonzàlez hatte sich das obligatorische Meister-T-Shirt übergezogen und wollte gar nicht mehr aufhören, sich zu bedanken.

Bei den Spielern, auf deren Leistungen in einer schwierigen Saison er stolzer nicht sein könne, bei seinem Verein, der ihm als Novizen die Verantwortung des Cheftrainerpostens anvertraut hatte, bei seinem Trainerteam und natürlich bei seinem Vorgänger. Ein bisschen sei dieser Titel auch der von Aito Garcia Reneses, dem großen spanischen Trainer, der nach dem Gewinn der Meisterschaften in den vergangenen beiden Jahren aus gesundheitlichen Gründen ein Sabbatical eingelegt hatte. Auf Twitter entsandte der 75-Jährige umgehend Glückwünsche an seinen Nachfolger, der sein Erbe so erfolgreich fortgeführt und mit dem Double - Alba hat auch den Pokal nach Berlin geholt - den größtmöglichen Erfolg erreicht hatte.

Es war der elfte Titel in der Vereinsgeschichte, der dritte in Serie, mit 96:81 hatten die Berliner das vierte Spiel der Best-of-five-Serie im Audi Dome gewonnen, pikanterweise feierten die Spieler jeden dieser drei Triumphe in der Münchner Halle. Den ersten Matchball nach einer 2:0-Führung mit Siegen zu Hause und in München (86:73 und 71:58) hatten sie am Freitagabend vergeben und sich eine gehörige 60:90-Abreibung eingefangen.

Kaum ein Wurf fand ins Ziel, die Mannschaft zeigte sich vom Aufbäumen der angeschlagenen Gäste beeindruckt, wirkte verunsichert. In München aber waren die Zweifel in den Köpfen der Spieler schnell verflogen, Distanzschütze Jaleen Smith fand sofort zurück zu seiner Treffsicherheit, und Center Johannes Thiemann, der als wertvollster Spieler der Finalserie geehrt wurde, ging mit viel Energie und Entschlossenheit voran. Zur Pause lagen die Gäste mit 52:36 weit vorne, auch das letzte Aufbäumen der Bayern im finalen Viertel wusste der alte und neue Meister zu kontern - Berlin war die bessere Mannschaft.

Der Münchner Kader war in der Finalserie zu sehr ausgedünnt, es fehlte die nötige Energie gegen einen so starken Gegner

Ein Vorwurf ist den Münchnern kaum zu machen, der Kader von Trainer Andrea Trinchieri war in dieser Finalserie doch sehr ausgedünnt. Musste Berlin im Schweden Marcus Eriksson nur auf einen sogenannten Schlüsselspieler verzichten, fehlten den Gastgebern in Darrun Hilliard, Corey Walden, Vladimir Lucic und Leon Radosevic deren vier. Zu viel für die vor der Saison als Favorit gehandelten Bayern, die ihrem Erfolg im internationalen Geschäft Tribut zollen mussten. Dort hatten die Bayern im Euroleague-Viertelfinale, dem besten europäischen Wettbewerb, den großen FC Barcelona am Rande des Ausscheidens. Am Ende war man aber im entscheidenden fünften Spiel bei den Katalanen unterlegen und verpasste hauchdünn den Einzug unter die besten vier Teams des Kontinents. Das hatte viel Kraft gekostet. Auch Alba spielte in der europäischen Königsklasse, nach der Hauptrunde war Schluss.

Nach dem Pokalgewinn im vergangenen Jahr zahlten die Münchner in der Meisterschaft zum zweiten Mal den Preis für ihr international starkes Abschneiden, eine Saison ohne Titel ist für den FC Bayern indes kein akzeptabler Zustand. Da gab Präsident Herbert Hainer offen zu, man werde sich Gedanken machen, wie man diese Belastungen besser steuern könne. Trainer Trinchieri wollte erst gar keine Analyse zulassen, der Blick aufs Parkett und in die Gesichter seiner geschundenen Spieler würde dies verbieten.

In der Tat wurden die Bayern härter getroffen als Berlin in dieser zweiten Corona-Saison. In zwei Wellen hatte das Virus den Kader überrollt, schon in der Vorbereitung mussten wichtige Akteure ersetzt werden, was angesichts der daraus resultierenden Überbelastungen zu ständigen Verletzungen führte. Im Wissen dieser Probleme, so Trinchieri, könne man nur den Hut vor den Leistungen seiner Mannschaft ziehen, basta!

Der Abend hinterließ also zwei stolze Trainer, deren Mannschaften sich in einer intensiven und spannenden Finalserie alles abverlangt hatten. Zufrieden kann auch der deutsche Basketball mit beiden Vertretern sein: Wohl nie zuvor war das Niveau in der Bundesliga höher als derzeit, nie zuvor wurde der deutsche Basketball international besser präsentiert - die Münchner, die zum zweiten Mal hintereinander an der Tür zum europäischen Finalturnier angeklopft haben, die Berliner, die mit ihrer jahrzehntelangen, nachhaltigen Jugendarbeit immer neue Spitzenspieler entwickeln.

Nicht umsonst ist die Zahl an deutschen Spielern in der weltbesten Liga NBA so groß wie nie, was die Aussichten für die bevorstehende Heim-Europameisterschaft in Köln und Berlin (1. bis 18. September) recht rosig erscheinen lässt. Dann darf sich Bundestrainer Gordon Herbert - nicht zuletzt dank Vereinen wie Berlin und München - auf eine ganze Reihe von hochkarätigen Spielern aus der NBA und der Euroleague freuen. Das könnte auch ihn bald stolz machen.

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