Die Meisterschaft oder sonst einen bedeutenden Titel haben sie am Dienstagabend in der Arena am Berliner Ostbahnhof nicht gefeiert, aber es wirkte fast so. Da wedelte der Trainer Israel González wie ein Torero mit den Fäusten Richtung Publikum, da lagen sich lange Kerle in den Armen, da fassten sich die Treuesten der Treuen auf der Tribüne ungläubig an die Wangen. Dieser 105:101-Sieg nach Verlängerung gegen Olimpia Mailand in der Euroleague hatte etwas Identitätsstiftendes, er wärmte nach dem Rumpelstart in die Saison die Empfindungen in der Hauptstadt.
„Mit Leib und Seele“ lautet bekanntlich das Alba-Motto, und wenn man das Geschehen beim erst zweiten Erfolg (bei sieben Pleiten) dieser Spielzeit auf europäischem Parkett verfolgte, hätte man ergänzen können: mit dem Übermut der Jugend und der Kunst der Beharrlichkeit. Er sei einfach „stolz“ auf seine Jungs, wiederholte Coach González bei Magentasport hinterher im Minutentakt. So eine krachende Antwort auf die Krise hatten sie gebraucht in Berlin, denn manches hatte doch sehr geschmerzt zuletzt.
Fehlstart der Alba-Basketballer:Geröll auf dem Berliner Weg
Drittletzter in der Bundesliga: Bei Alba Berlin bestätigen sich die Befürchtungen vor einem Fehlstart in die Saison. Es fällt manch drastisches Wort, der Manager sieht ein eindeutiges Problem.
Einmal mehr abgeschlagen Letzter in der Euroleague, dazu nur Zehnter in der Basketball-Bundesliga (BBL) – und obendrein die halbe Mannschaft verletzt oder anderweitig verhindert. Alba strauchelte zuletzt. Erst der Erfolg gegen die als BBL-Spitzenreiter angereisten Ulmer am Samstag hatte dann ein wenig Auftrieb gegeben. Und manchmal reicht ein Abend, um wieder richtig Fliegen zu lernen. González hatte nach den längeren Ausfällen der Stammspieler Yanni Wetzell, Matt Thomas, Malte Delow, Khalifa Koumadje und Justin Bean hinnehmen müssen, dass auch noch Kapitän Martin Hermannsson, Louis Olinde sowie Will McDowell-White aussetzten. Profis, die kaum zu ersetzen sind. Außer eben bei Alba, wo sie in den vergangenen Jahrzehnten das Improvisieren zum Markenkern gemacht haben.
González selbst hatte den Weg des Trotzes mit einem ungewöhnlich emotionalen Auftritt an der Seitenlinie vorgegeben. „Er ist vorangegangen und hat uns mitgezogen“, erklärte am TV-Mikro der gebürtige Berliner Jonas Mattisseck, der sein bestes Spiel überhaupt in der Euroleague ablieferte: 21 Punkte, darunter fünf Dreier. „Um die Situation zu überstehen, ist die einzige Möglichkeit, diesen Spirit zu bewahren“, erklärte González hinsichtlich der Begleitumstände.
Bei Mailand spielen mehrere Ex-NBA-Profis, bei Alba die Nachwuchsleute Anton Nufer, Amon Dörries oder Elias Rapieque
Es ging gegen die elitär besetzten Italiener (mit den Ex-NBA-Profis Nikola Mirotic, Leandro Bolmaro und Nico Mannion) nur mit einer Leistung aus tiefstem Herzen. Die zeigte auch der junge Italiener Gabriele Procida gegen seine Landsleute, dem 29 Punkte gelangen: „Ich liebe dieses Team, ich liebe diese Jungs“, beschrieb der 22-Jährige den Zusammenhalt, den diesmal auch mehrere Nachwuchsleute sicherstellten. Namen wie Dorian Grosber, 18, Amon Dörries, 18, Anton Nufer, 18, oder Elias Rapieque, 20, stehen für den „Alba-Weg“, immer wieder aus den eigenen Reihen Profis zu entwickeln.
„Wir haben hart gekämpft, mit all den jungen Spielern. Tolles Spiel in einer wahnsinnigen Atmosphäre“, freute sich Procida. So blieb letztlich die Erkenntnis hängen, dass sie sich in Berlin reingefuchst haben in die aktuelle Lage. „Wir haben uns gesagt, es setzt niemand einen Pfennig auf uns. Alles, was wir machen können, ist vollen Einsatz zu zeigen“, beschrieb es Mattisseck. Jetzt gelte es „Wind aufzunehmen“ und den Aufschwung auch mit in die nächsten Aufgaben zu nehmen, wie Alba-Geschäftsführer Marco Baldi fand. Schon am Donnerstag (20 Uhr live bei Magentasport) steigt in München der deutsche Basketballklassiker beim FC Bayern – die Berliner könnten mit einem Sieg sogar den letzten Platz der Euroleague verlassen.