Alba in den Basketball-PlayoffsBerliner Signal nach Nordamerika

Lesezeit: 4 Min.

Der erste Schritt ist geschafft: Die Berliner Will McDowell-White, Malte Delow und Tim Schneider (v.l.) haben die Playoffs erreicht.
Der erste Schritt ist geschafft: Die Berliner Will McDowell-White, Malte Delow und Tim Schneider (v.l.) haben die Playoffs erreicht. (Foto: Tilo Wiedensohler/Camera4+/Imago)

Viele Niederlagen, Trainerentlassung, jetzt gerade so in den Playoffs: Alba Berlin ist längst nicht mehr so gut wie in den Meisterjahren. Das hat auch finanzielle Gründe – den Abschied von der Euroleague begründet man mit deutlichen Worten.

Von Ralf Tögel

Gerade einmal 16 Sekunden trennten die Berliner Basketballer von einer ernst zu nehmenden Konfrontation mit Roland Kaiser. Dem australischen Nationalspieler William McDowell-White und seinen beiden Freiwürfen war es zu verdanken, dass die beiden letzten Dreier der Gäste des Mitteldeutschen Basketball Clubs (MBC) zu spät kamen: Alba Berlin gewann 81:78 und steht zum 35. Mal in den Playoffs um den deutschen Meistertitel. Gleichwohl benötigte der elfmalige deutsche Titelträger erstmals den Umweg über ein Play-in-Duell. Berlin spielt als Siebter in der Best-of-five-Serie gegen Ratiopharm Ulm, den Hauptrundenzweiten.

Was das mit dem Grandseigneur der gepflegten Schlagermusik zu tun hat? Hätte Alba verloren, wäre als letzte Chance auf die K.-o.-Runde das finale Play-in-Spiel um den achten und letzten Startplatz im Titelrennen geblieben – am Donnerstagabend. An jenem aber trällerte der 73-jährige Schlagerbarde in der Arena am Ostbahnhof von Amore und Tränen. Die Basketballer hätten also eine andere Heimstatt finden müssen, angesichts der Berliner Handballer, die in der Max-Schmeling-Halle spielten, schwer möglich.

Film über Basketballerin Sabally
:Eine, die was zu sagen hat

Erst die Wagners, jetzt Satou Sabally: Basketball-Dokus sind angesagt, nun gibt es auch eine über die bedeutendste deutsche Frau – ihre Wirkung geht weit über den Sport hinaus, weil sie ein Deutschland verkörpert, das gerade in Gefahr ist.

SZ PlusVon Jonas Beckenkamp

Es kam nicht so weit, am Samstag startet Alba in das Meisterrennen in Ulm, beim Meister von 2023. Dem Titelverteidiger und Vorrundenprimus FC Bayern sind die Berliner, zuletzt von 2020 bis 2022 nationaler Champion, somit aus dem Weg gegangen, der tritt nun gegen den MBC an.

Darf man dem Alba-Geschäftsführer Glauben schenken, ist es ihm einerlei, gegen wen es geht, das Ziel bleibt dasselbe: „Wir wollen ins Finale“, sagt Marco Baldi, der auf die zweite missratene Saison hintereinander blickt. Im Vorjahr immerhin war sein Team Hauptrundenzweiter und unterlag erst im Finale den Münchnern, in dieser Saison hing sogar das Erreichen der Playoffs am seidenen Faden. Der Sieg im Nachsitzen gegen den Pokalsieger MBC geriet ebenfalls recht zäh.

Immerhin scheint im Saisonendspurt „unsere unfassbare Verletzungsmisere“ ein Ende zu finden, so Baldi. Diese hätte „den für uns üblichen Aufbau mit jungen Spielern“ verhindert. Mitten in der Saison musste Center Christ Koumadje wegen wiederholter Disziplinlosigkeiten gehen, in der Folge hagelte es Niederlagen, die Verunsicherung stieg. Als sogar die BBL-Playoffs immer weiter außer Reichweite gerieten, griff der BBL-Champion der Jahre 2020 bis 2022 zum letzten Mittel und entließ gegen seine Gepflogenheiten Trainer Israel Gonzalez – nach acht Jahren als Assistenz- und Chefcoach. International blieb Alba auch unter Nachfolger Pedro Calles, der wie seinerzeit Gonzalez vom Assistenten zum Chef befördert wurde, nicht konkurrenzfähig.

Was soll ich machen? Alba-Geschäftsführer Marco Baldi sieht die Zukunft seines Vereins nicht mehr in der Euroleague.
Was soll ich machen? Alba-Geschäftsführer Marco Baldi sieht die Zukunft seines Vereins nicht mehr in der Euroleague. (Foto: Tilo Wiedensohler/Camera4+/Imago)

Nun weise der Pfeil nach oben, findet Baldi, auch weil die Doppelbelastung von nationalem und internationalem Wettbewerb ausbleibe. Der Euroleague, Europas hochwertigstem Wettbewerb, war Alba als abgeschlagenes Schlusslicht erneut nicht gewachsen, weder sportlich noch finanziell. Albas Etat liegt bei knapp 15 Millionen Euro, die absoluten Topteams planen mit mehr als dem Dreifachen. Die Kader haben eine entsprechende Größe und Qualität. Was zu einer weiteren richtungsweisenden Entscheidung führte: Berlin wird keine neue Wildcard für die Euroleague beantragen, hat sich vielmehr dem drittklassigen internationalen Wettbewerb Champions League angeschlossen.

Diese findet unter dem Dach des Weltverbands Fiba statt, der über den prominenten Neuling frohlockt. Für die Euroleague hätten die Berliner mindestens fünf Millionen Euro für eine dreijährige Verlängerung der Teilnahme berappen müssen, ohne jedes Recht auf finanzielle Teilhabe an generierten Geldern. Diese Preise sind dem Vernehmen nach wegen ausbleibenden Interesses bereits gefallen, Baldi spricht von einem „Basar“. Die Verärgerung der Berliner ist nachvollziehbar. Die Euroleague ist ein privatwirtschaftlicher Zusammenschluss von  13 Vereinen, in dieser Saison spielten weitere sechs Teams per Wildcard. Alba war eine Lizenz und damit die permanente Teilnahme in Aussicht gestellt, laut Baldi waren alle Unterlagen eingereicht und genehmigt. Doch das sei vom Tisch, seit dem Führungswechsel vor drei Jahren vom Spanier Jordi Bertomeu, der die Euroleague als Präsident  22 Jahre lang geführt und entwickelt hatte, zum Serben Dejan Bodiroga. Stattdessen gab es das Angebot, sich teuer einkaufen zu dürfen.

Baldi sieht bei der Euroleague keine Strategie und für Alba bei einer weiteren Verpflichtung eine existenzielle Gefahr

„Ich sehe keine nachhaltige Strategie und für uns keine Perspektive“, sagt Baldi, zumal 2026 alle Lizenzen der Klubs auslaufen und neu verhandelt werden müssen. Schon jetzt herrsche eine Zweiklassengesellschaft, die Alba bei einer weiteren Verpflichtung für diesen Wettbewerb an den Rand der Existenz führen könnte. Baldi schätzt die Euroleague zwar als den Wettbewerb mit dem besten Basketball, dennoch müsse er an seinen Verein denken, den er nicht in eine unsichere Zukunft schicken will, „in der wir die Fäden nicht mehr in der Hand haben“.

Die Zusage an die Champions League ist auch ein Signal in Richtung NBA, die längst Pläne öffentlich gemacht hat, auf den europäischen Markt zu expandieren. Denn eine kontinentale Abteilung der nordamerikanischen Profiliga, die nach wie vor das Ende der Fresskette darstellt, soll in Zusammenarbeit mit der Fiba entstehen und Teams in europäischen Großstädten beherbergen. Berlin wurde diesbezüglich als Adresse genannt. Allerdings hält Baldi den Plan von NBA-Commissioner Adam Silver, dass der NBA-Ableger schon 2026 starten soll, für nicht realisierbar.  Dieses Datum dürfte vielmehr als Zeichen an die Lizenzeigner der Euroleague gewertet werden, die wegen der auslaufenden Verträge nicht mehr gebunden wären. Silver hat Namen wie Madrid, Barcelona und auch die Münchner Bayern ins Spiel gebracht.

Noch sind dies Gedankenspiele, Parameter wie Vereine, Standorte oder Finanzierung weiter unklar. Baldi möchte sich auch nicht an Wasserstandsmeldungen beteiligen. Der Berliner Manager ist aber überzeugt, dass „sich die europäische Basketballlandschaft verändern wird“. Und bei der Euroleague sieht er keine Planungen über 2026 hinaus: „Dann wird jemand anderes dieses Feld besetzen.“ Er sei schon länger in Gesprächen mit den Beteiligten und überzeugt, dass die Entwicklung in Richtung Fiba und NBA gehen wird, weshalb er sich wünsche, „dass wir dort dabei sind, wo etwas Nachhaltiges entsteht“.

Vorerst aber geht es gegen Ulm (Samstag, 18.30 Uhr), das den Heimvorteil hat und sich zuletzt in prächtiger Form zeigte. Alba immerhin reist mit einer Serie von 8:1 Siegen zu den Schwaben und zählt hierzulande immer noch zu den Teams, die niemand als Gegner haben möchte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Marco Baldi im Interview
:„Letzter in der Euroleague – das hat uns überhaupt nicht gefallen“

Zum Start der Basketball-Saison erklärt Alba-Geschäftsführer Marco Baldi, warum Bayern München nicht selbstverständlich Meister wird – und wie groß der Abstand der Berliner zu Europas Spitze ist.

SZ PlusInterview von Ralf Tögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: