Ajax Amsterdam:Kampf den Quengel-Kindern

Ajax Amsterdam: Kein rein niederländisches Phänomen: Auch in deutschen Stadien sollen schon Profis um Trikots gebeten worden sein.

Kein rein niederländisches Phänomen: Auch in deutschen Stadien sollen schon Profis um Trikots gebeten worden sein.

(Foto: Jürgen Kessler/Imago)

Ajax Amsterdam will gegen Schilder vorgehen, mit denen junge Fans ihre Idole um Trikots bitten. Ist es das Ende eines brutalen Wettbewerbs, der nur die Habgier nährt?

Glosse von Philipp Selldorf

Kinder, die ihre Wünsche durch dauerhaftes Quengeln zum Ausdruck bringen, stellen oft ein vielfältiges Ärgernis dar: In privater Umgebung wirkt es sich als erzieherische Herausforderung und im öffentlichen Raum zudem als Ruhestörung aus. Es handelt sich allerdings um eines dieser Probleme, mit denen sich die Gesellschaft geduldig arrangieren muss. Kinder jammern, nörgeln, quengeln und betteln, um ihre Ziele zu erreichen, das war vermutlich bereits bei den Höhlenbewohnern so. Nur die Unmenschen unter den Urahnen wären aber auf die Idee gekommen, wegen der Jammerei einen Höhlenverweis auszusprechen - schon allein deswegen, weil draußen der Säbelzahntiger umherstreifte.

Heutzutage genießen Kinder umfassende Rechte und werden von militanten Lobbyisten geschützt. Sie müssen keine Sanktionen mehr fürchten, wenn sie marodierend durch den Supermarkt ziehen und ihre Eltern zum Kauf von Prinz-Poldi-Keksen zwingen. Kein Kaufmann würde es wagen, sie deswegen vor die Tür zu setzen. Kein anderer Kunde würde sich trauen, über Belästigung zu klagen.

Daher ist es eine mutige Tat, dass Ajax Amsterdam jetzt den Quengel-Kindern den Kampf angesagt hat. Der niederländische Fußballklub will künftig keine sogenannten "Darf-ich-Dein-Trikot"- Schilder mehr im Stadion dulden. Das Ordnungspersonal ist angehalten, an den Zugängen der Johan-Cruyff-Arena entsprechende Schilder, Plakate oder Tücher zu konfiszieren.

Die Sache hat unschuldig begonnen - und ist nun ein Wettbewerb, der Todsünden nährt

Begründung des Klubs: Die vorwiegend von Kindern vorgebrachten Bittstellungen seien allzu sehr in Mode gekommen, zu viele Petitionen seien zuletzt auf den Tribünen aufgetaucht. Die Spieler müssten oft wütende Reaktionen ertragen, weil sie die Wünsche nicht erfüllen könnten. Und wenn ein Profi sein Trikot hergeschenkt habe, werde damit immer wieder Missbrauch getrieben: Die Kinder - oder deren Eltern - verkauften es dann meistbietend im Internet. Auch habe es schon Rangeleien oder gar Prügeleien gegeben, nachdem ein Trikot über den Zaun gereicht wurde.

Jeder dieser Gründe gibt einem zu denken. Die Sache hat irgendwann ganz harmlos angefangen, als ein unschuldiges Kind ein nettes Plakat gemalt hat, um den Lieblingsspieler anzusprechen, vielleicht noch mit einem Herzchen geschmückt. Inzwischen ist daraus in Europas Stadien ein brutaler Verdrängungswettbewerb geworden, der unter anderem die Todsünde der Habgier nährt und in den Köpfen der Minderjährigen Gewalt sät. Ajax Amsterdam ist daher ausdrücklich zu danken für dieses Verbot, das nicht nur ein Dienst am Fußball, sondern auch an der Pädagogik ist.

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