Afrikas Fußballverband:24 Millionen Dollar versickert?

Afrikas Fußballverband: Seite an Seite in den Abgrund: Fifa-Präsident Gianni Infantino (links) und Caf-Chef Ahmad Ahmad 2018.

Seite an Seite in den Abgrund: Fifa-Präsident Gianni Infantino (links) und Caf-Chef Ahmad Ahmad 2018.

(Foto: Abdeljalil Bounhar/AP)
  • Ein Bericht enthüllt, wie unter Afrikas Fußballchef Ahmad Ahmad - seit 2017 im Amt - zwischen 2017 und 2019 rund 24 Millionen Dollar versickert sein sollen.
  • Fifa-Präsident Gianni Infantino hatte dem unbekannten, schon damals stark belasteten Ahmad an die Spitze des afrikanischen Verbandes Caf geholfen.
  • Mit Sanktionen gegen den Caf-Chef tut sich die Fifa enorm schwer.

Von Thomas Kistner

Ein halbes Jahr lang hat die Fifa ihr, wie sie es sieht, segensreiches Wirken über den Afrika-Verband Caf entfaltet. Anfang Februar wurde sie dort vor die Tür gesetzt. Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura, die im August 2019 als eine Art Statthalterin über den chaotischen Erdteilverband eingesetzt worden war, musste zurück nach Zürich.

Nun erfolgt just von dort eine Attacke gegen ehemalige und aktuelle Caf-Topfunktionäre. Die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) legen einen vernichtenden Finanzbericht vor: Zwischen 2017 und 2019 sollen rund 24 Millionen Dollar in teils dunkle, teils unbekannte Kanäle versickert sein. Dies bestätigt der frühere Caf-Vorstand Musa Bility, der Einsicht in den Report hatte, auf Anfrage. Die Fifa räumte dazu gestern auf Anfrage ein, dass ihr der PwC-Bericht bekannt sei; sie sammle nun "zusätzliche Informationen". Sie stehe überdies "in Kontakt mit Behörden auf der ganzen Welt und tauscht Informationen aus, um deren Arbeit zu unterstützen".

Am Sonntag hatte die New York Times über die Vorwürfe, die Bility tags zuvor in einer Erklärung erhoben hatte, berichtet. Demnach habe die Fifa im besagten Zeitraum 51 Millionen Dollar an den Caf überwiesen, 24 Millionen davon seien an Funktionäre ausgezahlt worden. Zu 40 Zahlungen über insgesamt zehn Millionen Dollar stellten die Prüfer fest, dass nur bei fünf dieser Anweisungen der Verwendungszweck ausreichend testiert sei. Zum großen Rest fehlten solche Informationen, in einigen Fällen sei es sogar unmöglich, die Begünstigten der Mittel zu identifizieren. Kritisiert werden auch häufige handschriftliche Veränderungen auf gewissen Belegen.

Höchste Zeit für ein Ethikverfahren

Er sei "schockiert, obwohl das meine Befürchtungen bestätigt", teilte Bility mit. Der vormalige Fußballchef Liberias hatte die Sonderprüfung im Mai 2019 mit angeschoben, nachdem einigen Funktionären die "unklaren Entlassungen" von Caf-Angestellten aufgefallen waren - von Leuten, die Einblick in die Finanzen hatten. Wenig später wurde Bility von der Fifa gesperrt: wegen angeblicher Veruntreuung von Fußballgeld. Bility geht dagegen juristisch vor.

Was im Vergleich dazu auffällt: Mit Sanktionen gegen den Caf-Chef tut sich die Fifa enorm schwer. Dabei fällt das Desaster in die Ägide des 2017 ans Ruder gelangten Ahmad Ahmad, 60. Gegen den Mann aus Madagaskar, eines der ärmsten Länder Afrikas, liegt überdies seit einem Jahr ein gewaltiges Anklagekompendium beim Fifa-Ethikkomitee. Die Hinweise auf Korruption, aber auch auf sexuelle Belästigung wirken erdrückend. Am Montag teilte die Fifa mit, sie liefere ihren sogenannten "unabhängigen Gremien alle Zusatzinformationen, die für das interne Ethikverfahren relevant sein könnten".

Da wird es höchste Zeit. Ahmad, der alle Vorwürfe bestreitet, war Mitte 2019 sogar schon von der Pariser Staatsanwaltschaft für Finanzverbrechen verhört worden, wegen Zahlungen an die in Frankreich ansässige Ausrüsterfirma Tactical Steel, mit der ein Freund Ahmads verbandelt ist. Auch für diese Ermittlung liefert der Report neue Nahrung. Der SZ teilt Bility nun mit, die heftigste PwC-Passage beziehe sich auf den Verbleib von "sechs Millionen Dollar, für die es nur Mails gibt zwischen Ahmads Büro und Tactical Steele. Kein Vertrag. Keine Rechnung. Nichts." Sollte sich bewahrheiten, dass in Ahmads Caf Millionen versickert sind - in Funktionärstaschen, für Reisen, Hochzeiten, Begräbnisse -, wäre wohl erneut die US-Justiz gefragt. Die war 2015 in Züricher Nobelhotels eingerückt und hatte Fußballoffizielle festgesetzt; viele wurden später in New York verurteilt. Auch dort ging es um Misswirtschaft, allerdings im Verband Lateinamerikas; das juristische Beben fegte die alte Fifa-Spitze um Sepp Blatter hinweg.

Allerdings brachte es dann in Gianni Infantino den nächsten Schweizer Autokraten an die Spitze. Einen, dessen Arbeitsstil heute noch mehr Fragen aufwirft als der seines Vorgängers.

Eine Klub-WM, wie sie der Fifa vorschwebt, kann es ohne Uefa und Conmebol nicht geben

Infantino, seit 2016 im Amt, half dem unbekannten, schon damals stark belasteten Ahmad an die Caf-Spitze. Der Afrika-Verband allein mit seinen 56 Nationalverbänden sichert ja einem Fifa-Boss die halbe Wahl, und das Gros der Caf-Vertreter ist traditionell empfänglich für Entwicklungshilfen. 2017 eroberte Ahmad den Caf-Thron; im Jahr zuvor hatte er Infantino eine persönliche Vertraute zugeführt: Fatma Samoura, 57. Zwar hatte die langjährige UN-Mitarbeiterin nie irgendeinen Fachbezug zum Sport, trotzdem machte Infantino sie zur obersten Fifa-Hauptamtlichen.

Als Ahmad 2019 ins Visier Pariser Fahnder geriet, forcierte die Fifa keineswegs die Bearbeitung der Akte Ahmad durch ihre Ethiker. Vielmehr vernahm sie einen bizarren Hilferuf aus Afrika: Man möge die Generalsekretärin, Ahmads Vertraute Samoura, als Regentin in die Caf-Zentrale nach Kairo schicken. Das geschah - aber bald kam es zum Bruch der alten Verbündeten. Samoura soll etwa versucht haben, im Caf die beliebten Cash-Zahlungen zu unterbinden.

Für ein Misstrauensvotum würde eine einfache Mehrheit reichen

Die Verwerfungen in Afrika treffen Infantino zur Unzeit. Im Weltfußball versucht er gerade hartnäckig, die werthaltigsten Rechte an Investoren zu veräußern. Gut dokumentiert ist das in einem Arbeitspapier, das die SZ 2018 publizierte. Darin hatte er den Ausverkauf fast aller Fifa-Rechte für 25 Milliarden Dollar an einen arabischen Investorenstab skizziert; für ihn selbst war in der neuen Rechte-Agentur der Job als Aufsichtsratschef geplant.

Der Deal scheiterte damals am Widerstand der Europa-Union Uefa. Seither versucht Infantino, die weltbesten Großklubs für ein Superliga-Format unterm Dach der Fifa zu gewinnen - was die Kontinentalverbände ihrer Haupteinnahmequellen berauben würde. In Europa etwa sieht die Uefa ihre Champions League bedroht. Erste Schritte sind getan, im Herbst rief in der Zürcher Fifa-Zentrale Real Madrids Klubchef Florentino Perez einen Weltverbund der Großklubs ins Leben. Und in Hinblick auf die kurzfristig von sieben auf 25 Teilnehmerteams aufgeblähte Klub-WM 2021 in China ließ Infantino Rechtefirmen diskret Konzepte für neue Turnierformate erstellen.

Aber mit dem jüngsten Alleingang düpierte er neben der Uefa auch den Südamerika-Verband Conmebol. Dessen Boss Alejandro Dominguez, vormals Infantinos Getreer, trifft sich am Mittwoch in Nyon mit der Uefa-Spitze um Aleksander Ceferin, auf der Agenda steht das gemeinsame Vorgehen in Sachen Klub-WM. Die kann es ohne Uefa und Conmebol kaum geben. sie allein verfügen über global attraktive Vereine. In Wartestellung ist zudem der Asien-Verband AFC. Der wies Infantinos Versuch, in der asiatischen Hemisphäre neue Klub-Formate anzuzetteln, schon im Herbst zurück. Sollte dieses Trio paktieren, während Infantinos Afrikaner im Chaos versinken, wäre beim Fifa-Kongress im Juni in Addis Abeba sogar ein Umsturz möglich. Für ein Misstrauensvotum gegen den Präsidenten, der zentrale Fußballregionen verprellt, würde eine einfache Mehrheit reichen.

Womöglich erklärt das Infantinos jüngstes Angebot an die Caf: Noch am 1. Februar hatte er in Marokko geschwärmt, man wolle eine Milliarde Dollar am Finanzmarkt erlösen und in Afrikas Fußball stecken. Aber der PwC-Report dürfte Investoren eher abschrecken. Und seinen einzigen Milliardenpartner hat der Caf jüngst ja ausgerechnet unter Samouras Fifa-Regie verloren: Gekündigt wurde der TV-Vertrag mit der Agentur Lagardère. Dafür will der Pariser Rechtekonzern nun 90 Millionen Dollar Entschädigung. Und Afrikas Fußball? Der steht jetzt ohne TV-Sender dar, weshalb die WM-Qualifikationsspiele für Katar 2022 in den Herbst verschoben werden mussten.

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