Afrika-Cup:"Dieser Sieg bedeutet mir mehr als die Champions League"

Lesezeit: 3 min

Mo Salah weint, Liverpool-Kumpel Sadio Mané ist der Held: Senegals Final-Triumph gegen Ägypten ist der Schlusspunkt eines Turniers mit viel Rumpelfußball - und einem Sieger mit besonderen Qualitäten.

Von Jonas Beckenkamp

In diesen Schuss legte Sadio Mané sein ganzes Leben, das konnte jeder erkennen, der schon mal einen stramm geschossenen Elfmeter gesehen hat: meterlanger Anlauf, polternde Schritte, Einschlag unten links. Fast riss das Netz das Gehäuse um, so sehr zerrten die Kräfte dieses finalen Schusses an den Torbefestigungen. Es war das 4:2 im Endspiel um den Afrika-Cup, die Entscheidung einer Partie, die in ihrer Zuspitzung alle Beteiligten nervlich ans Ende gebracht hatte.

Die bekanntesten Protagonisten dieses Turniers, Mané und Mo Salah, sein Stürmerkumpel vom FC Liverpool, hingen sich in den Armen. Der Ägypter schluchzte, der Senegalese tröstete. Zwei Gladiatoren des Weltfußballs, zwei Schicksale, die sich in Kameruns Hauptstadt Yaoundé auf dramatische Weise kreuzten: Der Sieger hieß Mané, weil er sich für seinen Elfmeter-Fehlschuss in der Anfangsphase dieses Finales (7. Minute) am Ende triumphal rehabilitierte. Der Verlierer war Salah, der als Nationalspieler vorerst den Makel des Unvollendeten behält.

Das Finale am Sonntagabend folgte der unansehnlichen Blaupause, die dieser Afrika-Cup bis dahin gezeichnet hatte: Es stand 0:0 nach 120 Minuten, schon zum sechsten Mal in der K.-o.-Phase des Turniers. Wieder war es ein zäher Krampf, ein Gewürge mit mehr Spielunterbrechungen, als Fußballgenießer gut ertragen können. Aber das ist dem Sieger im Glücksrausch egal: "Ich bin so unfassbar stolz, das ist der beste Moment meines Lebens", sagte Mané, "dieser Sieg bedeutet mir mehr als die Champions League." Anderntags ließ der Senegal-Stürmer sogar Bilder von sich mit dem Pokal im Bett verbreiten.

Senegal gewinnt erstmals überhaupt den Afrika-Cup

Die Geschichte Manés, der drei Turniertore zu Senegals Titelpremiere beisteuerte, ist bekannt: Einst hatte er sein Heimatdorf zu Fuß, in Schlabbershorts und ohne Geld in Richtung Dakar verlassen, um Fußballprofi zu werden. Jetzt, im Moment der Vollendung, zeigte er Mitleid mit Salah, der nach 2017 sein zweites Endspiel mit Ägypten verlor: "Ich weiß, wie ihn das schmerzt", sagte Mané, "aber er wird das verkraften, er ist ein Champion." Sieben Mal hat Rekordsieger Ägypten den Cup bereits gewonnen, zum bisher letzten Mal allerdings 2010 - damals noch ohne Salah. Für den Senegal war es der erste Triumph überhaupt.

Blickt man auf dieses Turnier in Kamerun zurück, dann sind die Senegalesen ein sehr verdienter Sieger. Zwar hatte die Mannschaft - wie alle anderen und trotz Mané - Probleme mit dem Toreschießen. Doch man präsentierte sich als gefestigte, eifrig werkelnde Einheit, mit Einzelspielern von gehobener Klasse. Senegals Fußball ist geprägt von Könnern aus der englischen Premier League und anderen Europa-Legionären, viele Spieler wurden in Frankreich geboren oder verbrachten ihre gesamte Karriere im Ausland.

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Dass die Nationalmannschaft des Senegal beim Afrika-Cup erneut im Finale steht und auf Ägypten trifft, das liegt auch an hierzulande bekannten Fußballern - diesmal soll es endlich klappen mit dem Titelgewinn.

Von Jonas Beckenkamp

Hinten bewährte sich Welttorhüter Édouard Mendy (FC Chelsea) auch im Finale als Rückhalt der Senegalesen, er parierte im Elfmeterschießen Ägyptens dritten Versuch durch Mohanad Lasheen. In der Abwehr zeigte FC-Bayern-Profi Bouna Sarr (abgesehen von seinem verschossenen Elfmeter im Finale) neben dem früheren Dortmunder Abdou Diallo und Neapels Kalidou Koulibaly solides Handwerk. Im Mittelfeld organisierten Nampalys Mendy (Leicester City) und Idrissa Gueye (Paris St.-Germain) das Geschehen. Und vorne brachte neben Mané auch Marseille-Stürmer Bamba Dieng punktuell Schärfe in Senegals Offensive. Sie war in der Ausscheidungsrunde der größte Pluspunkt für Afrikas bestplatzierte Elf in der Fifa-Weltrangliste (Platz 20) - gegenüber dem Rumpelfußball der Konkurrenten.

Und noch ein Faktor hob die Senegalesen ab: Während anderswo in Afrika ausländische Trainer kommen und gehen wie die Launen eines Herbsttages, setzt man beim Turniersieger aus Westafrika seit mehr als sieben Jahren auf einen Mann aus der Heimat: Aliou Cissé, 45, ehemaliger Nationalspieler und Dreadlocks-Stoiker, dessen Werdegang als Assistent und Nachwuchstrainer ihn geradlinig ins Amt führte. Er hatte sein Team gut vorbereitet, auch aufs größtmögliche Drama.

Einer aus den eigenen Reihen: Trainer Aliou Cissé spielt einst selbst für den Senegal. (Foto: Sunday Alamba/dpa)

"Wir haben alle Szenarios durchgespielt: 90 Minuten, 120, Elfmeterschießen", erklärte er, "und wir waren uns immer gewiss, dass wir es ins Ziel schaffen." Den Zusammenhalt lobte auch Mané, der in der Anfangsphase mit einem Foulelfmeter an Ägyptens Keeper Abou Gabal gescheitert war. "Ich war überhaupt nicht glücklich, denn sonst verwandle ich meine Strafstöße - aber meine Teamkollegen haben heute den Unterschied gemacht."

Das war in eigener Sache natürlich sympathisch untertrieben, denn als es am Ende zählte, trat Mané zum Showdown erneut an. Und während Salah als fünfter Schütze gar nicht mehr zum Zug kam, besorgte Mané seinem Land den Titel. Mit einem Schuss, der noch lange nachhallen wird.

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