Süddeutsche Zeitung

Senegal beim Afrika-Cup:Als Aliou Cissé in Bamako einen Eid schwor

  • Am Freitagabend (21 Uhr) trifft Senegals Nationalmannschaft im Finale des Afrika-Cups auf Algerien.
  • Für Senegals Trainer Aliou Cissé ist es ein ganz besonderes Spiel.
  • 2002 stand der heute 43-Jährige schon einmal als Spieler im Endspiel - doch ihm unterlief im Elfmeterschießen der entscheidende Fehler.

Von Javier Cáceres

Die Erinnerung schwingt immer mit, auch im Fußball. Und wenn sich an diesem Freitag in Kairo die Teams des Senegal und Algeriens im Finale des Afrika-Cups gegenüberstehen, ist das in besonderer Weise der Fall. Anders als die Algerier, die das Kontinentalturnier immerhin ein Mal gewinnen konnten (1990 in Algerien), können die Senegalesen auf nur eine Finalteilnahme zurückblicken (2002 in Mali). Und die Erinnerung daran schmerzt - vor allem ihren Trainer Aliou Cissé.

Damals verlor Senegal beim Turnier in Mali das Endspiel von Bamako auf die tragische Weise, die K.-o.-Spiele bereithalten. Gegen die Mannschaft aus Kamerun, die damals in den berühmten ärmellosen Trikots auflief und von einem Mann mit blonder Mähne trainiert wurde, dem ehemaligen Bundesliga-Profi Winfried Schäfer.

Die Spieler brachen auf dem Feld zusammen

Cissé, Kapitän des Senegal, hätte das Elfmeterschießen zumindest in die Länge ziehen können. Doch seinen schwachen Schuss in die linke Ecke parierte Kameruns Torwart mit dem Fuß; Schäfer durfte jubeln, weil es damit beim 3:2 für seine Mannschaft blieb. An der Seitenlinie rutschte ihm im Freudentaumel das blaue Oberhemd aus der Hose, Cissé und seine Kameraden brachen auf dem Feld zusammen, man kann das in Youtube-Videos anschauen. Was man nicht hören kann, ist, was der frühere senegalesische Mittelfeldspieler Salif Diao der Zeitung L'Équipe anvertraute. Noch in der Nacht habe Cissé, heute 43, ihm gegenüber einen Eid geleistet: "Ich habe eine Hand auf diesem Pokal gehabt, und er ist mir entwischt", habe der Kapitän gesagt. "Aber ich schwöre dir, ich werde ihn für mein Volk gewinnen. Als Spieler oder als Trainer."

Dass er nun diesem Ziel als Coach näher gekommen ist, kann man bemerkenswert nennen. So viele afrikanische Ex-Profis, die in ihr Heimatland zurückkehren und versuchen, ihre Erfahrungen aus dem europäischen Profifußball als Coach einzubringen (Cissé spielte vor allem in Frankreich) und dann auch noch erfolgreich sind, gibt es nicht. Kurioserweise ist der Fall beim Endspielgegner Algerien ähnlich: auch dessen Trainer Djamel Belmadi, ebenfalls 43, ist so etwas wie ein Rückkehrer. Belmadi wurde in Frankreich geboren, im Pariser Vorort Champigny-sur-Marne, wo wiederum Cissé als Sohn senegalesischer Einwanderer aufwuchs. Seine Eltern waren dorthin gezogen, als er neun Jahre alt war, sie lebten in einem Viertel, das nur zwei Kilometer von Belmadis damaligem Elternhaus entfernt war.

Nachweislich aufeinander trafen die beiden aber erst im Jahr 2001 in der ersten französischen Liga bei Duellen zwischen Olympique Marseille, wo Belmadi spielte, und Cissés Klub Paris Saint-Germain. Kaum ein Jahr später war Cissé dann als Kapitän der Senegalesen am bislang überraschendsten Erfolg seines Landes beteiligt: Bei der WM in Japan und Korea siegte Senegal mit 1:0 gegen Frankreich, den Weltmeister von 1998.

Ganz so erfolgreich wie Cissé war Belmadi als Nationalspieler nicht, 2004 nahm er immerhin an einem Afrika-Cup teil. Aber: Dass der Afrika-Cup in Kairo nun die beiden "Nachbarn" zusammenführt, bewirkt eine seltene Konstellation. Erstmals seit dem Finale 1998 (Ägypten-Südafrika, 2:0) sitzen zwei afrikanische Cheftrainer bei den Finalisten auf der Bank. In 31 Afrika-Cup-Endspielen gewannen 16 Mannschaften mit nichtafrikanischen Trainern.

Cissé hatte das Traineramt 2015 vom Franzosen Alain Giresse übernommen, den er nun im Halbfinale ausschaltete, Senegal gewann gegen Tunesien. Wenn man Cissé nach dieser Partie etwas attestieren konnte, dann vor allem dies: Er hat für überragende Disziplin gesorgt. Senegal hat im ganzen Turnier nur einen Gegentreffer hinnehmen musste, im Gruppenspiel-Duell gegen Algerien (0:1). Cissé hat darüber hinaus auch ein Klima des Zusammenhalts geschaffen, das über das Normale hinauszugehen scheint.

Das Image von Cissé als Schleifer

Das beste Indiz dafür ist die Unterbringung. Während die Algerier in einem Fünfsterne-Hotel Kairos logieren, halten sich die Senegalesen seit vier Wochen in einem Quartier mit Schullandheim-Atmosphäre auf. Die spartanische Logis, die ganz dem Image von Cissé als Schleifer entspricht, tat dem Erfolg keinen Abbruch - obwohl auch die Senegalesen Profis sind, die mit den Annehmlichkeiten des europäischen Vereinsfußballs vertraut sind. Auch wenn nicht alle so große Namen haben wie Sadio Mané, der im Sommer mit dem FC Liverpool Champions-League-Sieger wurde.

Im Finale gegen Algerien ist Mané besonders gefordert, auch weil Cissé auf einen seiner wichtigsten Spieler verzichten muss. Abwehrchef Kalidou Koulibaly (SSC Neapel) ist gelbgesperrt. Mané, 27, hat drei Tore erzielt und seinem in England geläufigen Spitznamen "the Main man Mané" alle Ehre gemacht, er war die überragende Figur in einer ansonsten fußballerisch nur bedingt brillierenden Mannschaft. Mané vergab zwar zwei von drei Elfmetern, die Senegal im Laufe des Turniers zugesprochen wurden. Seinem Traum, den Ballon D'Or Afrikas für 2019 zu gewinnen, die Auszeichnung zum besten Spieler des Kontinents, ist er beim Afrika-Cup aber näher gekommen - mehr noch als der Algerier Riyad Mahrez (Manchester City) oder der Ägypter Mo Salah (Liverpool).

Noch größer aber ist Manés Traum, mit dem Afrika-Cup nach Dakar zurückzukehren. Er würde alles dafür geben, sogar den Champions-Leauge-Pokal eintauschen, vertraute er der Zeitschrift France Football vor dem Turnier an. Denn er weiß, dass er damit die Erinnerung an Mali 2002 wohl vergessen machen würde.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2019/sonn
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