Madagaskar beim Afrika-Cup:"Keiner kennt uns, vielleicht nur den Film Madagascar"

Madagaskar beim Afrika-Cup: Die madagassischen Spieler feiern den Einzug ins Viertelfinale.

Die madagassischen Spieler feiern den Einzug ins Viertelfinale.

(Foto: AFP)
  • Madagaskar hat als krasser Außenseiter das Viertelfinale des Afrika-Cups erreicht.
  • "Die Mannschaft funktioniert gut, der Rest nicht", Madagaskars Nationaltrainer Nicolas Dupuis.
  • Sein Team muss mit großen Widrigkeiten kämpfen.

Von Sebastian Fischer

Dass die Menschen bislang eher nicht an Fußball dachten, wenn sie Madagaskar hörten, war einem der besten Fußballer der Insel längst klar. "Keiner kennt uns", sagte Anicet Andrianantenaina vor ein paar Tagen über sein Team. "Vielleicht nur den Film Madagascar", fügte er hinzu. Doch Andrianantenaina, übrigens ein Mitspieler von Arohasina Andrianarimanana und Charles Andriamatsinoro, sagte dies beim Afrika-Cup, das Zitat ging um die Welt. Der madagassische Fußball gewinnt gerade sehr an Bekanntheit.

Der 32. Afrika-Cup ist umstritten. Bereits die Vergabe nach Ägypten war wegen Menschenrechtsverletzungen im Land ein Politikum. Und der Präsident des Kontinentalverbands Caf, Ahmad Ahmad, wurde vor dem Turnier wegen Korruptionsvorwürfen verhört. Eine märchenhafte sportliche Geschichte kommt da zur Abwechslung gelegen: An diesem Donnerstag steht Madagaskar, Nummer 108 der Weltrangliste, bei seiner ersten Turnierteilnahme im Viertelfinale gegen Tunesien. Und es geht vielleicht gar um mehr als um glückliche Außenseitersiege.

Madagaskar, das sich unter anderem mit einem 3:3 gegen Luxemburg auf das Turnier vorbereitet hatte, schlug nach einem 2:2 gegen Guinea zum Auftakt in der Gruppenphase zunächst Burundi 1:0, dann Nigeria 2:0 und warf im Achtelfinale die Demokratische Republik Kongo mit 6:4 nach Elfmeterschießen aus dem Wettbewerb. Madagaskar hatte zwar Glück, schon zur Pause hatte Kongo fast dreimal so oft aufs Tor geschossen. Aber der Außenseiter verdiente sich mit einer offensiven, auf Ballbesitz ausgelegten Spielweise und physischer Stärke auch viel Respekt.

Und so beginnen die Erklärungen für den Erfolg mit Nicolas Dupuis, 51, aus der Auvergne. Er trainiert den französischen Viertligisten FC Fleury - und Madagaskars Nationalmannschaft.

Der größte Inselstaat Afrikas, für seine Natur bekannt, ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt, mehr als drei Viertel der Bevölkerung leben in Armut. Fußball ist zwar beliebt, aber die Bedingungen sind widrig. Die meisten Nationalspieler sind Profis im Ausland, viele spielen in Frankreich, nur wenige in der heimischen, nach der Brauerei "Three Horses Beer" benannten und in Regionalturnieren organisierten Liga. Die Leitung des klammen Landesverbands FMF wurde 2018 von der Fifa durch ein sogenanntes Normalisierungskomitee ersetzt. Vorstandswahlen hätten nicht den Regeln für Mitgliedsländer entsprochen, teilte der Weltverband damals mit.

Auf der Verbandswebsite steht eine Kontonummer: für Spenden an die Nationalmannschaft

Von 2003 bis 2017, bis er den Kontinentalverband Caf übernahm, hatte der Madagasse Ahmad seinen Landesverband geführt, ein Vertrauter von Fifa-Präsident Gianni Infantino. In seinem neuen Amt wird Ahmad unter anderem ein seltsamer, für den Caf mit 800 000 Dollar Schaden verbundener Ausrüster-Deal vorgeworfen, außerdem soll er ermöglicht haben, dass in Afrikas Fußball im großen Stil Fördergelder zweckentfremdet werden. Ahmad war schon in Madagaskar umstritten.

Unter ihm begann auch Dupuis seine Arbeit. Und das Verhältnis des Trainers zu seinem Verband war von Beginn an ein kompliziertes. Dupuis spielte und trainierte in Frankreich nie höher als in der vierten Liga, sein größter Erfolg als Trainer war ein 1:0 im Pokal gegen den Erstligisten Lorient. Über den Beginn seines Engagements auf Madagaskar hat er einmal erzählt, dass er rund ein Jahr nach seinem ersten Besuch auf der Insel ein Angebot von Ahmad erhielt - und 48 Stunden Zeit hatte, um zu überlegen.

Nachdem sich die Mannschaft 2018 dann unter Dupuis für den Afrika-Cup und damit erstmals überhaupt für ein Turnier qualifiziert hatte, sprach der Trainer mit der französischen Zeitung Le Progrès darüber, was er verändert hatte. Er erzählte unter anderem, den Verbandsverantwortlichen - wohl zu deren Überraschung - eröffnet zu haben, dass sie kein Mitspracherecht bei der Nominierung der Nationalelf mehr haben würden: "Wir wählen keine Spieler aus, weil sie der Cousin einer Cousine von einem Freund von jemandem sind." So ähnlich war das offenbar lange in Madagaskars Fußball gelaufen.

Madagaskars Präsident stiftet 170 000 Euro für die Unterbringung der Mannschaft

Die Probleme sind aber auch in diesem Sommer noch recht offensichtlich. "Die Mannschaft funktioniert gut, der Rest nicht", so fasste Dupuis einem ESPN-Reporter während des Turniers den madagassischen Fußball zusammen. Auf der Verbands-Webseite ist unter ein paar Fotos von der Vorbereitung der Mannschaft auf den Afrika-Cup ein Foto von einer Bankverbindung abgebildet, dazu ein Spendenaufruf für die Nationalelf. Dupuis ist mit Priorität Nationalcoach, aber den Job in Frankreich brauche er, um einen regelmäßigen und ausreichenden Verdienst zu haben, erklärte er. Bei seinem Klub in Fleury kam er nach Rückflügen zuletzt angeblich manchmal weniger als eine Stunde vor Anpfiff an. Sein Vertrag in Madagaskar gilt bis zum Ende des Turniers.

Doch von Problemen ist nun nicht vordergründig die Rede, eher von Euphorie. Andry Rajoelina, der Präsident von Madagaskar, hat umgerechnet 170 000 Euro für die Unterkunft der Mannschaft in Ägypten gestiftet, fürs Achtelfinale mietete er ein Flugzeug für 480 Fans, die nach Ägypten flogen, er jubelte auch selbst auf der Tribüne. Madagaskar werde den Titel holen, sagte er. Das Viertelfinale wird in der Hauptstadt Antananarivo auf Leinwänden gezeigt, von einer Schlange vor einem Reisebüro in der Innenstadt wird berichtet.

"Unser Afrika-Cup ist gewonnen", sagte Trainer Dupuis schon nach dem Achtelfinaleinzug. Doch seine Spieler haben schon noch etwas mehr vor. "Meiner Meinung nach können wir das Finale erreichen", sagte Mittelfeldspieler Andrianarimanana, der bei den Kaizer Chiefs in Südafrika spielt. Und der sich kurz "Dax" nennt. Das kann ja nicht schaden, wenn ihn demnächst vielleicht die ganze Welt kennt.

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