Afrika-Cup:Der pausenlose Sport

Es ist erschütternd, wie selbstverständlich eine Absage des Afrika-Cups ausgeschlossen wird. Der Sport verfällt in sein altes Verhaltensmuster: The games must go on.

Johannes Aumüller

Die Welt des Sports kennt keine Pausen. Sie kennt nur das Weitermachen, die ewige Hast des Betriebes, die ständige Fixierung auf das nächste Spiel, das nächste Ziel, den nächsten Event. Und nichts, oder zumindest fast nichts, kann das aufhalten, nicht einmal Terror und Tote, das zeigt die jüngere Sportgeschichte zuhauf - auch vor dem Angriff von Rebellen auf den Mannschaftsbus der togoischen Nationalelf.

Afrika-Cup: Die Spieler der togoischen Nationalmannschaft sind nach dem Angriff völlig verstört.

Die Spieler der togoischen Nationalmannschaft sind nach dem Angriff völlig verstört.

(Foto: Foto: Reuters)

Als während der Olympischen Sommerspiele 1972 in München bei einem Attentat elf israelische Sportler, fünf palästinensische Terroristen und ein deutscher Polizist starben, verkündete der damalige IOC-Chef Avery Brundage sein berühmtes "The games must go on". Als am 11. September 2001 Selbstmordattentäter die ganze westliche Welt in Schockstarre versetzten und mehr als 3000 Menschen ums Leben kamen, traten am Abend Borussia Dortmund, Schalke 04 und sechs weitere Teams ganz regulär zu Vorrundenpartien der Fußball-Champions-League an.

Als vor wenigen Tagen bei der Rallye Dakar eine Zuschauerin den Folgen eines Zusammenpralls mit einem teilnehmenden Auto erlag, setzte der Motorsport-Tross die Rundfahrt mit der üblichen Routine fort. Und als Robert Enke im November Suizid beging, sagte der DFB zwar ein Freundschaftsspiel ab und trugen viele Spieler eine schwarze Binde - doch nach wenigen Tagen ging der Fußball-Alltag in seinen gewohnten Bahnen weiter.

Von daher ist es nicht überraschend, dass nach der tödlichen Attacke gegen Togos Nationalmannschaft, bei der mindestens zwei Menschen starben und sieben weitere verletzt wurden, eine Absage des Turniers überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde. Am Sonntagabend eröffnen Angola und Mali wie geplant den Kampf um die Fußball-Krone Afrikas.

Togo hatte zwar zunächst angekündigt, das Turnier boykottieren zu wollen. Am Sonntagmorgen wurde aber bekannt, dass die Mannschaft nun doch antreten will.

Gewiss ist die Entscheidung nicht leicht, wie sich die Fußballwelt in diesem Moment verhalten soll. Und es gibt auch keine goldene Lösung. Man kann zu dem Schluss kommen, dass man sich von Terroristen nicht erpressen lassen darf; dass eine Absage des Turniers Folgen für das Selbstbewusstsein eines ganzen Kontinents haben könnte; dass das Turnier für viele Angolaner eine langersehnte und wichtige Ablenkung vom Alltag bedeutet. Man kann andererseits auch argumentieren, dass nach einem solchen Zwischenfall nicht alles weitergehen darf wie geplant; dass die Gefahren für Menschen, für Sportler und Zuschauer, schlichtweg zu groß sind. Beide Sichtweisen sind legitim.

Es ist nur wieder einmal erschütternd zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit und mit welcher Routine, mit wie wenig Gedanken und mit wie wenig Sensibilität die Fußball-Funktionäre diesen Fall abwickeln. Am Freitagabend um 18:32 Uhr lief die erste Agenturmeldung über das Maschinengewehrfeuer auf den Bus der Nationalspieler; nur wenige Stunden später lehnten die Spitzen des Kontinentalverbandes CAF eine Absage des Afrika-Cups ab. Ohne einen Moment zu zögern, ohne einen Moment nach Alternativen zu suchen; beispielsweise wäre ja zumindest eine symbolische Tat wie das Verschieben des Eröffnungsspieles oder die Absage des ersten Gruppenspieltags möglich gewesen. Oder hätte man die Spiele aus der umkämpften Exklave Cabinda, wo der Angriff stattfand, verlegen können.

Die Gründe für das unbedingte Weitermachenwollen sind dieselben wie immer, wenn der Sport nach einem Trauerfall unbedingt weitermachen will. Es geht ums Image, es geht ums Geld, und es geht natürlich um Politik. Doch im aktuellen Fall kommt noch ein gewichtiges Argument hinzu: die Fußball-Weltmeisterschaft 2010, die in gut fünf Monaten in Südafrika startet, denn da geht es um noch mehr Image, um noch mehr Geld und um noch mehr Politik.

Seht her, die tollen Stadien!

Über Monate, ja über Jahre, der Vorbereitung haben es die Verantwortlichen der WM geschafft, das Sicherheitsproblem klein zu reden. Der Reihe nach wurden prächtige Stadien eröffnet, um der Welt zu zeigen: Seht her, wie können es doch, so ein Turnier auf die Beine stellen! Das klappt doch alles! Über die mangelnde Infrastruktur und die unzureichende Sicherheit, über die hohe Gewaltrate und die vielen Übergriffe hingegen wurde lange geschwiegen. Nun muss sich die Organisation, zu der auch viele deutsche Funktionäre Knowhow und Erfahrungen der WM 2006 beitragen, wieder auf kritischere Fragen gefasst machen.

Und kaum drohen diese kritischen Fragen, setzen schon die Stimmen ein, die mit Blick auf Südafrika abwiegeln. Angola sei ja etwas ganz anderes; dort herrsche Bürgerkrieg, in Südafrika nicht; dort gebe es eine Rebellengruppe, die mit Waffengewalt für die Unabhängigkeit einer Region fechte, in Südafrika nicht; die Sicherheitsbestimmungen bei einer WM seien ja ganz andere als bei einem Afrika-Cup etc. Die Argumente sind richtig, aber das ändert nichts daran, dass die Sicherheitslage in Südafrika prekär ist.

Es sind bisher nur wenige aus dem Fußball-Business, die sich wie Leverkusens Simon Rolfes zugleich über das Schicksal seines togoischen Vereinskollegen Assimiou Toure bestürzt zeigen - und auch ihre Sorgen offen aussprechen. "Wir denken an unseren Mitspieler. Und natürlich auch daran, dass in vier, fünf Monaten in Afrika die WM stattfindet", sagt er.

Von Fußball-Funktionären wird man solche Töne wohl nicht hören. The games must go on. Wie immer.

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