Süddeutsche Zeitung

Finale des Afrika Cups:Bogenlampe ins Glück

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Von Felix Haselsteiner

17 Jahre lang hatte Aliou Cissé warten müssen, bis er die Chance bekam, den legendären Schwur von Bamako, den er 2002 nach seinem vergebenen Elfmeter im Finale des Afrika Cups gegen Kamerun geleistet hatte, einlösen zu können. Er werde den Pokal, an den er an jenem Tag bereits eine Hand gelegt hatte, eines Tages in sein Land holen, hatte Cissé damals versprochen - nun war die Zeit also gekommen für den heutigen Trainer Senegals, der mit seiner Mannschaft das Finale des Afrika Cup of Nations in Kairo gegen Algerien erreicht hatte. Cissé hatte erneut eine Hand am Pokal, der Triumph jedoch blieb ihm und seinem Land erneut verwehrt: Der Afrikameister 2019 kommt aus Algerien.

17 Jahre, das sind fast neun Millionen Minuten und doch brauchte es nur einen Bruchteil dieser Zeitspanne, um Senegals Euphorie um den Schwur des Trainers zu brechen. Es lief erst die zweite Minute des Endspiels, als Algeriens Mittelstürmer Baghdad Bounedjah von der Strafraumkante aus einen ersten Torschuss wagte, der vermutlich weit neben dem Tor geendet wäre. Der Schalker Innenverteidiger Salif Sané jedoch warf sich in diesen harmlosen Schuss, er fälschte ihn so ab, dass sich der Ball in einer fast schon grotesk parabolischen Flugbahn über Torwart Alfred Gomis hinweg ins Tor senkte. Das frühe 1:0 für Algerien tat dem Spiel nicht gut, vor allem aber nicht den Senegalesen.

Die "Löwen von Teranga" hatten schwer zu arbeiten gegen die dicht gestaffelten "Wüstenfüchse". Algerien schaffte es bis auf wenige Ausnahmen aus einer tiefen Position heraus, Senegal aus dem eigenen Strafraum zu halten und zerstörte die offensive Stärke der Mannschaft von Aliou Cissé zudem mit beachtenswerten 32 Fouls. Auch Sadio Mané vom FC Liverpool fand keine Mittel, sich in der ersten Halbzeit Räume zu erarbeiten, seine Dribblings endeten meist im Nichts oder mit einem algerischen Foul.

Mané wäre allzu gern zum Hauptdarsteller dieses Finalspiels geworden, vermutlich hätte er sich so auch seinen Traum, Afrikas Fußballer des Jahres zu werden, erfüllen können, doch der 27-Jährige musste sich fast vorkommen wie in einem umgekehrten Deja-Vu: Das Endspiel des Afrika-Cups erinnerte in vielerlei Hinsicht an das Champions-League-Endspiel zwischen Liverpool und Tottenham Hotspur. Auch damals war der leichte Favorit aus Liverpool früh in Führung gegangen, auch damals hatte er danach den Vorsprung verwalten können, ohne selbst aktiv werden zu müssen.

Doch wie im europäischen Vereinswettbewerb hatte sich Algerien den Titel am Ende verdient: Ungeschlagen marschierten die Nordafrikaner durch die Gruppenphase, besiegten bereits früher im Turnier Senegal mit 1:0 und mussten allein im Viertelfinale, beim Elfmeterschießen gegen die Elfenbeinküste, um das Weiterkommen bangen. Trainer Djamel Belhadi hat aus dem WM-Achtelfinalisten von 2014, der damals knapp an Deutschland gescheitert war, eine effiziente und klug agierende Mannschaft geformt, die auch im Finale nur einmal kurz in Bedrängnis geriet.

In der 61. Minute hatte der agile Ismaila Sarr von Stade Rennes sich einmal über rechts durchgesetzt, seine Flanke sprang Adlène Guedioura an die Hand und Schiedsrichter Neant Alioum aus Kamerun zeigte auf den Punkt. Das 1:1 wäre zu diesem Zeitpunkt überaus verdient gewesen, doch der Videoschiedsrichter griff ein: Alioum korrigierte seine Entscheidung. Guedioura hatte noch versucht, seine Hand hinter den Körper zu schieben, kein Elfmeter war daher wohl die richtige Entscheidung.

Cissés Mannschaft konnte sich in der Folge nur noch einige Halbchancen erspielen, die beste vergab Sarr bei einem Abschluss im Strafraum. Mit der letzten Aktion des Turniers hätte die tragische Figur der zweiten Minute, Salif Sané, per Freistoß die Geschichte des Spiels noch einmal neu schreiben können, sein Schuss jedoch fiel nicht in einer aberwitzigen Kurve ins Tor, sondern wurde abgeblockt.

Zehntausende Anhänger der algerischen Fußball-Nationalelf haben in der Nacht noch in französischen Städten den Sieg ihrer Mannschaft gefeiert. Mit Autokorsos, Hupkonzerten, kleinen Feuerwerken und vielen Böllern fanden Feierlichkeiten in Städten wie Toulouse, Straßburg und Marseille statt. Nur vereinzelt habe es kleinere Zusammenstöße mit Sicherheitskräften gegeben, etwa auf der Pariser Prachtstraße Champs-Élysées, wo Randalierer mit Tränengas auseinandergetrieben worden seien. Ex-Bayern-Spieler Franck Ribéry besuchte das algerische Team nach dem Endspiel in der Kabine und postete Bilder von sich und den Spielern auf seinem Instagram-Account.

Das Bild, das den Senegalesen von diesem Finale im Kopf bleiben wird ist eines, das sie so ähnlich schon aus dem Jahr 2002 kennen: Aliou Cissé redete nach Schlusspfiff energisch auf seine Mannschaft ein, er machte ihnen Mut, er betete mit ihnen. Es schien fast, als wäre in dieser Minute der Schwur von Kairo geboren worden.

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