Affäre um WM 2006:Wie Zwanziger Niersbach erledigen will

World Cup 2014 - Niersbach und Zwanziger

Zwei, die sich nur noch über Anwälte etwas zu sagen haben: Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger (links) und sein Nachfolger Wolfgang Niersbach.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)
  • Fest steht bislang, dass alle Beteiligten im Verlauf der Affäre um die WM 2006 falsche Spuren gelegt haben.
  • Der einstige DFB-Präsident Zwanziger bezichtigt seinen Nachfolger Niersbach der Lüge und sagt: "Es gab eine schwarze Kasse."

Von Johannes Aumüller, Klaus Ott und Hans Leyendecker

Wie erklärt man einen Bargeld-Porno? 6,7 Millionen Euro, angeblich für die Fifa, sind ja schon ziemlich unanständig.

Man kann, wie es in diesen Tagen passiert, auf Zeugen verweisen, die nicht mehr leben. Tote Zeugen sind in der Regel gute Zeugen. An denen mangelt es im Krimi um den Deutschen Fußball-Bund und die WM 2006 nicht. Der Mann, der das meiste erklären könnte, der Unternehmer Robert Louis-Dreyfus, ist tot. Andere Zeugen sind auch verstorben. Und wie die Geschichte der 6,7 Millionen Euro wirklich war, die das deutsche WM-Organisationskomitee im Jahr 2002 offenbar der Fifa zuschieben sollte, um im Gegenzug vom Fußball-Weltverband 170 Millionen Euro WM-Zuschuss zu erhalten? Ist weiter unklar.

Im Mittelpunkt der Affäre steht in der Öffentlichkeit DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der 2002 noch eine Randfigur war. Er hat nicht mit Fifa-Chef Sepp Blatter über den denkwürdigen Kuhhandel gesprochen, über Millionen hin, Millionen her. Das soll Franz Beckenbauer gewesen sein, die Lichtgestalt. Niersbach, der Journalist und Pressesprecher, war der Mann im Schatten, er war nie der Schattenmann. Und dennoch dreht sich die Affäre um ihn. Er ist der Präsident. Er hat auf der unsäglichen Pressekonferenz am Donnerstag Unsägliches verbreitet. Ahnungslos, hilflos.

Seine Erklärungen, seine Rechtfertigung der eigenen Rolle - das alles erschien amateurhaft, zweifelhaft.

Das gilt für den ganzen Laden. Mühsam versucht der DFB die Fassade zu wahren. "Das Präsidium hat absolutes Vertrauen in Wolfgang Niersbach", sagte am Freitag Präsidiumsmitglied und Bundesliga-Präsident Reinhard Rauball nach einer Sitzung in Dortmund. Und weiter: "Der DFB hat sich zu einer lückenlosen Aufklärung entschlossen."

Was man so sagen muss.

Rauball, der auch Präsident von Borussia Dortmund ist, kennt sich mit heiklen Geschichten aus. Er war mal für kurze Zeit Justizminister in Nordrhein-Westfalen und ist ein gewiefter Anwalt. Rauball wäre einer der Favoriten für das Amt des DFB-Präsidenten, müsste Niersbach zurücktreten. Angesichts der globalen Lage käme vielleicht sogar das Amt des Chefs des europäischen Fußball-Verbandes Uefa in Frage. Aber Rauball müht sich in der Rolle des Mittlers. Andere Präsidiumsmitglieder haben sich öffentlich kritisch über Niersbach geäußert. Der Unmut ist groß, aber niemand weiß derzeit, wann, wie und wo die Geschichte enden wird. Königsmörder sind noch nicht in Sicht.

Es geht in dieser Geschichte auch um kaputte Freundschaften und frühere Loyalitäten. Die Pressekonferenz am Donnerstag hatte zum Beispiel viel mit kaputtgegangenen Loyalitäten zu tun. Beim DFB nahm man an, am Donnerstagmorgen werde Beckenbauer zu dem Fall eine Erklärung abgeben. Er war der Chef des WM-OK 2006. Ein Strafrechtler und ein Medienanwalt sollen auf seiner Seite eingeschaltet worden sein. Aber dann hieß es, Beckenbauer gebe doch keine Erklärung ab. Unklar erschien den Beteiligten außerdem, wann und wie sich der einstige Funktionär Horst R. Schmidt äußern würde, der als Vizechef des WM-OK vieles mitbekommen hat. Vielleicht mehr als andere.

Also ging Niersbach nach vorn und hinterließ einen bizarren Eindruck. Dabei berief er sich im Kern auf ein Gespräch, das er am Dienstag mit Beckenbauer geführt hat, der sich dann doch nicht erklärte.

Beim Fußball geht es noch härter zu als in der Politik

Und dann gibt es da noch den anderen: Theo Zwanziger, den Niersbach 2012 als DFB-Präsident abgelöst hatte. Zwanziger war vorige Woche in Urlaub gefahren, aber wirkt auch in Abwesenheit sehr präsent. Um das Verhältnis von Niersbach und Zwanziger zu charakterisieren, hilft vielleicht ein Bild aus der Politik. Wenn man das Verhältnis von zwei Politikern beschreiben will, die in einer Partei sind, sagt man gern: Feind, Todfeind, Parteifreund.

Beim Fußball geht es noch härter zu. Zwanziger will Niersbach erledigen. Enthüllungen werden selten von Leuten auf den Markt gebracht, die altruistische Motive haben; das spricht übrigens nicht gegen deren Enthüllungen. Wenn einer dem anderen um jeden Preis schaden will, wird es allerdings auch wieder gefährlich. Nachdem Zwanziger angesichts der ersten Spiegel-Geschichte vermittelt hatte, er sei gar nicht der entscheidende Informant, so gibt er sich bei der Geschichte, die an diesem Wochenende im Magazin erscheint, zu erkennen: "Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse im Fall der deutschen WM-Bewerbung gab." Belegt ist das weiter nicht. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Frage, ob Günter Netzer tatsächlich gesagt hat, mit den zehn Millionen Schweizer Franken seien die Stimmen von vier Asiaten im Fifa-Exekutivkomitee gekauft worden. Netzer hatte rundum dementiert, so etwas jemals gesagt zu haben. Die Frage war: Wer war der Informant? Dem neuen Spiegel kann man entnehmen, dass Zwanziger sich mit Netzer 2012 getroffen haben will, und der soll, so heißt es in einem "Gutachten" des Zwanziger-Anwalts, bei der Gelegenheit über die vier Stimmen der Asiaten gesprochen haben. Laut "Gutachten" soll Beckenbauer den früheren DFB-Präsidenten Zwanziger 2015 gebeten haben, keine weiteren Schritte für die weitere Aufklärung einzuleiten. Fest steht, dass viele Akteure in der Vergangenheit kräftig geschwindelt haben. Gremien wurden belogen, falsche Spuren wurden gelegt, falsche Überweisungen getätigt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt prüft, ob es einen Anfangsverdacht gibt.

Ab wann muss Niersbach klar gewesen sein, dass es einen Zusammenhang zwischen dem angeblichen Darlehen von Dreyfus im Jahr 2002 und dem vorgeschobenen Verwendungszweck bei der Rück-Überweisung im Jahr 2005 gegeben hat? Die Beteiligten müssen ja, wenn man sich auf ihre Darstellung einlässt, gewartet haben, bis sie einen Transfer in der ungefähren Summe des angeblichen Darlehens von Dreyfus bei Überweisungen an die Fifa unterbringen konnten.

Und dann war es also dieser: "Fifa-Kulturprogramm".

Niesbach will den Fall erst 2015 auf die Reihe bekommen haben. Horst R. Schmidt, der frühere Schatzmeister des DFB und ehemalige Vizechef des OK, sagt hingegen: Er habe im Herbst 2004 davon erfahren und "zeitnah die Mitglieder des OK-Präsidiums über diesen Sachverhalt informiert".

Also auch Niersbach. Auf den Widerspruch angesprochen, erklärt Schmidts Anwalt Heinrich Koos: "Selbstverständlich" sei auch Niersbach damals informiert worden. " Ich kann allerdings nicht beurteilen, ob dieser sich heute nach über zehn Jahren noch an Einzelheiten erinnert."

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