Affäre um WM 2006:Bayerns dubioser Kick auf Malta

FUSSBALL_CHAMPIONSLEAGUE

Bestbesetzung: Die Mannschaft des FC Bayern München, die im Jahr 2001 vor ihrem Champions-League-Triumph auch mal auf Malta vorspielte.

(Foto: Rauchensteiner)
  • Im Zuge des WM-Skandals geraten auch die Testspiele des FC Bayern ins Visier.
  • Der Vertrag mit Malta deutet auf Stimmenkauf hin.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Der FC Bayern trat nahezu in Bestbesetzung an. Oliver Kahn war dabei, Stefan Effenberg, Mehmet Scholl. Nach einer guten halben Stunde traf der nicht für seine Kopfballstärke bekannte Jens Jeremies per Kopf zum 1:0, wenig später erhöhte Giovane Elber auf 2:0. Es folgten noch ein Eigentor sowie ein regulärer Treffer des Gegners, dann war das Freundschaftsspiel des FC Bayern im Ta'Qali Stadion von Valletta vorbei.

Unter sportlichen Aspekten muss sich die Nachwelt eher nicht für jenen Kick am 12. Januar 2001 interessieren. Aus anderen Gründen schon: Denn dieses Spiel war offenkundig Teil jenes umfangreichen Programms, mit dem die Deutschen mit fragwürdigen Mitteln um die Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2006 kämpften.

Seitdem die Sommermärchen-Affäre ausgebrochen ist, verfestigt sich der Verdacht, dass die Vergabe gekauft gewesen sein könnte. Es geht um einen Vertragsentwurf, den der damalige Chef des Bewerbungskomitees, Franz Beckenbauer, unterzeichnete und der Fifa-Vize Jack Warner umfangreiche Leistungen zukommen lassen sollte. Oder um die berüchtigten 6,7 Millionen Euro, deren Sinn und Verbleib immer noch nicht geklärt ist. Und auch um den neuseeländischen Wahlmann Charles Dempsey, der damals in der entscheidenden Wahlrunde einfach verschwand und den Deutschen so den Sieg gegen Südafrika ermöglichte.

Aber verstärkt in den Fokus rücken nun auch die Freundschaftsspiele des FC Bayern in Ländern, aus denen die Mitglieder des damaligen Fifa-Exekutivkomitees kamen - zum Beispiel in Malta, der Heimat von Joseph Mifsud. Das Problem ist nicht das Freundschaftsspiel an sich, das lässt sich noch als gängiges Mittel im Kampf um Stimmen sehen. Das Problem sind die Begleiterscheinungen, festgelegt in einem fünfseitigen Vertrag (liegt der SZ vor) zwischen Mifsud sowie der Rechtevermarktungsfirma CWL, die gemäß Kontrakt den FC Bayern repräsentierte. CWL gehörte zum Kirch-Imperium, das wiederum damals die WM-Fernsehrechte hielt und großes Interesse an einer Austragung im wirtschaftsstarken Deutschland hatte. Der CWL-Geschäftsführer Günter Netzer unterschrieb den Vertrag, Bewerbungschef Beckenbauer soll am Tag der Unterzeichnung auch an Ort und Stelle gewesen sein. Er äußert sich dazu nicht.

Bemerkenswerter Zeitpunkt des Vertragsabschlusses

Bemerkenswert ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses: Der 1. Juni 2000 - genau fünf Wochen vor der WM-Vergabe. Nach Angaben von Mifsud unterschrieb er den Vertrag in seinem Haus im Dörfchen Qrendi - ein eher branchenunübliches Protokoll: "Es ist möglich, dass ich die CWL-Vertreter zu einem Drink eingeladen habe", sagte Mifsud der Zeitung Malta Today. Vertraglich vereinbart wurden 250 0000 Dollar - für das Recht, das Spiel in Malta zu übertragen. War das ein raffiniert entwickeltes Lockmittel für Mifsuds Wählerstimme?

Bis heute sind viele Fragen ungeklärt. Netzer sagte schon vor Jahren, als die Vorgänge erstmals bekannt wurden, es habe sich dabei um ein "ganz normales Agenturgeschäft" gehandelt. Andere sehen das anders. Unter der Woche durchsuchte eine Spezialeinheit der maltesischen Polizei für Wirtschaftskriminalität die Büros des maltesischen Verbands MFA. Auch einige Vertragsklauseln werfen Fragen auf.

Bemerkenswert sind schon die konkreten Vertragspartner. Auf Seite eins heißen sie "CWL und Telesport Marketing AG" sowie "Dr. Joseph Mifsud", also der Fifa-Wahlmann und damalige MFA-Chef selbst. Der Vertragstext wechselt munter zwischen "Dr. Mifsud" und "Dr. Mifsud/Maltas Fußballverband" hin und her.

FC Bayern lag unter Maltas Marktpreis

Ungewöhnlich erscheint der Passus, in dem die Partner das Papier als "strikt vertraulich" einstufen. Es sei zu gewährleisten, dass "von der Existenz und vom Inhalt" dieses Vertrags nur Vorstand und Top-Management erfahren sollen. Warum mussten die TV-Rechte für einen unspektakulären Freundschaftskick mit einer Verschwiegenheitsklausel versiegelt werden, wenn alles seine Ordnung hatte? "Ich habe so eine Klausel noch nie gesehen, daraus können Sie Ihre eigenen Schlüsse ziehen", erklärt der aktuelle MFA-Präsident und damalige Schatzmeister Norman Darmanin Demajo der SZ.

Und noch etwas fällt auf bei der Gestaltung des Vertrages. Offenbar war der komplette Kontrakt vorbereitet worden - bis auf die Stelle, an der es um die konkrete Summe und das Bankkonto geht. Diese Punkte wurden erst handschriftlich auf einer gestrichelten Linie eingefügt. Binnen 14 Tage sollte das Geld auf dem genannten Verbandskonto eingehen, doch das war nicht der Fall. Vier Monate sei das Geld verschollen gewesen, berichtet Demajo, ehe es im Oktober 2000 auf einmal auf einem Verbandskonto auftauchte.

Im Vertrag ist auch geregelt, dass der FC Bayern alle Aufenthaltskosten - mit Ausnahme der Flugkosten - von Mifsud ersetzt bekäme. Doch Demajo erinnert sich nur an eine Rechnung, die er erhalten habe für die öffentlichen Transportkosten.

Der FC Bayern verteidigte den damaligen Einsatz auf Malta ebenso wie die Auftritte in Tunesien und Thailand, wo ebenfalls Fifa-Wahlmänner beheimatet waren und ähnliche Konstruktionen geschaffen wurden, mit dem Hinweis, es sei ein normales Freundschaftsspiel gewesen und marktgerecht honoriert worden. Die marktgerechte Honorierung betrug nach damaliger Bayern-Darstellung 200 000 Mark. Womit das europäische Spitzenteam FC Bayern deutlich unter Maltas Marktpreis lag; die Malteser kassierten ja umgerechnet rund 500 000 Mark.

In der Präambel des Vertrages heißt es: "Die erste Männer-Mannschaft des FC Bayern München beabsichtigt, ein Freundschaftsspiel gegen die erste Männer-Nationalmannschaft von Malta zu bestreiten." Als sei die Initiative von den Münchnern ausgegangen. Womöglich hat der Rekordmeister in seiner reichen Klubhistorie ja auf wenig so sehr hingefiebert wie auf einen Kick vor 4000 Zuschauern in Valletta.

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