Süddeutsche Zeitung

Affäre um russischen Uefa-Funktionär:Nicht vermittelbar

Fußball-Funktionäre dürfen nicht zugleich als Spielervermittler arbeiten. Doch nun steht Russlands Liga-Boss Sergej Prjadkin im Verdacht, über eine Firma in Deutschland in Transfers involviert zu sein - unter anderem in die von Pawel Pogrebnjak und Kevin Kuranyi. Die internationalen Verbände verhalten sich ziemlich zurückhaltend.

Johannes Aumüller

Sergej Prjadkin sitzt der russischen Fußball-Profiliga (RFPL) vor, gerade muss er eine gewaltige Reform stemmen. 2010 wurde beschlossen, die Liga nicht mehr nach dem Kalenderjahr spielen zu lassen, sondern - wie die großen westeuropäischen Ligen - von Spätsommer bis Frühjahr. Ziel der Modifizierung: Russische Klubs sollen künftig besser mit der Europacup-Konkurrenz mithalten und für Furore sorgen.

Doch nun sorgt Prjadkin selbst für Aufregung. Funktionären ist es gemäß den Regeln des Fußball-Weltverbands (Fifa) verboten, als Spielervermittler tätig zu sein. Der russische Liga-Boss aber wird beschuldigt, über eine in Berlin ansässige Firma in Transfers verstrickt zu sein. Merkwürdig verhalten sich dabei die internationalen Verbände. Nicht genug, dass sie die Vorwürfe bislang ignorieren - das von Michel Platini geführte Exekutivkomitee des europäischen Fußballverbandes (Uefa) hat ausgerechnet Prjadkin in die Kommission für den Status und Transfer von Spielern sowie für Spieler- und Spielvermittler berufen. Denkbar, dass sich der 50-Jährige in seiner Uefa-Funktion mit seiner eigenen Affäre beschäftigen müsste.

Prjadkin ist Gründer und Geschäftsführer der beim Amtsgericht Charlottenburg registrierten Firma Girrus. Diese handelt laut Handelsregister-Eintrag von Mitte August mit ziemlich vielen Dingen, mit Personen- und Lastkraftwagen, alkoholischen Getränken, aber auch mit Sportgeräten und Sportartikeln - und betreibt "sodann Sportmanagement und Consulting" sowie die "Tätigkeit als Spieleragenten".

Die Webseite www.girrus.com, mittlerweile nicht mehr online verfügbar, führte unter "our players" unter anderem den russischen Angreifer Pawel Pogrebnjak, der 2009 von Zenit St. Petersburg zum VfB Stuttgart wechselte, und den früheren deutschen Nationalstürmer Kevin Kuranyi, der im Vorjahr von Schalke 04 zu Dynamo Moskau ging - beide versehen mit dem Hinweis "in cooperation with an other agent". Vieles deutet darauf hin, dass die Firma des russischen Funktionärs in die wichtigsten deutsch-russischen Transferdeals der vergangenen Jahre involviert ist.

Prjadkin bestreitet dies. "Es gab nicht den Interessenkonflikt, der mir unterstellt wird", sagte er der Zeitung Sowjetskij Sport. Seit November 2006 seien weder die von ihm gegründete Agentur noch seine Partner als Spieleragenten tätig gewesen. Zu der Zeit hatte er seine erste hohe Funktion in Russlands Fußball übernommen: Er wurde Generaldirektor des Verbandes.

"Sprachbarrieren überbrückt"

Auch Konstantin Sarsanija, Mit-Geschäftsführer bei Girrus und im russischen Fußball schon als Trainer, Sportdirektor und Berater tätig, wies gegenüber russischen Medien die Vorwürfe zurück. Seine Lizenz habe er zurückgegeben und nie für die Firma verwandt. "Girrus ist eine vielfältig tätige Gesellschaft, einer der Geschäftsbereiche kann sich auch mit Beratungsleistungen befassen, auch für Spieler", sagte er - und fügte etwas an, das in Widerspruch zu den Einträgen im Handelsregister steht: "Die Firma selbst bietet keine Agententätigkeit an." Sie verstoße auch gegen keine Gesetze. Zudem betonte er, dass die Firma keine Fifa-Lizenz habe - die hat aber der Firmenmitarbeiter Tomas Zorn: "Er hat das volle Recht auf Agententätigkeiten."

In der Tat ist Tomas Zorn ein offizieller Spielervermittler, lizenziert beim DFB. Zorn bestreitet auf SZ-Anfrage, für Girrus zu arbeiten oder für Girrus gearbeitet zu haben. Er habe dort nur eine Art Praktikum durchlaufen. Doch es fällt schwer, scharf zwischen dem Spielervermittler Zorn und den Aktivitäten der Firma zu trennen. In der aktuellen Spielervermittler-Liste des DFB ist hinter dem Namen Tomas Zorn zwar nichts vermerkt - auf älteren Versionen, die der SZ vorliegen, steht dort allerdings "Girrus GmbH". Auch ist auf seinen Namen die Internetseite der Firma registriert worden.

Rund um die Wechsel von Pogrebnjak und Kuranyi habe er nur geholfen, "Sprachbarrieren zu überbrücken", heißt es. Ein Mitarbeiter der Firma Rogon, die Kuranyi seit Jahren berät, sagte aber, Vertreter von Girrus seien "in die Kontaktanbahnung zwischen Rogon und Vertretern des aktuellen Vereins" involviert gewesen. Die Nowaja Gazeta, die mit ihren Recherchen den Fall publik machte, berichtet gar von einem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Spieleragent und Girrus-Gründer, was Zorn gegenüber der SZ aber dementiert.

Russlands Ethikkommission sagt: Alles okay

In Russland muss Prjadkin vorerst keine Konsequenzen fürchten. Die zuständige Ethikkommission befand, der Liga-Boss habe weder gegen die Regularien des Verbandes noch gegen die der Fifa verstoßen, es werde nicht weiter ermittelt. Unter Verweis darauf wollte sich Prjadkin gegenüber der SZ auch nicht zu konkreten Nachfragen äußern.

Merkwürdig wirkt angesichts der Auffälligkeiten die Haltung der internationalen Verbände. Schon im April hatte Nowaja Gazeta über den Fall berichtet - doch Wochen später berief die Uefa-Exekutive Prjadkin auf Antrag Russlands ausgerechnet in die Kommission für Transferfragen. Die Uefa habe zu dem Zeitpunkt keine "Kenntnis über ein Problem mit einer deutschen Spielervermittlung" gehabt, teilte sie auf Anfrage mit. Die Nachfrage, ob sie dem Thema noch einmal nachgegangen sei, ließ sie unbeantwortet.

Zugleich versuchte die Uefa, die Bedeutung dieses Gremiums runterzuspielen. Es handele sich beim Ausschuss für Transferfragen nur "um eine Beratungskommission des Exekutivkomitees". Die Kompetenz der Uefa sei in solchen Dingen sehr beschränkt, sie befasse sich nur mit allgemeinen Themen, hieß es weiter. "Sie hat weder Entscheidungsbefugnisse noch ist sie in die Anwendung dieser Fifa-Transferbestimmungen involviert." Die Fifa wiederum sieht sich nicht zuständig: "Wenn Prjadkin bei der Uefa gewählt war, muss man bei Uefa für eine Erklärung fragen."

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SZ vom 07.09.2011/aum
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