Süddeutsche Zeitung

Affäre im Handball:Im Reich des Pharao

Neue Dokumente belegen Manipulationen im Welt-Handball. Besonders unter Beschuss steht der ägyptische IHF-Präsident Moustafa, der gerade um seine Wiederwahl kämpft.

Thomas Kistner

Barack Obama wird Donnerstag in Kairo erwartet, und Hassan Moustafa ist es zuzutrauen, selbst den US-Präsidenten noch als Fürsprecher für sich zu reklamieren. Es ist ja der Vorabend seiner Wiederwahl an die IHF-Spitze. Und er hat rauere Zeiten erlebt, wie im Herbst 2007: Damals soll der Sportfunktionär im Basler Hilton-Hotel seine Vorstandskollegen auf Knien angebettelt haben, im Präsidentenamt bleiben zu dürfen.

Die Runde aus Vorständler Alexander Kozhukov, Generalsekretär Peter Mühlematter und Schatzmeister Miguel Roca hatte ihn zum Rücktritt aufgefordert, doch der Boss des Welthandballs flehte, er wolle allerlei Belege herbeischaffen - so gibt es ein Insider wider. Moustafa, Spitzname: Pharao, legte aber dann keine ausreichenden Quittungen für rund 600000 Euro Spesen vor. Auch keine entlastenden Belege in jener Finanzaffäre, die seit Januar die Justiz am IHF-Sitz Basel beschäftigt. Ein Ende sei "nicht absehbar", sagt Thomas Hofer, Staatsanwalt für Wirtschaftskriminalität.

Während in Kairo der IHF-Wahlkongress tagt, tauchen nun jedoch andere Belege auf: Für die tiefwurzelnde Spielmanipulation im Reich des Pharao. Schon 2004 hatte Kjartan Steinbach, Chef der Schiedskommission, dem Ägypter vier verschobene WM-Qualifikationsspiele in Asien gemeldet. Untersucht worden sei das nie, sagt der Isländer, er selbst sei dafür "aus dem Amt gemobbt" worden.

Haarsträubende Manipulation

Die damalige Schiebung im Asien-Verband AHF fand laut Steinbach unter Schiedsrichterchef Dawud Tawakoli statt. Der Iraner stand auch im Zentrum des Skandals um die Olympia-Qualifikation 2008 Südkorea/Kuwait. Diese Partie war so dreist zugunsten Kuwaits - dessen Scheich Ahmed Al Sabah, AHF-Chef, als Pate des Welthandballs gilt - verschoben worden, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) eine Neuansetzung verfügte. Am Ende reiste Südkorea nach Peking. Der oberste Sportgerichtshof Cas urteilte, Moustafa selbst habe am Komplott mitgestrickt, indem er die für das Spiel bestellten deutschen Referees Lemme/Ullrich kurzfristig durch zwei Jordanier ersetzen ließ.

Beim Kongress in Kairo soll nun just Skandal-Initiator Tawakoli an die Spitze der Schieds- und Regelkommission des Welthandballs rücken. Schon prophezeien die paar seriösen Opponenten Moustafas, der Handballsport versinke damit in Anarchie: Neben Generalsekretär Mühlematter, der Moustafas Rücktritt fordert, zählt dazu auch Steinbachs Nachfolger ab 2004, Christer Ahl. Der Amerikaner beklagt, er werde in Kairo aus dem Amt gemobbt. Per Mail an die IHF-Ratsmitglieder warnte er vor dem Iraner Tawakoli, der "inkompetent" und eine Marionette des Scheichs sei und zudem "keinen Respekt bei Kommission und Referees" genieße. In der Tat fiel Tawakoli, aus Iran, der bedeutenden Handballnation am Hindukusch, bislang nur als Chefaufseher in Al Sabahs korrupter asiatischer Handballfamilie auf.

Moustafa aber benötigt selbst mehr denn je den Schutz treuer Spießgesellen. Er hat nicht nur den Staatsanwalt am Hals, wie Hofer in Basel bestätigt ("Wir ermitteln zur Geschäftstätigkeit der IHF gegen bestimmte Personen"), sondern auch viele offene Fragen über den Verbleib enormer Verbandsgelder. Zudem könnten die chronischen Spielmanipulationen in Asien das Publikum künftig abschrecken, und mit ihm das IOC. Andererseits reicht das Geflecht des Pharao in den Olymp: Dort sitzt Al Sabah, der Moustafa 2000 als Handball-Chef installierte und seither politisch absichert. Dafür soll der Scheich "freie Hand" bei den Qualifikationen in Asien erhalten - den Verschwörungsvorwurf verbreitet Ahl, mit Hinweis auf den Cas-Prozess, bei dem er selbst als Zeuge fungiert hatte.

"Kuwaits schmutzige Methode"

Die jetzt vorliegenden Belege beziehen sich auf das WM-Qualifikationsturnier in Isfahan/Iran, zugleich Asien-Meisterschaft 2002. Die Videoanalyse von Steinbachs IHF-Kommission ergab: Mindestens vier Spiele wurden dort verpfiffen. Die Partie Südkorea/Katar wies 15 Fehler der Referees Al-Shwairbat/Rethai auf, alle zugunsten Katars: "Bis das Match entschieden war", meldete die Kommission direkt an Moustafa. Zwei Spiele soll das Gespann Al-Busaidi/Al-Balushi aus Oman getürkt haben, Brunei/Katar und Südkorea/Saudi-Arabien - stets zugunsten der Araber. Den Dank stattete beim Spiel Kuwait/Bahrain ein saudisches Duo ab, dem die Kommission eine "generelle Unfähigkeit" attestierte, "gegen die schmutzigen Methoden insbesondere der Kuwaitis vorzugehen".

Steinbachs Kommission sperrte damals einige Sünder. Beim IHF-Kongress 2004 in Hurghada/Ägypten flog der Isländer nach acht Jahren aus dem Amt. Er habe zu hart durchgegriffen, glaubt er. Nachfolger Ahl sagt jetzt von sich dasselbe. Nach 32 Jahren Verbandstätigkeit sieht der Amerikaner die IHF im eigenen Sumpf versinken. "Vieles muss dringend geändert werden: Der inakzeptable Führungsstil, das Defizit an Demokratie und Offenheit, die fehlende Transparenz in den Budgetfragen" - und so fort.

Doch Pharaos Wiederwahl beim Heimspiel in Ägypten gilt als gesichert. Eine im Handball bedeutungslose Stimmvieh-Armada von Togo bis Tobago wird, wie in anderen Weltverbänden, den Dunkelmann auf den Thron hieven. Wie so oft dürfte es dabei Hilfe aus Deutschland geben. Falls die bisherigen Signale nicht trügen, wird der Chef des Deutschen Handballbunds, Ulrich Strombach, für Moustafa votieren. Gegen den steht eine kleine Allianz - und eine Fraktion ohne Lobby: Die Athleten. Weltklasseleute wie Nikola Karabatic, Jackson Richardson, Christian Schwarzer oder Alt-Star Erhard Wunderlich werben per Video im Internet für Gegenkandidat Jeannot Kaiser. Aber der Pharao hat vorgesorgt. Dem Luxemburger wurde gar keine Redezeit gestattet.

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SZ vom 04.06.2009/jbe
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