Äußerungen zu Mesut Özil:Hätte Bierhoff doch geschwiegen

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"Sie müssen wissen", sagte sein Berater einst über Bierhoff, "Oliver ist nie der Typ gewesen, der provoziert." (Foto: Getty Images,)

Der Nationalelf-Manager setzt die Kommunikationskrise des DFB fort. Er liefert sogar jenen Munition, die den Fall Özil für Propaganda missbrauchen.

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Oliver Bierhoff weiß genau, wie es ist, das Gesicht einer Krise zu sein. Als der Manager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft selbst noch Nationalspieler war, sogar Kapitän, geriet der deutsche Fußball schon einmal in eine Misere, die der heutigen ähnelt. Auf dem Höhepunkt der Rumpelfüßigkeit, nach dem Vorrunden-Aus bei der Europameisterschaft des Jahres 2000, erwartete die Öffentlichkeit nichts sehnlicher als den Rückzug oder Rausschmiss des stets gut frisierten, aber unnahbaren Kapitäns Bierhoff. Solche Typen, sagte der Präsident eines Bundesliga-Klubs damals allen Ernstes über den Mittelstürmer, "haben in der Nationalmannschaft nichts verloren".

Manchmal glaubt man, dass heute alles schneller fliegt als früher, der Ball, die Zeit, das Wort. Die Wutgesellschaft gab es aber damals schon, und wie heute richtete sie sich eher gegen die reflektierten Einerseits-Andererseits-Typen als gegen die, deren Meinung auf einen Bierdeckel passt. "Sie müssen wissen", sagte sein Berater einst über Bierhoff, "Oliver ist nie der Typ gewesen, der provoziert."

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Oliver Bierhoff wird für seine Äußerungen zu Mesut Özil scharf kritisiert. Man kann sie aber auch als Eingeständnis grundlegender Fehler beim DFB verstehen.

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Dass sich das bis heute nicht geändert hat, halten viele für einen Teil des Problems. Bierhoff, ein Künstler der Vermarktung - anfangs der eigenen, nun der des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) -, hat die Mannschaft "Die Mannschaft" nennen lassen, das selbstgefällige Logo steht wie ein Sichtschutz vor der bisweilen weltfremd wirkenden Sportlergruppe. Was dahinter passiert? Die Dinge intern regeln - so lautet § 1 im Fußball-Grundgesetz.

Fußball ist auch neben dem Platz ein Mannschaftssport

Umso wuchtiger wirkt nun Bierhoffs Aussage über den aktuellen Nationalspieler Mesut Özil. Man hätte überlegen müssen, sagte der DFB-Offizielle in einem Interview kaum zwei Wochen nach dem Aus bei der WM in Russland, "ob man sportlich auf ihn verzichtet".

Özil, 29, in Gelsenkirchen geborener türkischstämmiger Ausnahmekicker, war mit dem Sportskameraden Ilkay Gündoğan im Mai auf ein Foto mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan geraten. Anders als sein ebenfalls deutscher Landsmann Gündoğan hat sich Özil nie zu dem Vorgang geäußert und damit offenbar die Minimalforderung an seine Resozialisierung verfehlt. Die AfD feixte. Wie belastend die folgende, mit rassistischen Spitzen vergiftete Debatte auch hinter der Sichtschutzwand für die Spieler war, hat Bierhoff nun erklärt. Aber Özil habe das, was man von ihm erwarte, eben "aus bestimmten und offensichtlichen Gründen nicht sagen können".

Es ist die Fortsetzung einer Kommunikationskrise. Erst sagt man zum falschen Zeitpunkt nichts, was das Feld für jene öffnet, die Özil zum Symbol eines entglittenen Multikulturalismus machen wollen. Und dann sagt Bierhoff zum falschen Zeitpunkt doch etwas, das er hinterher anders gemeint haben will - wodurch sich aber diejenigen, die es schon immer gewusst haben, bestätigt fühlen. Noch vor der großen DFB-Analyse oder einer Erklärung Özils, ob er Nationalspieler bleiben will, hat die Krise 2018 ein Gesicht. Auch wenn der Spieler, wie Bierhoff andeutet, mit der Situation überfordert ist: Der DFB hat auch keine Lösung gefunden. Fußball ist ein Teamsport, auch neben dem Platz.

Nach dem EM-Aus vor 18 Jahren sagte Bierhoff übrigens: "Die größte Enttäuschung für mich ist, dass wir es als Gruppe, als Persönlichkeiten, nicht geschafft haben, gegen die Widrigkeiten anzugehen." Das könnte von heute sein.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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