Ärger beim FC Arsenal:"Gib das verdammte Geld aus!"

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"Gib! Das! Geld! Aus!" So könnte man den Zettel des Arsenal-Fans im Londoner Stadion übersetzen.

(Foto: AFP)

Es wird ungemütlich beim Klub von Lukas Podolski und Per Mertesacker: Seit acht Jahren hat der FC Arsenal keinen Titel mehr geholt. Nun wächst der Zorn der Basis auf Trainer Arsène Wenger - weil dieser die Mannschaft nicht verstärkt.

Von Raphael Honigstein, London

Die ersten 90 Minuten einer Saison eignen sich eigentlich nicht für finale Bewertungen, aber der Arsenal Supporters Trust (AST), ein Dachverband von Fans und Kleinaktionären des Londoner Vereins, hatte am Samstag genug gesehen. Nach der 1:3-Heimniederlage gegen Aston Villa verlangte AST in einem offenen Schreiben den sofortigen Stopp der Gespräche über eine Vertragsverlängerung mit Trainer Arsène Wenger über den kommenden Sommer hinaus. "Wir halten das Angebot eines neuen Vertrages für unangebracht", hieß es in dem Kommuniqué.

Den Zorn der Basis im Norden der Hauptstadt erregte weniger das Ergebnis als die enervierende Transferpolitik der vergangenen Monate. Während sich die Konkurrenz in der Liga zum Teil sündhaft teure Zugänge einverleibte, unterschrieb bei Arsenal nur der 20-jährige Stürmer Yaya Sanogo (ablösefrei; vom französischen Zweitligisten AJ Auxerre) - trotz eines von Geschäftsführer Ivan Gazidis groß angekündigten Investitionsprogramms.

Der amerikanische Funktionär hatte erst im Juni von einer "Eskalation der finanziellen Feuerkraft" des traditionell profitabel und vorsichtig agierenden Klubs angekündigt. Die in Richtung Gonzalo Higuaín (von Real Madrid zum SSC Neapel), Lars Bender (Leverkusen), Luis Suárez (Liverpool) und Luiz Gustavo (vom FC Bayern zum VfL Wolfsburg) abgegebenen Schüsse verfehlten jedoch alle das Ziel. So eskaliert bei den seit acht Jahren auf einen Titel wartenden Gunners nur der Unmut über Wengers rätselhafte Abschlussschwäche auf dem Transfermarkt. "Spend some fucking money!" (Gib' das verdammte Geld aus!) - so hallte es nach dem Abpfiff gegen Aston Villa mal wieder durch das Stadion.

"Wichtige Fragen zu der Art und Weise, wie bei Arsenal Spieler identifiziert, eingestellt und entlohnt werden, bleiben offen", schrieb AST. An finanziellen Mitteln fehlt es jedenfalls nicht, der Verein bestätigte indirekt, dass mindestens 80 Millionen Euro für Transfers bereit stünden. Dass an der Holloway Road die teuersten Eintrittspreise Großbritanniens gezahlt werden, lässt Arsenals zauderhaftes Transfergebaren noch rätselhafter erscheinen. Darüberhinaus wäre nach der Verabschiedung von 17 Ergänzungs- und Nachwuchsspielern ein Nachrüsten in allen Mannschaftsteilen akut notwendig.

Gegen Villa hatte Wenger bereits Mühe, die Bank vernünftig zu besetzen. Und auch im richtungsweisenden Champions-League-Playoff-Hinspiel bei Fenerbahce Istanbul an diesem Mittwoch muss der Elsässer auf viele verletzte Stammkräfte (Mikel Arteta, Thomas Vermaelen, Alex Oxlade-Chamberlain, Abou Diaby, Nacho Monreal) verzichten. Der deutsche Nationalverteidiger Per Mertesacker wird, wie beim Saisonauftakt, in Istanbul die Kapitänsbinde tragen.

Wenger wehrt sich

"Die Leute sagen, ,kauf' Spieler, kauf' Spieler, kauf' Spieler'. Aber wen?", fauchte der gereizte Coach am Wochenende: "Wir analysieren jeden einzelnen Spieler auf der Welt und arbeiten 24 Stunden am Tag. Wenn wir keine Spieler kaufen, dann nur, weil wir keine finden." Vereinsinsider sprechen von langwierigen Entscheidungsprozessen, derweil schnellere Rivalen Arsenals Wunschkandidaten engagieren. Hinzu kommt eine gewisse Sturheit: Der einst für sein Scouting-Knowhow gefeierte Wenger hat sehr präzise Vorstellungen vom "objektiven" Transferwert eines Spielers und weicht ungern davon ab.

Das größte Problem ist jedoch die fehlende Gewaltenteilung. Es gibt keinen Sportdirektor, der Wenger die Arbeit abnehmen würde - und niemanden im Klub, der ihn zu seinem Glück zwingen könnte. Eigentümer Stan Kroenke aus den USA mischt sich nicht ins Tagesgeschäft ein. Der blasse Gazidis fungiert in der Praxis als Angestellter von Wenger, obwohl es umgekehrt sein müsste.

"Die Misswirtschaft und fehlenden Investitionen in den Kader sind unverzeihlich", schrieb am Dienstag der Wenger zuvor sehr lange treu gebliebene Reporter des Daily Mirror. Selbst die Mannschaft wird langsam unruhig. "Meiner Meinung nach brauchen wir noch einen Stürmer, eine namhafte Verpflichtung könnte unser Spiel verändern", sagte der französische Torjäger Olivier Giroud. Kollege Lukas Podolski, am Samstag nur ein paar Minuten auf dem Platz, kommt unter Wenger nur auf dem linken Flügel zum Einsatz.

Aufgeschreckt vom Villa-Resultat und dem verheerenden Publikumsecho gab Wenger am Montag Angebote für die Mittelfeldspieler Yohan Cabaye (Newcastle) und Paul Pogba (Juventus) ab - allerdings zu Konditionen, die von den Klubs sofort als inakzeptabel zurückgewiesen wurden.

Für den Trip nach Istanbul kommt die Dringlichkeit sowieso zu spät. "Wenn wir auf den Eiffelturm steigen und Geld runter schmeißen, können wir trotzdem nur mit den Spielern spielen, die wir momentan haben", sagte Wenger vor dem Abflug in die Türkei trotzig.

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