Ärger beim BVB:Schmelzers subtile Scharmützel

Schmelzer und Aubameyang

Gemeinsam auf dem Platz: Pierre-Emerick Aubameyang (l), dahinter Marcel Schmelzer.

(Foto: dpa)
  • Nach turbulenter Hinrunde inklusive Trainerwechsel soll beim BVB endlich Ruhe einkehren.
  • Doch das wird schwierig, weil sich Stürmer Aubameyang wieder einmal extravagante Auftritte leistet. Kapitän Schmelzer gefällt das nicht.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Zur Fußball-Gala in Ghana kürzlich war Pierre-Emerick Aubameyang in der Robe eines Zirkusdirektors erschienen: schwarzer Stoff mit gewundenen Gold-Applikationen auf der Brust. Noch lieber führt sich Borussia Dortmunds exzentrischer Stürmer zwar auf wie ein Clown, doch mit Riesenlatschen und roter Knollennase hätte sich der 28 Jahre alte Gabuner gewiss nicht blicken lassen bei der Wahl zu Afrikas Fußballer des Jahres. Als Drittplatzierter hinter Mohamed Salah und Sadio Mane vom FC Liverpool durfte Aubameyang in Accra mit aufs Ehrenfoto.

Aubameyang liebt die Eskapade. Davon können sie in Dortmund Ohrwürmer singen. Kurztrips im Privatjet, Superheldenmasken beim Torjubel oder selbstinitiierte Videodrehs auf dem Trainingsgelände - der Stürmer mit dem Bubencharme genießt im Westfälischen einen durch viele wichtige Tore erworbenen Sonderstatus. Dass er nach der Gala in Ghana mit dreitägiger Verspätung ins Dortmunder Trainingslager gereist ist, war ausnahmsweise abgesprochen; dass sein Vater Pierre und seine Brüder Catilina und Willy in Marbella mit im Mannschaftshotel wohnten, sorgte allerdings schon wieder für Unruhe.

Schmelzer spricht ins Fernsehmikrofon

Nach einer wechselhaften Hinrunde mit atmosphärischen Störungen und der in Fußballerkreisen stets alarmierenden Grüppchenbildung hatten die Borussen dieses Trainingslager eigentlich als Schnitt und mithin als Auftakt in ein harmonischeres Jahr zelebrieren wollen. Doch was der Kapitän Marcel Schmelzer dann in die Kamera des mitgereisten Fernsehsenders Sky äußerte, klang gleich wieder bedrohlich. Über Aubameyangs wiederkehrende Kapriolen sagte er: "Wenn man diese kleinen Störfeuer nicht löscht, dann gibt es irgendwann einen Riesenbrand."

Dass es in Marbella kalt und nass war, dass sich auf dem tiefen Fußballplatz schlecht trainieren ließ und dass gleich sieben Spieler an einem Magen-Darm-Virus erkrankten, war Aubameyang nicht anzukreiden. Am Dienstag flog der Tross vorzeitig heim nach Dortmund, hinten im Flugzeug saßen die Infizierten und durften keinen Kontakt haben zu den gesunden Kollegen vorne. Am Sonntag geht für den BVB gegen den VfL Wolfsburg die Saison weiter.

Dringlicher noch als die Genesung der Feldspieler Nuri Sahin, Ömer Toprak, Christian Pulisic und Jacob Bruun Larsen wäre jene der Torhüter Roman Bürki, Roman Weidenfeller und Dominik Reimann - zum Testspiel gegen den belgischen Erstligisten Zulte Waregem in Marbella mussten die jungen Keeper Eike Bansen und Jan Reckert eingeflogen werden. Den ersten Treffer zum 3:2-Sieg erzielte der wiedergenesene Außenverteidiger Lukasz Piszczek - die weiteren beiden Aubameyang.

Schöne Tore waren das, die dem Klub einmal mehr zeigten, wie abhängig sein Erfolg von diesem Spieler ist. Wäre Aubameyang ausschließlich ein Störenfried, dann klänge das jüngst kolportierte Interesse zweier chinesischer Klubs an seiner Verpflichtung im Sommer ja interessant. Beijing Guoan und Guangzhou Evergrande buhlen laut chinesischen Medien um die Gunst des Gabuners, der in Dortmund einen Vertrag bis Sommer 2021 besitzt. Im Gespräch waren schwindelerregende Ablösesummen im zweistelligen Millionenbereich, über die sich der BVB-Sportdirektor Michael Zorc aber gelassen ausließ: "Spekulationen um Auba sind für uns nichts Neues, sie nerven uns nicht mal mehr."

Stöger ermahnt seine Spieler

Was an Aubameyang schon eher nervt, scheint sich intern abzuspielen in einer Mannschaft, für die der neue Trainer Peter Stöger keinen Psychologen, Therapeuten oder Yogalehrer mit nach Marbella genommen hat, sondern den Soziologen Werner Zöchling, also einen Mann, der sich wissenschaftlich mit dem Zusammenleben von Menschen beschäftigt. Und darum gehe es dann auch, sagte Stöger: "Den Gruppengedanken und den Teamgeist anzusprechen." Die beiden Österreicher haben schon bei Austria Wien und beim 1. FC Köln zusammengearbeitet.

Bei Marco Reus, der nach siebenmonatiger Pause demnächst sein Comeback geben will, schlagen derlei motivatorische Bemühungen besonders schnell an. "Wir gehen die Rückrunde mit einem neuen Teamgeist an", verkündete er in Marbella frohen Mutes und versuchte, die kritischen Aussagen zweier Kollegen zu übertönen. Außer dem mahnenden Kapitän Schmelzer ließ sich nämlich auch Mario Götze zur Skepsis hinreißen, indem er die Behandlung von Aubameyangs Eskapaden an höhere Instanzen verwies: "Das ist bei uns schon ein Thema - aber Sache des Vereins."

Stöger findet: "Wenn die Gruppe richtig stark ist, dann kann sie gewisse Dinge auch mal aushalten." Das ist eine Ermahnung an die Spieler, nicht zu zimperlich zu sein, birgt aber auch die Gefahr, Störfeuer im Schmelzerschen Sinne zu unterschätzen. Zorc wird die subtilen Scharmützel scharf beobachten. Schließlich hat er in Marbella eine deutliche Forderung formuliert: "Nach einem Jahr mit dem Bombenanschlag, zwei Trainerentlassungen und einem skurrilen Verlauf der Hinrunde lautet unser größter Wunsch: etwas mehr Ruhe."

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