Transfers von Jugendfußballern:Wie ein Talent aus Unterhaching zum Millionengeschäft wurde

Ulm Fußball U 16 Länderspiel Deutschland vs Italien von vorne Karim Adeyemi GER Marvin; Adeyemi

Karim Adeyemi im Trikot der Nationalmannschaft.

(Foto: imago/Pressefoto Baumann)
  • Karim Adeyemi wird vom DFB als bester Nachwuchsspieler der Altersklasse U17 ausgezeichnet.
  • Bereits im vergangenen Sommer wechselte er für eine Millionen-Ablöse von Unterhaching nach Salzburg/Liefering.
  • Sein Fall steht stellvertretend für die Dimensionen, die das Geschäft mit dem Jugendfußball angenommen hat.

Von Thomas Hummel

An diesem Montag hat der Deutsche Fußball-Bund Karim Adeyemi mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold ausgezeichnet. Der Spieler des FC Liefering bekommt den Preis als bester Spieler der Altersklasse U17, vor ihm haben die Auszeichnung auch Fußballer wie Leon Goretzka, Timo Werner oder Mario Götze bekommen. In der U19 wurden Nicolas Kühn (Ajax Amsterdam) und bei den Frauen Klara Bühl (SC Freiburg) ausgezeichnet. Bereits im vergangenen Sommer wechselte Adeyemi von der SpVgg Unterhaching zum FC Red Bull Salzburg, der ihn an sein Ausbildungsteam Liefering auslieh. Die Ablösesumme soll drei Millionen Euro betragen haben - die SZ berichtete im Oktober 2018 über den in dieser Größenordnung einmaligen Transfer im deutschen Jugendfußball.

In Unterhaching wundern sie sich manchmal. Hat Karim Adeyemi, 16, ihre Spielvereinigung nicht verlassen? Warum steht er schon wieder auf dem Klubgelände? "Ich bin oft zu Hause und schaue mir regelmäßig Spiele an", teilt Adeyemi mit. Er braucht das noch, die Verbindung zur alten Heimat im Münchner Vorort. Dabei hat er gerade den ersten Schritt gemacht hinaus in die große Fußballwelt.

Mit 16 Jahren ist Adeyemi daheim ausgezogen, er wohnt und spielt jetzt in Österreich. In der Branche heißt es, der FC Red Bull Salzburg zahlte für ihn eine Ablösesumme von drei Millionen Euro plus Zuschläge, die Klubs dementieren das nicht. Wenn die Summe stimmt, wäre er der bislang teuerste deutsche Jugendfußballer.

Die Ereignisse rund um Adeyemi erzählen einiges darüber, wie viel Geld im Jugendfußball bewegt wird. Wie intensiv europäische Topklubs die Talente jagen - in der Hoffnung, den Star von morgen zu finden, und mit der Aussicht auf Rendite. Zudem ist es die Geschichte von einem Jungen, der in einem eher familiär geführten Klub lernen musste, wie ein zielführender Lebensweg aussieht. Falls der in München geborene Sohn eines nigerianischen Vaters und einer rumänischen Mutter irgendwann das deutsche Stürmerproblem lösen sollte, dann könnte der Deutsche Fußball-Bund auch einen Dankesbrief an Manfred Schwabl schicken.

Schwabl, der frühere Profi und seit 2012 nunmehr Präsident der SpVgg Unterhaching, hat in dem Jungen früh etwas erkannt, was andere nicht sahen. Erstens, dass Adeyemi ein toller Kicker ist. Und zweitens kein schlechter Kerl. Bis zum Alter von zehn Jahren spielte er beim FC Bayern, wegen einer Disziplinlosigkeit kam es zum Streit. Er musste gehen und wechselte nach Unterhaching, wo sich Schwabl an einen "Hallodri" erinnert.

"Die Maßnahmen haben beim Karim voll eingeschlagen", sagt Mentor Manfred Schwabl

Das soziale Miteinander sei schwierig gewesen, Schule habe ihn kaum interessiert. "Deshalb hab ich mich dem Karim ein bisserl angenommen", berichtet er. Er habe ihm erklärt, dass ohne Einsatz im Unterricht für ihn kein Platz bei der SpVgg sei. Schwabl rief den Schuldirektor an, es folgten Sitzungen mit Lehrern. Die Abmachung: Macht Karim keine Hausaufgaben oder lernt nicht, darf er nicht trainieren. Schwabl ordnete sogar Spielverbote an, obwohl sein Jugendtrainer nicht begeistert war, ohne seinen Besten antreten zu müssen.

"Die Maßnahmen haben beim Karim voll eingeschlagen", sagt Schwabl. Noten und soziale Bewertungen verbesserten sich. In Unterhaching berichten sie stolz, dass Salzburg nicht nur einen guten Fußballer, sondern auch eine stabile Persönlichkeit angeworben habe. Auf Vermittlung des Salzburger Klubs beantwortet Adeyemi der SZ schriftlich einige Fragen. Er erklärt, dass er einen Realschulabschluss anstrebt und dann auf eine weiterführende Fachschule wechseln wolle.

Ob er das noch im Terminkalender unterbringt, ist eine andere Frage. Seine Karriere als Fußballer hat Fahrt aufgenommen. Die ersten Einsätze in der Junioren-Nationalelf hinterließen Eindruck. U17-DFB-Trainer Michael Feichtenbeiner sagt, Adeyemi müsse noch viel lernen. Aber: "Er hat eine außergewöhnliche Schnelligkeit und Dynamik, richtig Speed und Zug zum Tor. Er ist mutig und sucht das Eins-gegen-Eins." Feichtenbeiner lobt Adeyemis Torabschluss und seine Sprungkraft. Qualitäten, die selten zu finden sind.

Im vergangenen Winter klingelte in Unterhaching erstmals wegen Adeyemi das Telefon, am Apparat der FC Chelsea. Schwabl flog mit dem Jungen nach London, um sich alles anzusehen. Bald darauf standen die Topklubs Schlange: Atlético Madrid, der FC Liverpool, RB Leipzig, der FC Bayern wollte ihn zurückholen. Nach Leipzig fuhr Adeyemi alleine mit dem Zug, andere Orte besuchten Schwabl und Karims Vater. Was ist das Beste für ihn und die Familie? Unterdessen trainierte der 16-Jährige in Unterhaching mit den Drittliga-Profis, im ersten Laufduell mit Kapitän Josef Welzmüller sauste Adeyemi davon und vollendete sicher. Welzmüller ging zu Trainer Claus Schromm und sagte: "So was hab ich noch nie erlebt."

Halb Europa ist hinter ihm her

Der Klub hätte sein größtes Talent gern gehalten, auch Adeyemi wäre gern geblieben. "Wir waren bei Unterhaching wie eine große Familie", schreibt der 16-Jährige. Doch wenn halb Europa hinter einem her ist, dazu mit Geld lockt, ist es schwer zu widerstehen. Für den Verein war es der mit Abstand größte Transfer der Geschichte, auf etwa drei Millionen Euro beläuft sich der Jahresetat der Drittliga-Mannschaft. Die Ablöse konnte der Klub frei verhandeln, weil die Adeyemis zuvor einen Fördervertrag unterschrieben hatten.

Sonst wäre nur eine im Vergleich mickrige Ausbildungsentschädigung fällig gewesen. Über das Gehalt Adeyemis in Salzburg verliert niemand ein Wort. Englische Klubs bezahlen 16-Jährigen bisweilen ein Millionensalär, und wenngleich die Österreicher da bei weitem nicht mitgehen, dürfte sich Adeyemi finanziell verbessert haben.

Die Salzburger betreiben seit einiger Zeit den Kauf und die Entwicklung von Talenten als Geschäftsmodell. Wie Adeyemi beginnen die meisten beim Kooperationsklub in Liefering in der zweiten Liga. Im Nachbarland dürfen 16-Jährige bereits im Männerfußball spielen, in Deutschland ist das selbst mit 17 nur per Sondergenehmigung möglich. Wer sich durchsetzt, steigt in die Erstliga-Mannschaft in Salzburg auf. Von dort aus kann es in die großen Ligen Europas gehen. Sportchef Christoph Freund macht sich keine Illusionen, die Besten dauerhaft in Österreich halten zu können.

Deshalb "ist der Verkauf von Spielern ein wesentlicher Teil unserer Herangehensweise", sagt er. Verweisen kann er auf Sadio Mané und Naby Keita (heute beide Liverpool) oder Dayot Upamecano (Leipzig), die zu Beginn der Laufbahn in Salzburg spielten. Da immer mehr Klubs diese Strategie entdecken, steigen allerdings die Preise stark. "Es ist richtig, dass junge Spieler immer mehr Geld kosten", sagt Freund. Doch etwa bei Adeyemi sei der Klub der Meinung, dass "dessen Leistungen und somit, wenn alles normal verläuft, auch sein Marktwert in den nächsten Jahren steigen werden".

Für DFB-Trainer Feichtenbeiner birgt der neue Reichtum im Jugendfußball Risiken. "Wenn die Jugendlichen Summen Geboten bekommen, mit denen sie plötzlich mehr verdienen können als ihr Papa, dann hat das auch moralische Konsequenzen", sagt er. Viele Familien könnten damit gut umgehen, einige seien aber überfordert. Es besteht die Gefahr, dass die jungen Spieler den Boden unter den Füßen verlieren.

In Unterhaching verhärtet sich bei dem Thema die Miene von Manfred Schwabl: So etwas würde er nicht zulassen. Die Eltern Adeyemi arbeiten im Verein, der Kontakt sei sehr eng. "Karim repräsentiert uns weiterhin", mahnt der Präsident und erklärt die Regeln: "Da gibt's kein Gucci-Tascherl oder eine farbige Frisur oder demnächst ein teures Auto", erklärt er.

In Liefering stellt der Klub ihm eine Wohnung, die Eltern wechseln sich mit der Betreuung ab. Karim Adeyemi erzielte in den ersten sieben Spielen ein Tor, am Ende der Saison werden es sechs Tore und vier Vorlagen in 20 Spielen sein - gute Werte für einen 17-Jährigen in der Männer-Liga. An sein neues Leben muss er sich gewöhnen. "Die ersten Wochen waren für mich sehr schwer", gesteht er. Das neue Umfeld, die hohe Intensität im Training. Es gebe Phasen, in denen die Kombination aus Profifußball und Schule "richtig anstrengend" sei. Da tut es gut, zwischendurch nach Hause zu fahren zu den alten Kumpels. Nach Unterhaching dauert die Fahrt nur eineinhalb Stunden.

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