"Aderlass"-Prozess:Vorgeschichte in Österreich

Der Vater des mutmaßlichen Dopingarztes aus Erfurt sowie weitere Komplizen gestehen, wie sie in Mark Schmidts Netzwerk operierten. Und ein österreichischer Ermittler offenbart Pikantes.

Von Claudio Catuogno

Am vierten Verhandlungstag im "Aderlass"-Prozess gegen den Erfurter Sportarzt Mark Schmidt, 42, und mutmaßliche Helfer ist das Münchner Landgericht in die Beweisaufnahme eingetreten. Als erster Zeuge war am Mittwoch der Chefermittler des österreichischen BKA geladen. Er hatte im Februar 2019 die Razzien bei der Ski-Nordisch-WM in Seefeld verantwortet, die das Blutdoping-Netzwerk um Schmidt hatten auffliegen lassen. Der Vormittag ging allerdings dafür drauf, auf Antrag der Anwälte zu befinden, ob der Ermittler zu diesem frühen Zeitpunkt schon aussagen darf, und wenn ja, worüber. Nichts sagen durfte er über Inhalte von Vernehmungen mit Beschuldigten und Sportlern, beschloss Richterin Marion Tischler schließlich. Dann durfte er in den Saal.

Mark Schmidt wird Blutdoping vor allem an Langläufern und Radprofis vorgeworfen. Er hat bisher nicht ausgesagt, will aber demnächst eine Erklärung abgeben lassen. Drei Mitangeklagte haben ein Geständnis abgelegt, darunter Schmidts Vater, der zugab, mehrmals das für die Bluttransfusionen nötige Equipment ins Auto geladen zu haben. Er habe gewusst, dass sein Sohn Doping betreibe - habe ihm als Vater aber "Unterstützung" zukommen lassen wollen. Das sei ein Fehler gewesen.

Die Krankenschwester Diana S. hatte zuvor erzählt, wie sie seit Ende 2017 mehrmals in Schmidts Auftrag zu Blutaustausch-Einsätzen gefahren war. Entweder zapfte sie Athleten Blut ab - als Vorrat für spätere Rückführungen. Oder sie wandte rund um Wettkämpfe die "Rein-raus-Methode" an: Vor dem Start ließ sie zwei 500-Milliliter-Beutel Blut rein in die Vene, dann nach dem Wettkampf wieder zwei Beutel raus. Der Notfallsanitäter Sven M., der am Dienstag aussagte, stieg erst später ein in den Blut-Import-Export: Er gestand drei Einsätze, die ihn nach Estland, Schweden und Italien führten. Wie schon S. schilderte auch M. den Auftraggeber Schmidt als manipulativ: M. habe erst am Tag vor dem Flug zu einem Langlauf-Event nach Otepää von Schmidt erfahren, dass er Blut abnehmen und zuführen solle. Er sei von "Blutdruck messen oder so" ausgegangen, sei dann "geschockt gewesen", habe sich aber auch angesichts der schon gebuchten Reisen an seine Zusage gebunden gefühlt.

Schon 2018 wandte sich eine "Vertrauensperson" ans BKA

Nun also der Beamte aus Wien: Er berichtete über die Vorgeschichte der "Aderlass"-Ermittlungen, die zum Prozessstart zur Auseinandersetzung zwischen den Anwälten von Schmidt und dem mutmaßlichen Komplizen Dirk Q. mit Oberstaatsanwalt Kai Gräber geführt hatten. Gräber habe in den Akten falsche Angaben zum wahren Beginn der Ermittlungen gemacht, lautete ein Vorwurf; diese hätten in Wahrheit schon vor Januar 2019 begonnen. Der Chefermittler aus Wien sagte nun aus, dass ihm eine "Vertrauensperson" tatsächlich schon im November 2018 einen kurzen Ausschnitt aus einem später in der ARD ausgestrahlten Doping-Geständnis des österreichischen Langläufers Johannes Dürr gezeigt habe; daraufhin starteten in Österreich bereits Überwachungsmaßnahmen bei Athleten und einem Trainer. Um wen es sich bei der "Vertrauensperson" handelte, interessierte die Prozessbeteiligten sehr - blieb aber geheim. Jedoch: Die Münchner Behörden habe er erst nach Ausstrahlung der ARD-Dokumentation im Januar 2019 kontaktiert, gab der BKA-Mann an. Gräbers Angaben zu diesem Punkt würden also stimmen. Am Dienstag wird der Prozess fortgesetzt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: