Urteil im Doping-Prozess:Abschreckung für alle Pillenverteiler

Urteil im Doping-Prozess: Mark Schmidt (Mitte) muss vier Jahre und zehn Monate in Haft - es ist das erste Urteil in einem großen, deutschen Doping-Prozess.

Mark Schmidt (Mitte) muss vier Jahre und zehn Monate in Haft - es ist das erste Urteil in einem großen, deutschen Doping-Prozess.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Wer Athleten dopt, riskiert eine lange Haftstrafe - diese Botschaft sendet das Urteil im Aderlass-Prozess. Gut so. Der Sport verdient staatlichen Schutz.

Kommentar von Claudio Catuogno

Manchmal verabredete sich der Erfurter Arzt Mark Schmidt mit den Sportlern, die seine Blutdoping-Dienste in Anspruch nahmen, an einer Raststätte oder auf einem Burger-King-Parkplatz. Auf dem Rücksitz seines Autos lief dann das Blut in die Vene. Aber es war natürlich immer alles supersteril. Manchmal verabreichte Schmidt seinen Klienten den Extraliter Blut direkt vor dem Langstreckenflug. Dann gab Schmidt noch ein Thrombose-Medikament dazu. Sicher ist sicher - oder vielleicht doch nicht?

Mark Schmidt, der am Freitag vom Münchner Landgericht verurteilt wurde, nannte seine Blutkurierdienste "ein Angebot von hoher Qualität" - verglichen mit dem, was sonst so abgehe in der Hochleistungsbranche. Deutsche Dopingwertarbeit, mit ärztlichem Siegel: Seine Hoffnung, dieser selbstdefinierte Standard könnte ihn vor einer langen Haftstrafe bewahren, hat sich allerdings nicht erfüllt. Schmidt bekam vier Jahre und zehn Monate Gefängnis; zwei Jahre davon hat er erst hinter sich.

Es gibt kein gutes, kein entschuldbares Doping, das ist eine der Botschaften des Urteils. Und es schützt auch nicht vor Strafe, wenn man Athleten aus einer vermeintlichen "Liebe zum Sport" heraus künstlich beschleunigt, wie Schmidt es ebenfalls für sich in Anspruch nahm. Doping ist strafbar - so steht es im 2015 verabschiedeten Antidopinggesetz.

Der Münchner "Aderlass"-Prozess hat nun zur ersten substanziellen Verurteilung auf Basis dieser noch jungen Rechtsvorschrift geführt. Schmidt hat die hohe Strafe bekommen, auf die viele gehofft hatten - als Abschreckung für all die anderen Pillenverteiler, Blutbeuteleinfrierer und deren Kunden. So gesehen hat das Antidopinggesetz seine Feuertaufe bestanden. Aber das Urteil darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Gesetz ansonsten nicht so häufig bewährt.

Am Ende fällt wieder ein Radprofi tot aus dem Sattel

Es sind eine Menge Hobby-Bodybuilder mit Testosteron aufgeflogen. Aber die Schweigemauer rund um den Leistungssport hat bisher kaum Risse. Eine Kronzeugenregelung, die aussagewillige Athleten vor Strafverfolgung bewahrt, soll jetzt nachgereicht werden - fünf Jahre zu spät. Und dass es in Deutschland gerade mal drei Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaften gibt, spricht auch nicht für den Aufklärungseifer des Staates.

Sollte das Thema Doping den Staat überhaupt interessieren? Schmidts Anwälte argumentierten, die "Integrität des Sports", die das Antidopinggesetz schützen soll, gebe es in Wahrheit ohnehin nicht - weil letztlich doch alle dopten. Gut, dass dieser Relativismus bei der Richterin nicht verfangen hat. Schmidt mag für sein eigenes Blut-Business Grenzen definiert haben. Abgesehen von einem Schwindelanfall ist niemand direkt zu Schaden gekommen. Indirekt aber schon.

Sport ist dem Wesen nach ein Wettbewerb unter gleichen Bedingungen. Nur dann bringt er Vorbilder hervor, nur dann ermuntert er zu Bewegung. Wer in den Sport den Betrug einführt, treibt wiederum andere in den Betrug. Und wenn einer hier die Grenzen verschiebt, kommt der nächste und verschiebt sie weiter. Am Ende fällt wieder ein Radprofi tot aus dem Sattel. Der Sport, dem Eltern ihre Kinder anvertrauen, verdient staatlichen Schutz. Auch deshalb ist das Thema Doping hier richtig aufgehoben: beim Staatsanwalt und bei den Gerichten.

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