Extremsport:Durch den Dschungel

Extremsport: Ungewohntes Terrain: Rosanna Buchauer bei ihrer ersten WM.

Ungewohntes Terrain: Rosanna Buchauer bei ihrer ersten WM.

(Foto: oh)

Rosanna Buchauer, 32, aus Inzell will bei ihrer ersten WM im Trailrunning nur ins Ziel kommen - und landet in Thailand trotz ungewohnter Hitze auf Rang fünf.

Von Nadine Regel

Ein enger, verwurzelter Pfad, stark bewachsen, jeder Tritt mit Bedacht. Von oben recken sich Äste und Blattwerk in ihren Weg, Kopf einziehen. Weiter durch ein Flussbett, über rutschige Steine, in ein Bergdorf, über den Markt, durch Gärten hindurch, an Einheimischen vorbei, später durch eine Bananenplantage. Es ist ein Abenteuer für Rosanna Buchauer, diese erste Weltmeisterschaft im Berglauf und Trailrunning. Im Dschungel ist sie nie zuvor gerannt. Aber klar, sagt sie, ihr Fazit sei positiv.

Die gebürtige Inzellerin hat sich am vergangenen Wochenende auf einer 78 Kilometer langen Strecke durch den Dschungel in Chiang Mai im Norden Thailands auf einen fünften Platz gekämpft. Als eine von 74 Starterinnen. Sie überwand 4800 Höhenmeter und benötigte 8:50:45 Stunden, etwa 28 Minuten länger als die Erstplatzierte. Überrascht habe sie das schon, sagt sie zwei Tage später am Telefon. Sie habe eine intensive Saison gehabt, unter anderem nahm sie am Eiger-Ultratrail und am Ultra-Trail du Mont-Blanc teil. Daher hatte sie vor allem den Wunsch, bei der WM ins Ziel zu gelangen, ihre Hoffnung lag auf einer Top-20-Platzierung. Am meisten Sorge hatte sie vor der Hitze. Aber ihr "Plan", den sie und ihr Trainer sich seit ihrer Nominierung vom Deutschen Leichtathletik-Verband vor fünf Wochen zurechtgelegt hatten, sei "zu zwei Dritteln" aufgegangen. "Ich habe akzeptiert, dass die ganze Zeit Schweiß runterläuft", sagt Rosanna Buchauer und lacht.

Um zu sehen, wie ihr Körper auf große Hitze reagiert, hatte sie im Herbst spontan eine Woche auf der italienischen Insel Sardinien trainiert. Sie lief in "absoluter Mittagshitze", zwölf Uhr ging es los. "Die Einheimischen haben sich gewundert, warum ich genau jetzt laufe", sagt sie. Daraus habe sie aber viel gelernt, für ihren Körper und ihre Ausrüstung. Sonst lief sie mit Zopf, der durch die Mittagshitze auf der Insel komplett nass geschwitzt war und wie eine Peitsche auf ihre Schulter einschlug. Für die WM in Thailand flocht sie ihre Haare daher eng an den Kopf. Stellen, die durch die Reibung des Rucksacks und der Kleidung auf der salzigen Haut wund werden könnten, bereitete sie mit Tape und Vaseline vor, ihr Stirnband, ihr Halstuch und ihre Armbänder salbte sie vor und während des Rennens mit Kühlgel ein.

Die WM in Thailand, die drei Tage dauerte, war die erste im kombinierten Format aus Berglauf und Trailrunning. Zuerst gingen die Bergläufer auf ihren kurzen Distanzen zwischen acht und elf Kilometern an den Start, am Samstag waren die Trailrunner mit 38 und 78 Kilometern an der Reihe. Neben Buchauer starteten Benedikt Hofmann für die Langdistanz bei den Männern und Hanna Gröber im Berglauf für Deutschland. Ultrarennen sind Buchauers Spezialität, also Rennen ab 50 Kilometern Länge, die viel Strategie verlangen. Man muss seine Kräfte ökonomisch einteilen. Steile Anstiege geht man, über flache Strecken und bergab holt man durch Tempo wieder Zeit heraus.

Buchauers Trainer, Arne-Christian Wolff, weiß, welche Herzfrequenz seine Athletin über lange Distanzen durchhalten kann. "Auf dieser Grundlage berechnen wir, wie viele Kohlehydrate ich verbrenne und aufnehme", sagt sie. Insgesamt verbrauchte sie in Chiang Mai acht Liter Wasser, das mit Elektrolyten angereichert war. Energie führte sie sich mit Hilfe von Gels zu; damit ihr Magen nicht übersäuerte, aß sie Bananen, Kuchen und Weißbrot an den Versorgungsstationen entlang der Strecke. Ihr Laufrucksack, eine Art Weste, wog zweieinhalb Kilo, neben einem Liter Wasser hatte sie Gels dabei, eine Rettungsdecke, Laufstöcke und ein Handy für den Notfall. Und eine Pfeife. Falls sie vom Weg abkommt, stürzt, dann ruft sie damit um Hilfe.

Bis ins Alter von 16 Jahren trainierte Buchauer Eischnelllauf auf Leistungssportniveau

Profi ist Rosanna Buchauer erst seit 2021, sportlich aber schon ihr ganzes Leben lang. Im Alter zwischen 12 und 16 Jahren trainierte sie Eischnelllauf auf Leistungssportniveau, im Studium in Innsbruck begann sie das Laufen in den Bergen. Das ist es auch heute noch, was sie an ihrem Sport so fasziniert: durch das Tempo gleich mehrere Gipfel zu überschreiten, das Panorama in sich aufzusaugen. Sie trainiert bis zu 20 Stunden die Woche neben ihrem Teilzeitjob im Projektmanagement. 80 Prozent Grundlagentraining, 20 Prozent hohe Intensität, Intervalle und Bergsprints.

Dass sie mit 32 Jahren noch an einer WM teilnehmen würde, das hätte sie nie gedacht. Bei dem Sport zählt die Erfahrung: Wie gut kenne ich meinen Körper, was kann ich ihm abverlangen, wie motiviere ich mich? Motivation, ein wichtiges Thema. "Ich überlege mir vor dem Wettkampf ganz stark, warum ich an die Startlinie gehe und warum ich ins Ziel möchte", sagt sie, damit wolle sie verhindern, dass sie nicht unterwegs anzweifle, warum sie das eigentlich mache. Während des Rennes wolle sie sich nur mit ihrem Puls beschäftigen, sehen, was noch möglich ist, wo sie noch etwas herausholen könne.

Über den Winter will sie weiter trainieren, an Schrauben drehen, wie zum Beispiel der Leistungskennzahl VO2max, die angibt, wie viel Milliliter Sauerstoff sie maximal pro Minute bei Auslastung aufnehmen kann. Im Juni 2023 steht dann die nächste Trail-WM an, in Innsbruck. Laufen auf bekannten Wegen, ohne Kühlgel, ohne Dauerschwitzen, ohne Dschungel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: