AC Mailand - Bayern München:Doch dann kam van Buyten

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Trotz einer krassen Fehlentscheidung des Schiedsrichters erreicht der FC Bayern im Viertelfinal-Hinspiel ein 2:2 beim AC Mailand - dank sensationeller Tore von van Buyten.

Ausführlich hatten sich die Offiziellen des FC Bayern schon vor dem Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales beim AC Mailand über Schiedsrichter Juri Baskakow beschwert, und die Partie am Dienstagabend schien ihre Befürchtungen zu bestätigen: Eine krasse Fehlentscheidung führte zum vermeintlichen Siegtreffer der Mailänder.

Kakà erzielte per Elfmeter in der 84. Minute das 2:1 (1:0) - vorausgegangen war jedoch kein Foul. Lúcio hatte gegen Kakà im Strafraum den Ball gespielt - Kakà fiel, und Baskakow pfiff. ,,Er hat die Erwartungen, die wir hatten, erfüllt'', sagte Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld nach der Partie mit zitronensaurer Miene über den Schiedsrichter.

Doch dann kam van Buyten und glich in der dritten Minute der Nachspielzeit die Ungerechtigkeit aus: Er jagte den Ball aus kurzer Distanz zum Endstand von 2:2 (1:0) ins Netz, es war sein zweiter Treffer in der Partie, und so haben sich die Bayern fürs Rückspiel in einer Woche eine sehr gute Ausgangsposition geschaffen.

Wenn er nicht über den Schiedsrichter sprach, glätteten sich die Falten im Gesicht von Hitzfeld. Beinahe vergnügt sagte er: ,,Toll war, dass wir den Elfmeter weggesteckt haben, was nicht so selbstverständlich ist. Das war ein gutes und wichtiges Resultat. Nun können wir uns zuhause mit einem Sieg, egal wie hoch, und einem 0:0 oder 1:1 qualifizieren.''

Carlo Ancelotti, der Trainer des AC Mailand, zeigte sich ein wenig zerknirscht. Er sagte: ,,Natürlich sind wir jetzt nicht zufrieden. Die Bayern haben mit dem letzten Treffer vielleicht einen leichten Vorteil, denn es ist sicher sehr schwierig, in München zu gewinnen.'' Ob er glaube, dass der Elfmeter zum 2:1 für seine Mannschaft berechtigt war? Ancelotti studierte die Szene konzentriert auf dem Fernsehschirm, und dann war er Sportsmann genug zu sagen: ,,Das war natürlich alles andere als ein Elfmeter.''

Alle Götter des Universums

Das zweite große Thema neben der Ansetzung des Schiedsrichters war vor der Partie die Frage gewesen: Wie würde sich der junge Tormann Michael Rensing machen, der den gesperrten Oliver Kahn vertrat?

Bayern-Präsident Franz Beckenbauer hatte einen feierlichen Satz zu diesem Thema spendiert: ,,Ich rufe alle Götter des Universums an, dass er ja keinen Fehler macht.'' Die Götter des Universums zeigten sich beeindruckt von der Anrufung durch Beckenbauer, sie schenkten Rensing nach 15 Minuten einen Reflex. Aus sieben Metern Entfernung war Massimo Ambrosini frei zum Kopfball gekommen; Rensing ließ seinen linken Arm vom Körper schnellen und lenkte den Ball über die Latte.

Zuvor hatte die Abwehr der Bayern zweimal Lücken offenbart. Bereits nach zwei Minuten flog Clarence Seedorf, nachdem er sich im Rücken Philipp Lahms davongestohlen hatte, am Fünfmeterraum knapp an einer Flanke von Marek Jankulovski vorbei. In der fünften Minute gelangte Alberto Gilardino im Strafraum vor van Buyten an den Ball, doch zum Glück für die Bayern brachte er die Kugel nicht richtig unter Kontrolle. Nach Rensings Parade in der 15. Minute kamen die Münchner besser ins Spiel. Andreas Ottl zeigte Mut und versuchte es mit einem schönen Schuss aus 30 Metern Entfernung, den Tormann Dida mit ziemlicher Mühe parierte (24.).

Das Spiel lief dann eine Weile dahin, bis der AC Mailand genug hatte von dieser Form der Auseinandersetzung. Er machte ernst: Alessandro Nesta brachte mit einem langen Pass Massimo Oddo auf der rechten Strafraumseite in Position, dessen Flanke beförderte Gilardino aus vier Metern Entfernung aufs Tor, und wieder schienen die Götter des Universums Rensing zu beseelen. Erneut schoss der linke Arm in die Luft, wieder wehrte er den Ball ab (36.) . Rensing wirkte in diesem Moment wie Oliver Kahn zu seinen besten Zeiten.

Aus der Zwangsjacke

Manche Mannschaften lassen sich von solchen Torhütern entnerven. Milan erhöhte einfach das Tempo. Die Bayern wurden in der eigenen Hälfte eingeschnürt; sie operierten mit langen Pässen nach vorne, die so sicher ankamen, als seien sie mit den legendär zuverlässigen Postkutschen von Wells Fargo geliefert worden: Allerdings landeten sie stets bei einem Spieler des AC Mailand.

Die bedankten sich für die Lieferungen: Nesta spielte eine Flanke in den Strafraum, zwei Mailänder standen im passiven Abseits, nicht jedoch Pirlo, der nur 1,77 Meter große Pirlo, der den Ball mit dem Kopf über den verdutzten Rensing hinweg zum 1:0 ins Tor beförderte (40.).

In der zweiten Halbzeit spielte Milan ebenso druckvoll weiter. Dem FC Bayern fehlte ein Mann, der dagegenhält, der dem Gegner zeigt: So läuft das nicht, meine Lieben - einer wie Mark van Bommel. Eine Weile sah es daher so aus, als könne Milan den Bayern eine Demütigung zufügen. In der 53. Minute spielte Pirlo einen Pass auf Gilardino, alles an diesem Pass schien richtig zu sein, das Tempo, das Timing, und Gilardino nahm die Kugel und hob sie über Rensing ins Tor.

Doch hatte der Linienrichter die Fahne gehoben, und also hatte Schiedsrichter Baskakow abgepfiffen. Gilardino war wohl tatsächlich im Abseits, allerdings lediglich einen halben Millimeter. Da er geschossen hatte, nachdem der Pfiff ertönt war, sah er die gelbe Karte, was bedeutet, dass er im Rückspiel gesperrt ist, da es seine dritte Verwarnung im Wettbewerb war.

Allmählich gelang es den Bayern, sich aus der Umklammerung Milans zu lösen, sie wanden sich heraus wie aus einer Zwangsjacke und brachten wieder Angriffe in die Hälfte des Gegners. Schließlich spielte Salihamidzic eine Flanke in den Strafraum, vom Kopf des eingewechselten Claudio Pizarro tropfte die Kugel an den Fünfmeterraum, wo van Buyten zur Stelle war und den Ball ins Tor schoss (78.).

Alles schien gut, bis Kakà fiel, Baskakow die Pfeife zum Mund führte und tatsächlich hineinblies. Und alles wurde gut, als van Buyten sich in letzter Sekunde im Strafraum materialisierte und die Kugel beherzt ins Netz drosch.

© SZ vom 4.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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