Abwehrprobleme beim BVB:Perfektionist Klopp grollt

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Wo kommt nur diese Abwehrschwäche her? Nach dem 3:3 in Frankfurt und angesichts eines Sieben-Punkte-Rückstandes auf den FC Bayern muss Dortmunds Trainer Jürgen Klopp gegen ein bisher unbekanntes Phänomen ankämpfen: Die Stabilität ist weg.

Ulrich Hartmann, Frankfurt

Es gab Zeiten, da war das Spektakulärste an den Heimspielen von Eintracht Frankfurt der Moment, in dem die Frau Rauscher vor dem Anpfiff einen Bembel verlost. Die hessisch kostümierte "Fraa Rauscher", um mundartlich korrekt zu sein, gibt schon sehr lange vor jedem Spiel einen Steinkrug her, doch am Dienstag war sie nicht zugegen. Frau Rauscher weilt im Urlaub. Die Eintracht-Fußballer mussten sich also etwas einfallen lassen.

Grübeln über die Abwehrschwäche: Dortmunds Trainer Jürgen Klopp. (Foto: dapd)

Später am Abend ist Frankfurts Trainer Armin Veh gefragt worden, ob er eigentlich stolz sei auf seine Mannschaft. Mit Vokabeln wie "Stolz" kann der 51-jährige Augsburger normalerweise nichts anfangen. Er spielt solchen Pathos gern mit ironisierender Nüchternheit herunter. "Ach", antwortete Veh diesmal, "tja . . . na ja . . . warum eigentlich nicht . . . vielleicht schon . . . kann man, glaub ich, eigentlich doch behaupten . . . ich sag jetzt einfach mal: ja!" Es hatte ein wenig gedauert mit diesem Geständnis, aber Veh war stolz, ganz eindeutig: Veh war ausgesprochen stolz auf das, was seine Mannschaft geschafft hatte.

Unmittelbar nach dem Schlusspfiff war der Dortmunder Abwehrspieler Mats Hummels mit extrovertierter Erzürnung in den Kabinengang gestampft. "Die ham keine Chance und wir spiel'n bloß drei drei", schrie er. Er schrie sehr laut, denn er war auch sehr wütend über den Umstand, dass seine Mannschaft erst eine 2:0- und dann eine 3:2-Führung verspielt hatte. Dass man als Meister nach fünf Spielen bloß acht Punkte besitzt und damit sieben weniger als der FC Bayern.

Aber vor allem darüber, dass die vom Nationalspieler Hummels angeleitete Abwehr, die in der vergangenen Saison in 34 Spielen bloß 25 Gegentore zugelassen hatte, jetzt in fünf Spielen bereits acht Gegentreffer hinnehmen musste. "Eine Scheiß-Statistik", schnauzte auch der Trainer Jürgen Klopp und war ähnlich fatalistischer Stimmung wie Hummels.

Klopp selbst war kurz vor Schluss Guido Kleve, den vierten Offiziellen am Spielfeldrand, mit derart raubtierischer Mimik angegangen, dass man den Trainer zur prophylaktischen Vermeidung von Bisswunden aus dem Innenraum verweisen musste. Der DFB-Kontrollausschuss hat prompt ein Ermittlungsverfahren wegen unsportlichen Verhaltens gegen den Trainer eingeleitet.

3:3 war ein spektakuläres Spiel ausgegangen, das anschließend einen gefühlten Sieger und einen gefühlten Verlierer besaß - vor allem aber 51 500 Zuschauer, die "Zugabe, Zugabe" gerufen hätten, wenn es denn hier um eine Konzertveranstaltung gegangen wäre. Wenn Bundesliga-Fußball immer so ansehnlich und voller Pointen wäre wie dieses Spiel, dann hätte niemand Frust wegen hoher Eintrittspreise. Das Publikum würde vermutlich Trinkgeld geben.

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Schon wieder drei Gegentreffer für den BVB - die Protagonisten reagieren verärgert. Eintracht Frankfurt hat hingegen ein "Feuerwerk gezündet", Fürths Stürmer Gerald Asamoah beklagt "viele Totalausfälle". Felix Magath philosophiert über die eigene Chancenlosigkeit gegen den FC Bayern.

Bundesliga-Spieltag

In der analytischen Rückschau witzelten Armin Veh und Jürgen Klopp hernach auf dem Podium eine halbe Stunde lang wie in der Muppet-Show, weil das Spiel bei beiden Trainern trotz divergierender Zufriedenheit viel Adrenalin produziert hatte. Veh berichtete, dass er seiner Mannschaft in der Sommerpause besonders viele Videos von Borussia Dortmund vorgespielt habe, "weil wir versuchen wollen, annähernd ein bisschen so wie die Dortmunder zu spielen".

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Dieses Lob machte den Trainer Klopp allerdings nur bedingt stolz, weil er in diesen Tagen erlebt, dass die vormaligen Stärken seiner Mannschaft - aggressives Gegenpressing und gut strukturierte Torverhinderung - derzeit immer wieder Aussetzer erleben. "Wir haben ein paar Dinge falsch gemacht", sagte Klopp mit Groll in der Stimme, "zum Beispiel darf man bei einer 0:2-Führung nicht ausgekontert werden - und trotzdem ist uns das passiert." Drei Gegentore binnen 24 Minuten, sechs binnen vier Tagen nagen an der Souveränität des Perfektionisten Klopp. Fürs Training kündigt er an: "Wir haben ein bisschen was zu tun."

Dieses Problem, sagt Jürgen Klopp, habe er noch nicht gekannt. "Seit ich in Dortmund bin, hatten wir verschiedene Phasen, aber noch nie eine, in der wir viele Gegentore bekommen haben." Im Frühjahr 2010 hatte das Team zuletzt in drei Spielen hintereinander mindestens drei Gegentore kassiert. Die stets weit aufrückenden Außenverteidiger Schmelzer und Piszczek ließen die flügelflinken Frankfurter Fußballer Inui und Aigner immer wieder entfliehen, und beim zwischenzeitlichen 2:2-Ausgleich durch einen Kopfball des völlig freien 1,69-Meter-Manns Inui fehlte der Dortmunder Abwehr jegliche Struktur.

"Wir wissen, was wir falsch machen und müssen unser Abwehrverhalten ja nicht komplett neu erlernen", sagt Klopp und beruhigt sich mit Blick auf die nächste Herausforderung am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach selbst: "Zur Behebung dieses Problems brauchen wir keine 40 Trainingseinheiten." Da reichten ein paar Tage.

Auch der Sportdirektor Michael Zorc ruft "die Wiedererlangung der alten Stabilität" zur obersten Pflicht aus. Trainieren könne man das momentan allerdings kaum, "denn wir haben ja alle drei Tage ein Spiel". Die Tabelle hält Zorc "nach fünf Spieltagen für nicht aussagekräftig". Und der mit sieben Punkten Vorsprung enteilte FC Bayern? "Der", sagt Michael Zorc mit leicht genervtem Unterton, "ist momentan überhaupt nicht unsere Blickrichtung."

© SZ vom 27.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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