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Abstiegskampf in der Fußball-Bundesliga:Hoffenheim weg, keiner schluchzt

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Es hat fast etwas Beruhigendes zu sehen, wie dilettantisch das Kunstgebilde 1899 Hoffenheim seit der unnötigen Trennung von Trainer Ralf Rangnick eingerissen wird. Vielleicht würde sich Hoffenheim dem Zustand eines echten Klubs etwas nähern, stiege es ab.

Ein Kommentar von Andreas Burkert

Ein Herz aus Stein war Voraussetzung, um im Mai 1996 nicht berührt zu sein vom Anblick der Weltmeister Rudi Völler und Andreas Brehme, wie sie schluchzend ihre Dauerwellen aneinander drückten. Brehme war soeben mit Kaiserslautern abgestiegen, nach einem 1:1 bei Völlers Leverkusenern, die somit knapp dringeblieben waren. Brehme heulte Rotz und Wasser, und die Menschen im Land fühlten mit ihm und dem FCK, der nach 33 Jahren in Liga eins gehen musste. Um den Werksklub Bayer 04 hätte damals nur ein kleiner Volksstamm im Rechtsrheinischen getrauert - trotz Völler. Denn Lautern ist ein sogenannter Traditionsverein.

Die Debatte um diese Urviecher des Fußballs stößt regelmäßig Dortmunds Geschäftsführer Watzke an, der am Reißbrett entworfene Vereine noch weniger schätzt als Tradition in Königsblau. Mal abgesehen davon, dass Watzkes BVB 2005 auch durch viel Wohlwollen nicht pleite ging, dürfte es selbst nach dem Kollaps der Finanzmärkte erlaubt sein, dass Unternehmen und Mäzene ehrlich verdientes Geld in den Sport stecken. Voraussetzung ist seriöses, transparentes Wirtschaften. Zuletzt geriet der Automobil-Sportklub Wolfsburg wegen Phantasiegehältern und Kadergröße in Armeestärke zu Recht in den Fokus der Debatte ums Financial Fair Play im Fußball.

Wolfsburgs Vorgänger als Feindbild der Romantiker war die TSG Hoffenheim, jener vom Milliardär Hopp erfundene Dorfklub, der einst die Bayern schreckte mit dem Herbstmeistertitel 2008. Gut vier Jahre später kann Watzke frohlocken, denn Hoffenheim taumelt dem Abstieg entgegen, trotz des Geldes - allein diesen Winter kamen für rund zwölf Millionen Euro neue Spieler. Was jedoch nicht zu kaufen ist, sind Strukturen und eine Mentalität, wie sie am Samstag die Augsburger Kirchenmäuse im Abstiegsderby vorführten. Auch Leverkusen, der Traditionswerksklub, der seine 34. Bundesligasaison spielt, hat das auf hohem Niveau hinbekommen.

Es hat nun fast etwas Beruhigendes zu sehen, wie dilettantisch Hopps Kunstgebilde seit der unnötigen Trennung von Trainer Rangnick sukzessive eingerissen wird von Spielerberatern und sonstigen Einflüsterern. Fünf Trainer und drei Manager haben sich seither versucht, der amtierende Manager Müller ist inzwischen bei panischer Gras-Fressen-Rhetorik angelangt.

Derweil triumphieren in Freiburg, Mainz und sogar im einst großmannssüchtigen Frankfurt Konzepte, Fachwissen und die Ruhe, in der Kraft liegt. Vielleicht würde sich Hoffenheim dem Zustand eines echten Klubs nähern, stiege es ab. Auch wenn nicht viele Tränen vergossen würden.

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Quelle:
SZ vom 25.02.2013
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