Süddeutsche Zeitung

Abstiegskampf in der Bundesliga:Zu kräftig mit dem Feuer gespielt

Man muss dem Abstiegsgespenst ein Kompliment machen: Es zieht die Sache gnadenlos durch. Das Schicksal zweier großer Klubs verleiht dem Kampf um den Klassenerhalt eine besonders fruchtige Note.

Kommentar von Christof Kneer

Erst durfte Bruno Labbadia etwas sagen, dann durfte Huub Stevens etwas sagen, und dann schaute der Moderator der Pressekonferenz in die Runde: kein Handzeichen, nichts. Es gab nach diesem Spiel keine Frage mehr, obwohl alle Fragen offen waren.

Was diesen Tag betraf, hatten alle alles gesehen, einen dramatisch überlegenen VfB und einen dramatisch unterlegenen HSV; was das nächste Wochenende betraf, war allerdings keiner im Saal kompetent. Würde der VfB seinen Flow nutzen, um jetzt auch in Paderborn zu gewinnen, bei jener Mannschaft, an die die Stuttgarter gerade den letzten Tabellenplatz abgetreten hatten? Würde der HSV das Spiel in Stuttgart verdrängen können und zu Hause gegen die Schalker gewinnen, für die es nach der Qualifikation für die Europa League um nichts mehr geht? Würden Hannover und Freiburg sich auf einen Unentschieden einigen, wobei. . . Nein, das ging ja auch nicht. Sechzehnter können ja auch Hannover und Freiburg noch werden, und das will ja auch keiner. Jedenfalls keiner, der am 33. Spieltag auf Platz 14 oder 15 steht.

Man muss dem Abstiegsgespenst ein Kompliment machen, es zieht die Sache gnadenlos durch. In der vergangenen Saison sind Eintracht Braunschweig, der 1.FC Nürnberg und auch der HSV der Saison am Ende irgendwie abhanden gekommen, sie haben in den letzten fünf Spielen präzise gezählte null Punkte geholt, und am Ende haben den Hamburgern 27 Punkte gereicht, um auf Platz 16 zu landen. Mit 27 Punkten wären sie jetzt schon vier Punkte hinter Paderborn. Und der VfB hat die Stehversuche der drei Letzten in der vergangenen Saison dankbar genutzt, um sich zu retten. Das sah am Ende lässiger aus, als es war.

Dinos zählen zum Inventar im Abstiegskampf

Der HSV und der VfB, der VfB und der HSV - zwei großen Namen der Ligageschichte zählen inzwischen stabil zum Inventar im Tabellenkeller. Auf Platz 17 und 16 starten sie in den letzten Spieltag, und für Zufall hält das nur, wer die vergangenen Jahre auf dem Mars oder vielleicht in Hamburg und Stuttgart verbracht hat. In diesen Städten haben die Mannschaften lange darunter gelitten, dass die Menschen auf den Tribünen immer an Kevin Keegan, Horst Hrubesch, Jürgen Klinsmann oder wenigstens an Mario Gomez gedacht haben - an Zeiten, in denen die Klubs ganz selbstverständlich zum Inventar der anderen, der oberen Ligahälfte gehörten. Und erst recht haben die Mannschaften darunter gelitten, dass unzählige sogenannte Verantwortliche über die Jahre ein solides Chaos angerichtet haben.

Die sogenannten Dinos haben allzu sehr mit dem Feuer gespielt in den vergangenen Jahren, und allmählich wird es richtig heiß. Zwar sind an beiden Standorten inzwischen vernünftige Funktionäre am Werk, aber in der Nähe des Feuers braucht es außer Vernunft auch eine seriöse Feuerwehr-Ausbildung. Beide Trainer, Huub Stevens und Bruno Labbadia, verfügen zwar über das entsprechende Zertifikat, aber sie sind im Abstiegskampf auch davon abhängig, mit welchem Erfolg oder Misserfolg die Löscharbeiten an den anderen Standorten vorankommen.

Der Trend des 33. Spieltags spricht einstweilen für den VfB, der inzwischen phasenweise wieder so spielt, wie sich die Menschen auf den Tribünen ihren VfB erwarten. Der HSV und der VfB, der VfB und der HSV - das Schicksal und die emotionale Wucht dieser beiden großen Namen verleihen dem aktuellen Abstiegskampf eine besonders fruchtige Note. Für den VfB Stuttgart wäre ein Abstieg besonders bitter, weil er die Entwicklung einer ambitionierten Elf zerstören würde, die in der ersten Liga eine anständige Zukunft haben könnte. Und für den Hamburger SV wäre ein Abstieg bitter, weil man sich bei dieser spielerisch viel ärmeren Mannschaft nicht so recht vorstellen kann, wie sie wieder aufsteigen will.

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SZ vom 17.05.2015/ebc
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