Mögliche neue Abseitsregel:Nasenlänge bleibt Nasenlänge

Abseitsentscheidung im Fußball

Es gibt nicht "ein bisschen Abseits" - daran würden auch Reformen nichts ändern.

(Foto: imago images/PA Images)

Arsène Wenger und Uefa-Präsident Ceferin präsentieren nicht zu Ende gedachte Reformideen fürs Abseits in Zeiten des Videobeweises. Sollten diese zur EM eingeführt werden, würde es richtig kurios werden.

Kommentar von Claudio Catuogno

Wenn es um die Körperteile geht, mit denen Fußballer am liebsten Tore erzielen, zählt die Nase nicht dazu. Die Präzision im Abschluss lässt bei Nasentoren zu wünschen übrig, außerdem tun sie weh - aber zählen tun sie halt schon, die Nasentore, weshalb man sich auch im Wortsinne eine Nasenlänge im Abseits befinden kann.

Nun standen weder der Chelsea-Stürmer Olivier Giroud noch Roberto Firmino vom FC Liverpool mit der Nase im Abseits, als ihnen am Wochenende in der Premier League - jeweils nach Intervention des Videoschiedsrichters - ihre Treffer aberkannt wurden. Aber als Beleg, dass es so nicht weitergehen kann mit der ständigen Stornierung von Toren, bloß weil auf dem TV-Screen ein Knie, eine Fußspitze oder eine Haarlocke "der gegnerischen Torlinie näher ist als der Ball und der vorletzte Gegenspieler (inklusive des Torwarts)" - als Beleg also dafür, dass in Zeiten des VAR zu exzessiv auf Abseits entschieden wird, musste wieder mal die arme Nase herhalten.

"Wenn du eine große Nase hast, dann bist du heutzutage im Abseits", hatte schon im Dezember der Uefa-Präsident Aleksander Ceferin geklagt. Nun bewies Arsène Wenger denselben, nun ja: Riecher für jene Populärthemen, die den Fußballfan aufregen. Das größte Problem hätten "die Leute" seit Einführung der Videotechnik "mit der Abseitsregel", sagte der langjährige Trainer des FC Arsenal, "wir hatten Abseits wegen eines Bruchteils von einem Zentimeter, sprichwörtlich: wegen einer Nasenlänge". Man müsse da jetzt "schnell handeln".

Handeln heißt für Wenger wie für Ceferin allerdings nicht, die Auslegung der Abseitsregel durch das Videogericht zu hinterfragen. Sondern: die Abseitsregel selbst zu ändern. Der Uefa-Chef hatte vorgeschlagen, beim Abseits "eine Toleranzgrenze von zehn bis 20 Zentimetern" zu verankern. Wenger geht nicht ganz so weit. Er will die Regel so abwandeln, dass ein Spieler nicht mehr wie bisher mit einem zur Torerzielung erlaubten Körperteil im Abseits sein kann: mit dem Fuß, dem Knie, dem Kopf. Sondern dass so lange kein Abseits gepfiffen wird, wie sich mindestens noch ein Körperteil auf gleicher Höhe befindet. "Das würde es klären", behauptet Wenger, "man hätte dann nicht länger Millimeter-Entscheidungen, wenn nur ein Bruchteil eines Angreifers vor der Verteidigungslinie ist."

Das mag so stimmen, bloß: Stattdessen hätte man dann die Millimeter-Entscheidung, ob ein Bruchteil eines davonstürmenden Angreifers noch auf der Verteidigungslinie ist. Das gleiche gilt für Ceferins Idee. Man würde dann halt vermessen, ob sich ein Angreifer 19 (im Toleranzbereich!) oder 21 Zentimeter (Abseits!) vor der Verteidigungslinie befindet. Man wird die Millimeterfrage immer nur verlagern. Man müsste also darüber diskutieren, ob der VAR wegen der Schwankungsbreite seiner Technik solche Millimeterfragen in jedem Fall treffen sollte.

Weil Wenger aber überzeugt zu sein scheint, die Sache "klären" zu können, steckt jetzt ein Risiko in seinem Plan. Wenger hat seinen Vorschlag nicht als Ex-Trainer gemacht, sondern als neuer Fifa-Direktor für globale Fußballförderung. In dieser Funktion sitzt er auch im Beratungsgremien des International Football Association Board (Ifab), das über alle Regeländerungen befinden muss. Das Ifab tagt wieder am 29. Februar, Wenger drängt darauf, die Änderung der Abseitsregel möglichst rasch zu beschließen, damit sie zum 1. Juni weltweit in Kraft treten kann. Das klingt ziemlich irre.

Schiedsrichter, Videoassistenten und Spieler hätten dann eine exquisite Bühne, um die neue Regel erstmals zu testen: die Fußball-EM. Es würden dort kuriose Tore fallen, über die man leidenschaftlich diskutieren könnte, und am Ende würde man sich vermutlich wünschen, Arsène Wenger hätte seine Nase nie in dieses verzwickte Abseitsthema gesteckt.

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