Abschied von BVB-Trainer Klopp:Verflixtes siebentes Jahr

Jürgen Klopp

Es ging nicht mehr, zwischen ihm Jürgen Klopp und dem BVB.

(Foto: dpa)

Jürgen Klopps Erfolg basierte auf großer persönlicher Nähe zu seiner Mannschaft. Am Ende lief es beim BVB aber gar nicht mehr so, wie er es sich vorgenommen hatte. Haben ihn die Spieler nicht mehr verstanden?

Von Philipp Selldorf

Borussia-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte zum Pressetermin im Dortmunder Stadion die bitterste Trauermiene mitgebracht, die er finden konnte. Er musste daher nicht mehr das Wort ergreifen, um die Botschaft zu verkünden - seine überaus bedrückte Gegenwart bestätigte bereits, worüber bis zu dieser Stunde nur spekuliert werden konnte.

Zwar hatte jeder halbwegs sachkundige Dortmunder geahnt, was es zu bedeuten hatte, als der Verein kurzfristig und ohne Angabe von Gründen zu einer Pressekonferenz einlud. Die ganze Wahrheit, die hatte da noch keiner ausgesprochen, aber sie stand nun im sehr, sehr langen Gesicht des Vereinschefs geschrieben. Es war kein Gerücht, sondern eine Tatsache: Cheftrainer Jürgen Klopp hatte nach sieben Jahren Dienst beim BVB nun seinen Abschied eingereicht.

Hans-Joachim Watzke sprach als Erster, und er sprach nicht profan etwa von Rücktritt oder, bewahre, von Trennung. Er sagte stattdessen, "dass der Weg, den wir seit sieben Jahren gegangen sind, zu Ende ist". Und so pathetisch, wie er diesen Satz vortrug, hörte es sich an, als wären Borussia Dortmund und mindestens der Rest der Menschheit auf einmal an einem Ort gelandet, hinter dem ein lichtloses Nichts gähnt. Es war ein Satz, der in eine Friedhofskapelle gepasst hätte.

Selbst jetzt, im Moment seines Abschieds, spricht der Trainer noch von "fantastischen Zielen"

Der Mann, dessen Verlust betrauert wurde, klang dagegen ganz anders. Jürgen Klopp lächelte, er sah beinahe belustigt aus. Der Trainer, der im Laufe dieser Saison einen in der Fußballwelt nicht für möglich gehaltenen sportlichen Abstieg zu vertreten hatte und dabei zum ersten Mal nachdrücklich die Grenzen seines Könnens erfahren musste, trug nichts und niemanden zu Grabe, als er im Stil eines Entertainers die Gründe seines Abschieds erläuterte.

Er schaffte es auf seine doch ziemlich einzigartige Weise, fröhlich die eigene Beerdigung bei Borussia zu moderieren, und danach springlebendig den Raum zu verlassen. Ohne den Hinweis auf die nächste Pressekonferenz am Donnerstag zu vergessen, auf der er dann aber nur über das Punktspiel gegen den SC Paderborn am Samstag sprechen werde. Ein Spiel gegen Paderborn? Alltäglicher und banaler könnte, bei allem Respekt vor dem Verein aus Ostwestfalen, die nächste Herausforderung kaum sein. Doch genau deshalb hat Klopp darauf hingewiesen. Er wollte diese aus Vereinssicht sicher historische Stunde ein wenig banalisieren. Die Saison mag verkorkst sein, aber sie biete immer noch "fantastische Ziele", wie der Trainer in der üblichen Übertreibung sagte. Selbst jetzt formulierte er Träume.

Klopp hat am Mittwoch in seinem ganz persönlichen Heimspiel im Dortmunder Stadion einen starken Auftritt hingelegt, das werden auch diejenigen nicht leugnen können, die seiner rhetorischen Verführungsgabe misstrauen. Er hat sich nicht in Einzelheiten verloren und keine komplizierten Prozesse geschildert, die dem ehrgeizigen Verein die Saison verdorben haben. Er hat stattdessen getan, was er sich vorgenommen hatte: professionell seine Entscheidung zu verkünden. Klopp sprach darüber, dass er den Eindruck gewonnen habe, "nicht mehr der perfekte Trainer für diesen außergewöhnlichen Verein" zu sein, und dass dieser Verein "es verdient hat, vom hundertprozentig richtigen Trainer trainiert zu werden".

"Ein modernes Fußballmärchen"

Sechs Jahre lang hatte niemand daran gezweifelt, dass Borussia Dortmund und Jürgen Klopp die ideale Symbiose bilden. Als der Trainer 2008 aus Mainz in den Ruhrpott wechselte, fand er einen Klub sportlich im Keller und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen vor. Was folgte, war "ein modernes Fußballmärchen", wie Dortmunds Sportchef Michael Zorc sagte. Der Schwabe Klopp, der es schaffte, mit seiner angriffslustigen Art die Mentalität des Ruhrgebiets zu verkörpern, wurde zweimal Meister mit dem BVB, gewann den DFB-Pokal, erreichte das Champions-League-Finale - und lehrte, was vielleicht für die Millionen Anhänger der Borussia das Schönste war, den FC Bayern das Fürchten.

Beim 5:2-Sieg im Berliner Cup-Endspiel 2012 demütigten Klopps Dortmunder die großmächtigen Münchner - das ganze Land (von den Bayern-Fans abgesehen) hatte seinen Spaß daran. Der Rekordmeister setzte daraufhin alle Mittel in Bewegung, den Konkurrenten aus dem Westen wieder beiseitezudrängen, unter anderem übernahmen sie zwei der besten Dortmunder Spieler, Mario Götze und Robert Lewandowski. Beim BVB wurden daraufhin Verschwörungstheorien entworfen, die Münchner wollten ihren Rivalen "vernichten" (Watzke). Auch Klopp verbarg nicht seinen Ärger über die Münchner Methoden, aber sonst beteiligte er sich nicht an den Streitereien mit Bayern. Oft genug gab es Gerüchte, er werde womöglich eines Tages selbst nach München gehen.

Auf einmal wirkten seine Stilmittel eindimensional, auf einmal kamen Zweifel auf

Beim BVB herrschte Klopp mit allen Befugnissen über den Sport. Sein System gründete auf persönlicher Nähe zu den Spielern, aber auch auf unbedingter Autorität. Er hat jeden seiner Spieler bei jeder Gelegenheit in den Arm genommen, aber es war nicht nur ein liebevolles, sondern auch ein besitzergreifendes Umarmen. Damit hat aber auch zu tun, dass er nun im siebten Jahr beim BVB mit seiner Kunst an Grenzen stieß. Die Mannschaft, durch Verluste und Zugänge verändert, folgte dem Trainer nicht mehr aufs Wort. Manchmal schien sie ihn nicht mehr zu verstehen.

Der Umbau, der im Kader nötig geworden war, erforderte strategische Reformen auf dem Spielfeld. Doch Klopp hielt an seinem fußballerischen Plan fest. In den kritischen Phasen der laufenden Saison, in der die Dortmunder bis auf den letzten Tabellenplatz sanken, wirkten seine Stilmittel auf einmal eindimensional. Auch darüber wurde in der Dortmunder Führungsetage zuletzt gesprochen. Es gab Zweifel am Meistertrainer. Davon war am Mittwoch keine Rede, und bevor diese Zweifel öffentlich thematisiert werden könnten, ist Jürgen Klopp nun zurückgetreten von seinem Traumjob. "Ich bin der Meinung, dass Borussia Dortmund eine Veränderung braucht", hat er gesagt und damit auch sich selbst gemeint.

Man wird ihn bald wiedersehen in einer anderen großen Arena, vielleicht nicht in Deutschland, sondern in England, wo er einen guten Ruf hat und wo ihm große Klubs bereits große Jobs angeboten haben. "Es ist nicht so, dass ich müde wäre, tut mir leid, dass ich ab und zu so aussehe", hat er betont und damit zweierlei signalisiert: Er hat sich schon einmal für die Entgegennahme von Offerten bereit erklärt. Und er hat einen lockeren Scherz gemacht.

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