Ablöse von Gareth Bale:Neun Millionen weniger Druck

Real Madrid CF v Club Atletico de Madrid - La Liga

Gareth Bale (li.): Günstiger als Cristiano Ronaldo

(Foto: Getty Images)

Gareth Bale ist nicht der "100-Millionen-Mann", verrät Präsident Perez und macht Cristiano Ronaldo wieder zum teuersten Transfer. Für Bale ist damit die Last der Erwartungen nur minimal geschrumpft. Die Anhänger zweifeln daran, dass sich der Transfer jemals lohnen wird.

Von Oliver Meiler, Barcelona

91 ist nicht 94. Und schon gar nicht 100. Das mag arithmetisch trivial klingen. In Madrid aber wohnt dieser kleinen Zahlenreihe eine höhere Bedeutung inne, gewissermaßen eine metaphysische. Florentino Pérez, der Präsident von Real Madrid, sagte in einem Fernsehinterview, der Sommertransfer von Gareth Bale, den er mit aller Macht durchgesetzt hatte, habe 91 Millionen Euro gekostet. Nur 91.

Also drei Millionen weniger als vor vier Jahren die Verpflichtung von Cristiano Ronaldo, dessen Lebensfreude solche feinen Unterschiede ja durchaus mal mehren können. Und neun Millionen Euro weniger als die bisher kolportierte Summe, die aus Bale den teuersten Transfer der Geschichte gemacht hätte. Man darf den Waliser nun also nicht mehr den "100-Millionen-Mann" nennen, was diesem allerdings recht sein wird: Es heißt, die Schwierigkeiten des Stürmers bei den ersten Teileinsätzen seien unter anderem dem Stress geschuldet gewesen. Dem Druck der Millionen.

91 also. Nun muss man dazu aber sagen, dass Pérez nicht einfach so die Zahl hinausposaunte. Er packte sie in eine Verteidigungsrede. In Madrid zweifelt man nämlich schon seit einigen Wochen daran, ob sich dieser Transfer jemals rechnen wird: nicht nur finanziell, auch fußballerisch.

Seit nun auch die Sportzeitung Marca groß auf ihre erste Seite schrieb, Bale habe einen "Bandscheibenvorfall" - was der Verein in einem Communiqué umgehend zu einer "Bandscheibenvorwölbung" verkleinerte -, fühlt sich Pérez gezwungen, sich rundum zu rechtfertigen. Im besagten Interview erklärte er, man habe eine Versicherung auf Bale abgeschlossen, eine Art Vollkasko, die den Verein für den Fall schütze, dass der Spieler nicht mehr spielen könne, weshalb auch immer: Verletzung, Unfall, Krankheit, Sportinvalidität. Solche Policen gibt es für jeden Spieler, die Versicherungssumme entspricht dem Marktwert. Sollte Bale einmal ganz ausfallen, so Pérez, würde die Versicherung 91 Millionen Euro bezahlen - den Preis des Transfers.

Bei der Gelegenheit erläuterte der Präsident gleich auch noch die Lohnpolitik des Vereins, ebenfalls mittels eines Plädoyers für die eigene Vernunft. Ronaldo sei der Beste und verdiene daher auch am meisten, gefolgt von den Kapitänen Sergio Ramos und Iker Casillas, wiederum gefolgt von einer dritten Lohnklasse, zu der auch Bale gehöre. Auch in diesem Punkt gab es ja die eine oder andere wilde Spekulation. So defensiv hat man Pérez noch selten erlebt, die galaktischen Zeiten sind nur noch eine schummrige Reminiszenz.

Pfiffe für die Königlichen

Und er legt sich auch mit der Presse an. Der Madrider Zeitung Marca, die nun wirklich kein rüdes Oppositionsblatt ist, wirft er vor, ihm mit der Bandscheibengeschichte schaden zu wollen: "Das war eine Bösartigkeit", findet Pérez. Er habe die Röntgenaufnahmen gesehen, Bale gehe es gut, der sei fit. "Die versuchen doch nur irgendwie nachzuweisen, dass ich 90 Millionen aus dem Fenster geschmissen habe." Oder 91.

Hinzu kommen die offenen fußballerischen Fragen. Wie man heute hört, rätselte schon im Sommer, als der Präsident schier obsessiv am Bale-Transfer arbeitete, mancher Spieler hinter den Kulissen über den sportlich-taktischen Sinn der Verpflichtung. Noch lauter wurde die Kritik, als Pérez auch noch Mesut Özil nach London ziehen ließ, den besten Assistenten von Reals Stürmern, den Passlieferanten von CR7.

Bale ist eine Kopie Ronaldos, in der wohl etwas weniger talentierten Ausführung als der Platzhirsch. Bale spielt traditionell auf derselben Position wie der Portugiese und hat ähnliche Stärken. Nun muss er sich aber verbiegen, buchstäblich. Trainer Carlo Ancelotti setzt ihn am rechten Flügel ein, weil er ja nicht zwei Spieler links schalten kann. Bale ist auch auf der rechten Bahn sehr schnell, nur gelingt dem Linksfuß der Haken ins Zentrum dort nicht so gut, ganz zu schweigen vom Flanken. Nun schwant vielen Fans, Bale könnte sich zum monumentalen Fehlgriff entwickeln.

Nach dem wackligen Start der Königlichen, die nach acht Runden schon fünf Punkte Rückstand auf die Tabellenführer FC Barcelona und Atlético Madrid haben, schwindet die Geduld auf den Rängen des Bernabéu bereits bedrohlich. Etliche Akteure bekommen Pfiffe ab, bevor sie überhaupt den Ball berühren. Am meisten Karim Benzema, der französische Mittelstürmer, einer von Pérez' Lieblingen. Rauer ist das Klima auch für Sami Khedira, den verbliebenen Deutschen bei Real.

Unter Trainer José Mourinho war Khedira eine feste Größe. Nun klagt er über die schlechte Behandlung in der spanischen Presse, die regelmäßig seine Kreativkünste am Ball hinterfragt. Er sei jetzt wieder der Sündenbock, sagte Khedira dem kicker: "Selbst wenn ich gute Leistungen abrufe, werden diese schlecht bewertet. Ich bin eben kein Spanier, habe nicht viel Geld gekostet und bin ein Mourinho-Schüler."

In ihrem Mittelteil ist Khediras Argumentation recht denkwürdig. Er leidet also darunter, dass er wenig kostete. Während Bale leidet, weil er viel kostete. Und Pérez? Der leidet, weil er sehr viel Geld für großartige Spieler ausgibt, die sich aber meist nur leidlich zu einem ebenso großartigen Team formen lassen. Seit 2009, als der Bauunternehmer an die Vereinsspitze zurückkehrte, reichte es nur zu einer nationalen Meisterschaft und zu einem Pokalsieg. Ziemlich irdisch für einen Galaktiker.

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