Dominik Paris:Zwischen Schnee und Metal

Dominik Paris: Furchtlos auf der Pista Stelvio: Dominik Paris feierte in der Abfahrt von Bormio seinen vierten Sieg und seinen 17. Weltcup-Erfolg.

Furchtlos auf der Pista Stelvio: Dominik Paris feierte in der Abfahrt von Bormio seinen vierten Sieg und seinen 17. Weltcup-Erfolg.

(Foto: Gabriele Facciotti / AP)
  • Bei der Ersatzabfahrt von Gröden gewinnt Dominik Paris schon zum vierten Mal in Bormio.
  • Die harte Strecke begünstigt seine Fähigkeit, technisch gut und trotzdem brachial zu fahren.
  • Im ersten Jahr nach Marcel Hirscher ist der Gesamtweltcup so ausgeglichen, dass Paris am Sonntag sogar die Gesamtwertung übernehmen könnte.

Von Gerald Kleffmann

Wenn Dominik Paris, 30, sich die Skier anschnallt und eine Strecke besichtigt, steckt er sich zuvor Kopfhörer in die Ohren. Und dreht auf. Was er musikalisch mag, ist nichts für Zartbesaitete. Motörhead. Machine Head. Pantera. Bands, die ihn selbst zu einer eigenen inspiriert haben. Rise of Voltage heißt seine Death-Metal-Formation: Spannungsanstieg. Paris ist der Leadsänger, wobei es das Wort Gesang nicht ganz trifft. Im August hat jemand ein halbstündiges Video online gestellt, aufgenommen beim EresiaMetalfest in Italien. Paris steht im Neonlicht, und als er anfängt, den Mund aufzumachen, ist es, als würden Hochhäuser einstürzen. "Die Musik bringt mich in Stimmung, dann bin ich auf der Strecke von der ersten Sekunde an voller Adrenalin", hat Paris einmal in der Bild-Zeitung freundlich erklärt. "Harte Rennen brauchen harte Musik." So sieht er das.

In dieser Gemütslage stürzt sich Paris dann tatsächlich die Pisten hinab. Und man muss sagen: Keiner kann harte Rennen so gut wie er. Er fährt wirklich vom Stil her so, wie sie ihn in Italien nennen: Metallaro delle nevi - der Schneemetaller.

Am Freitag hat der Südtiroler Paris seinen 17. Weltcup-Sieg errungen. In Bormio wurde auf einer verkürzten Abfahrt das in Gröden ausgefallene Rennen nachgeholt. Am Samstag geht es auf der Pista Stelvio, die zu einer der schwierigsten Strecken zählt, über die volle Distanz. Für die Fahrer bedeutet das: ein mehr als drei Kilometer langes Rütteln, Schütteln, Kämpfen. Bis die Schenkel brennen. Als Paris nach dem Trainingslauf zu der Aussicht befragt wurde, die in den letzten Tagen noch eisiger gewordene Piste bewältigen zu müssen, sagte er entspannt: "Sie ist hart, schwer, immer eisig. Das ist genau das, was ich mag."

Zum vierten Mal gewann Paris nun in Bormio, ein sehr spezieller Erfolg für ihn. Er stammt aus St. Walburg im Ultental, Bormio ist für Alpenverhältnisse ums Eck. Im November wurde Paris dort Ehrenbürger. Bei der Auszeichnung schaute er, inzwischen Vater eines Sohnes, nicht so grimmig wie beim Metalfest, er schaute friedliebend wie ein Kastelruther Spatz. Kaum vorstellbar, dass er mal ein Problemfall war. Einst feierte er zu viel, flog aus dem Förderkader, jobbte auf dem Bau. Als er mit 18 monatelang auf einer Alm am Splügenpass arbeitete, wurde ihm gerade noch rechtzeitig bewusst, was ihm der Skisport bedeutet.

Paris gibt immer Vollgas

Längst ist Paris ein Speedfahrer mit hohem Wiedererkennungswert. Es ist in jedem Fall verblüffend, wie dieser freundliche, fröhliche, allseits geschätzte 102-Kilo-Hüne eine innere Brutalität auf die Piste bringt, die es ihm ermöglicht, auf gefährlichen Kursen die Speed-Grenzen weiter als andere auszuloten. Paris lässt die Skier los, wie man sagt, und greift nur ein, wenn es sein muss. Ihm geht es nicht um Perfektion, wie sie etwa der zurückgetretene Österreicher Marcel Hirscher fast manisch suchte. "Bei einer perfekten Fahrt fährt man oft nicht ganz am Limit", findet Paris. "Wenn man aber in Bormio oder Kitzbühel gewinnen will, dann muss man während des Höllenrittes korrigieren, improvisieren, vielleicht sogar eine ganz neue Linie wählen - weil man vielleicht zu schnell ist. Und das geht nur, wenn man an seine Grenzen geht. Oder darüber hinaus." Sein Credo daher: "Für mich gibt es nur eines: immer Vollgas. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde. Denn wenn ich nur in der Komfortzone trainieren würde, dann würde ich gar nichts gewinnen." In Kitzbühel hat er, klar, auch schon triumphiert, auf der Streif, die so angenehm zu befahren ist wie eine Lavalawine. Dreimal in der Abfahrt, einmal im Super-G. Im Super-G wurde er im Februar in Åre auch Weltmeister.

Auf Abfahrten, die mehr Gefühl fürs Gleiten erfordern, wie in Gröden, kann Paris nicht immer das ausspielen, was ihn von der Konkurrenz abhebt: die Fähigkeit, technisch gut und trotzdem brachial zu fahren. In Bormio wurde sein Stil besonders im Gegenschnitt zu anderen Fahrern deutlich. Nur zwei schafften es, ihren Rückstand auf weniger als eine Sekunde zu begrenzen, der Schweizer Beat Feuz und der Österreicher Matthias Mayer. Auch Thomas Dreßen, der einen hervorragenden neunten Platz (+1,52) belegte, schaffte keine so direkte Linie an die Tore heran wie Paris. Warum er gerade auf den schwierigsten Pisten so stark unterwegs ist, beantwortete Paris in der österreichischen Zeitung Kurier einmal so: "Vielleicht weil ich in der Lage bin, diese Pisten zu lesen und irgendwie zu verstehen."

Nach dem Abschied von Hirscher, der achtmal in Serie den Gesamtweltcup gewann, ist die Gesamtwertung offen wie lange nicht. Paris, der am Samstag den Führenden Henrik Kristoffersen aus Norwegen an der Spitze ablösen könnte (am Sonntag ist noch die Kombination in Bormio), will sich mit solchen Zielen aber nicht unter Druck setzen, das war nie seine Herangehensweise. Lieber steckt er sich die Knöpfe ins Ohr, dreht einfach nur die Musik auf. "I stand alone", so heißt eines seiner Lieder, darin singt Paris: "I will take you. I will beat you. I will break you. I will defeat you." Mit dieser Geisteshaltung wird er weiterhin oben im Starthaus stehen, der Schneemetaller.

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